GTA Online - Warum niemand sonst Open World versteht

Obwohl es schon vor vier Jahren erschienen ist, überlebt der Erfolg von GTA 5 noch immer alle Versuche der Konkurrenz, den Open World-Thron zu erklimmen. Aber woran liegt das?

Warum fühlen wir uns in der Open World von GTA 5 so wohl? Warum fühlen wir uns in der Open World von GTA 5 so wohl?

Die Gaming-Kultur hat sich in den letzten Jahren - nicht nur in Deutschland - rasant weiterentwickelt. YouTuber und Let's Player vermitteln gerade der jüngeren Generation ein Gefühl von Freiheit beim Spielen, ein fast schon moralisches Vakuum, in dem jeder tun und lassen kann, was er möchte. Titel wie GTA 5 sind prädestiniert dafür und darum rührt der Erfolg des Open World-Titels auch nicht von ungefähr.

So viel Geld auch ins Marketing geflossen sein mag, gekauft wird das Franchise nicht wegen aufwändigen Trailern oder besonders präsenter Werbung, sondern viel mehr aufgrund der Tatsache, dass es sich hierbei nicht wirklich um ein Spiel, sondern vor allem im Falle von GTA Online eher um einen digitalen Spielplatz handelt. Wo andere Titel uns so gut wie möglich an die Hand nehmen und Quest für Quest präsentieren, sind Vorgaben in GTA seit jeher höchstens nettes Beiwerk.

Die wirkliche Faszination der GTA-Reihe entsteht durch die Kulisse und die Möglichkeit der absoluten Freiheit. Rockstar Games schafft es bei jedem Ableger der Reihe aufs Neue, die Grundpfeiler so zu platzieren, dass Spieler sich darin so einfach wie möglich austoben können. Und genau das ist es, was Gamer heute zu wollen scheinen.

Humor muss nicht erklärt werden

Ich habe mir vor langer Zeit ein Gaming-Multireddit, also eine persönliche Sammlung mehrerer Subreddits, zusammengestellt, das sämtliche AAA-Produktionen abdeckt und nichtsdestotrotz wird es auch heute noch von GTA 5, teilweise sogar von GTA 4 dominiert. Die Zahl der Videos, die täglich aus dem YouTube-Boden sprießen, ist kaum überschaubar und ein Ende ist nicht in Sicht. In den Clips geht es meist um witzige Momente, die so nie vom Entwickler geplant wurden und eher durch kuriose Zufälle entstanden sind. Das folgende Video hier schaffte es sogar auf BILD Online und N24. Das ist keinesfalls etwas, womit man sich rühmen sollte, allerdings zeigt es, wie populär solche Clips innerhalb kurzer Zeit werden können, auch außerhalb des Gaming-Kosmos'.

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Ein Spiel wie Bloodborne hingegen kann sein humoristisches Potential wohl kaum ausschöpfen. Denn wenn jemand, der mit Videospielen nichts zu tun hat, eine Compilation von Spielertoden sieht, weiß er damit nichts anzufangen. Warum ist es schlimm, in dem Titel zu sterben? Passiert das oft? Und wieso kann man nicht einfach speichern?

Präsentierte man der selben Person ein kurzes Video, in dem eine Katze in GTA 5 erschreckt wird und daraufhin panisch wegrennt, nur um dann von einem Auto überfahren zu werden, findet sie das vermutlich ebenso lustig wie der Großteil der Spielerschaft. Wie steht das virale Potenzial eines Spiels nun in Verbindung mit dem Erfolg? Um diese Frage vernünftig beantworten zu können, muss geschaut werden, welche Inhalte sich momentan am schnellsten im Internet verbreiten - auch oder gerade Inhalte, die nichts mit Gaming zu tun haben.

Was wird geteilt?

Das Prinzip von GTA-Videos ist simpel: Keine Intros, kein Kontext, stattdessen pure Situationskomik. Gerade diese Form ist perfekt dafür geeignet, geteilt zu werden. Niemand will vor einem Clip erklärt bekommen, warum das, was gleich passiert, lustig ist. Und genau das ist im Fall von GTA-Videos eben nicht nötig.

Wenn ich meiner Oma besagtes Katzenvideo zeige, würde sie vermutlich lachen, ohne dass ich ihr erklären muss, dass es ein Videospiel namens Grand Theft Auto gibt, in dem jeder machen kann, was er möchte. GTA hat es geschafft, dass Leute vergessen, dass es sich um ein Spiel handelt. Und diese Tatsache ist das gar nicht mal so geheime Rezept von Rockstar Games, das für jeden Ableger nur minimal verändert wird. Mit der zunehmenden Verbreitung von Video-Content wird dieser Trend zukünftig nur zunehmen.

Ein weiterer Faktor ist die Tatsache, dass dieser digitale Spielplatz, der GTA nun einmal ist, von Spielern nicht allein betreten werden muss. Viele der Clips stammen direkt aus GTA Online und ziehen ihre Wirkung daraus, dass hier mehrere verschiedene Spieler miteinander interagieren. Auch das ist reine Situationskomik. Wirklich geplant dürfte das, was in den populärsten Videos passiert, nicht sein.

GTA lebt von Emotionen

Hier greift ein sehr menschliches Prinzip: Wir lachen gern über Dinge, die wir nicht kontrollieren können oder die sehr unvorhergesehen passieren. Ein Artikel von Motherboard beschäftigte sich vor einiger Zeit damit, warum wir es witzig finden, wenn ein Roboter daran scheitert, Treppen zu steigen. Auch hier wurde ein Video als Beispiel zugezogen. Darin ist eben genau das zu sehen: Ein menschlich wirkender Blechkörper mit Beinen versucht, einige Stufen zu erklimmen, kippt dann allerdings um. Laut dem Artikel finden wir das lustig, weil das gleiche Gefühl greift, das greifen würde, wenn es sich nicht um einen Roboter, sondern um einen Menschen handelte: Schadenfreude.

Diese Emotion ist etwas, das auch beim Schauen von witzigen GTA-Clips auftritt. Wenn Spieler einen Stunt immer und immer wieder probieren, nur um immer und immer wieder zu scheitern, finden wir das vor allem deswegen witzig, weil wir eine solche Situation auch im echten Leben als lustig empfinden würden.

Diese Parallelen sind es, auf denen das virale Potenzial von Videospielen und insbesondere GTA beruht. Rockstars Open World-Titel ist so erfolgreich, weil die Welt unserer echten Welt 1:1 nachempfunden wurde. Alles, was uns tagtäglich passieren kann, kann auch in Los Santos oder Liberty City passieren - nur auf absurdere Art und Weise.

Grand Theft Auto ist das perfekte Beispiel dafür, dass Spiele so designed werden können, dass sie auch für Nicht-Spieler attraktiv sind und das ist in Zeiten von Facebook, YouTube und Co. Gold wert. Und das Phänomen GTA wird vermutlich in naher Zukunft nicht von der Bildfläche verschwinden.

Das falsche Lernen

Natürlich hat diese Entwicklung auch Auswirkungen auf andere Gaming-Studios. Wer in der Branche arbeitet, weiß vermutlich ganz genau über das Bescheid, was ich in den letzten Absätzen erklärt habe. Ich kann mir gut vorstellen, wie ein Whiteboard im Konferenzraum eines Entwicklers aussieht: Über vielen durchgestrichenen Kästen - das Budget muss schließlich eingehalten werden - prangt ein großer Kreis, in dem "OPEN WORLD" in Capslock geschrieben steht.

Während beispielsweise The Witcher 3, The Legend of Zelda: Breath of the Wild und auch Skyrim zeigen, wie Open World vernünftig umgesetzt werden kann, habe ich bei vielen anderen Spielen das Gefühl, dass eine offene Welt der Grundstein war, um den der jeweilige Titel herum gebaut wurde. Inwiefern diese Welt dann gefüllt wird, scheint sekundär. Das führt dazu, dass wir in den Spielen viel zu tun bekommen, allerdings meistens dasselbe.

GTA 5 löst dieses Problem dadurch, dass es zwar die Werkzeuge bietet, um Zeit zu vertreiben, was letztlich dabei herauskommt, liegt aber an den Spielern und nicht an Rockstar Games. Die Konkurrenz geht einen anderen Weg und füllt die Welt mit vorgeschriebenen Quests und gescripteten Ereignissen. Die Kreativität und Intuition der Spieler sind es allerdings, die den Unterschied machen.

Dieser Artikel unseres ehemaligen Kollegen Philipp erschien am 04. Juli 2015 zuerst auf gamespilot.de und wurde für die Neuveröffentlichung leicht verändert.

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