Musik in Spielen - Das Ohr spielt mit

Spiele sind inzwischen derart aufwändig produziert, dass so mancher Hollywood-Film vor Neid erblasst. Bei all der Hochglanzoptik und den Feature-Breitseiten wird aber noch viel zu oft die Musik vergessen, finden Petra Schmitz – und Jeremy Soule.

Ich beginne mit der Kurzfassung einer Geschichte, die sich vor knapp sechseinhalb Jahren zutrug. Es war Herbst, Sauwetter - wie man so im Rheinland sagt - bestimmte die Tage. Und ich wollte passend zum Dauerregen gemütlich vor meinem Rechner sitzen und große Abenteuer erleben. Meine Wahl fiel auf Dragon Age: Origins, das ich aber nach nur circa sechs Stunden aus diversen Gründen wieder abbrach und mich stattdessen dem bis dahin ungespielten ersten Mass Effect zuwandte. Statt Fantasy plötzlich also Science Fiction aus dem Hause Bioware.

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Ich war minimal skeptisch. Bis zum Moment, in dem ich die ersten Töne der Menü-Musik hörte und instinktiv wusste: Das wird was! Was akustisch so beginnt, kann nicht schlecht sein. Und ich wurde nicht enttäuscht, Mass Effect ist in meinen Alltime-Favorites ganz weit vorne. Nicht zuletzt wegen des fantastischen Soundtracks. Oder anders: Das Stück »Uncharted Worlds« von Sam Hulick war der Grund, warum mich Mass Effect von der ersten Sekunde an fasziniert hat. Hulick hat zusammen mit Jack Wall etwas Außergewöhnliches geschaffen, etwas, das qualitativ so weit entfernt ist vom üblichen Gedudel im Hintergrund wie der große Andromedanebel von der Erde (ca. 2.537.000 Lichtjahre). Das ist Musik, die in großen Teilen auch für sich alleine stehen kann, zusammen mit dem Spiel aber zu einem Geniestreich wird. Und das gibt es immer noch viel zu selten.

Die Autorin
Für Petra Schmitz gibt es einige feste Konstanten im Leben. Die Liebe zum Spiel etwa. Die Liebe zur Musik ist indes ungleich größer. Auf die Frage, auf was sie eher verzichten könne, Spiel oder Musik, würde sie immer mit Spiel antworten. Traurig ist Petra darüber, dass sie niemals gelernt hat, ein Instrument zu spielen, allerdings weiß sie inzwischen sicher: Sie könnte niemals so gut Musik machen, wie sie Musik hören kann. Das versöhnt sie ein bisschen mit dem Versäumnis.

Der leidige Sountrack

Warum ich das jetzt erzähle? Weil ich vor ein paar Tagen einen Facebook-Beitrag von Jeremy Soule las, in dem er sich darüber beschwerte, wie schlecht manche Publisher beziehungsweise Studios noch immer mit (im Regelfall freischaffenden) Komponisten umgehen. Ein von Soule nicht näher genannter, aber offenbar geldschwerer Publisher wollte ein kostenloses Demotape von ihm haben. Soule erklärte in seinem Beitrag anschließend sehr deutlich, dass er so etwas für schlechtes Geschäftsgebaren hält, vor allem für eine Firma, die entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung hat. Ein gescheites Demotape könne für ihn locker 80 Stunden Arbeit bedeuten - für die man ihm keinen Cent geben wollte. Für kleine Indie-Teams mache er das gerne mal unentgeltlich nebenbei, meint er, aber doch nicht für einen finanzstarken Publisher!

Soules aktuelles Beispiel zeigt deutlich, dass das Thema Spielemusik von vielen (auch und nicht zuletzt großen) Entwicklern und Publishern nach wie vor stiefmütterlich behandelt wird. Viel zu oft höre ich selbst bei Großprojekten Klänge, die genauso gut auch fehlen könnten, so wenig tragen sie zum Spiel und zu meinem Empfinden bei. Dabei beweisen gerade im Falle von Soule etwa die Elder-Scrolls-Spiele, wie wichtig die musikalische Einbettung sein kann. Oh Gott, selbst wenn man Morrowind jetzt nicht überragend findet - die Titelmelodie kennt dann irgendwie doch jeder (oder sollte es zumindest, die ist nämlich fantastisch).

Musik ist, was bleibt

Musik ist das, was mich über die Zeit vor dem Monitor hinaus begleitet. Oder zumindest begleiten kann, ist sie nur gut genug gemacht. Ich habe beispielsweise noch Wochen nachdem ich Mass Effect beendet hatte, den Soundtrack rauf und runter gehört. Ähnlich ging es mir übrigens mit Mass Effect 2. Da wird der Score gegen Ende so fantastisch, dass sich das inzwischen arg durchgenudelte »Heart of Courage« von Two Steps from Hell, das den Releasetrailer seinerzeit untermalte, beschämt abwenden sollte.

Zu Beginn hört man einen Soundtrack natürlich, weil er einen wohlig an das Spiel erinnert. Wir erleben noch mal nach, wie wir uns in die Suicide Mission in Mass Effect 2 gestürzt haben. Auf Emotionen komprimiert. Wir sehen keine konkreten Szenen, wenn wir das Battlefield- oder Halo-Thema hören, wir fühlen sie aber. Wir fühlen uns wie in den besten Momenten des Spiels, vielleicht durch Nostalgie verklärt sogar noch ein bisschen besser.

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Später vielleicht lernt die Musik dann, auf eigenen Beinen zu stehen. Wenn ich die Musik von Guild Wars: Factions (übrigens auch von Soule) starte, bin ich für 2,5 Nanosekunden wieder in Kaineng City, danach verschwinden die Bilder, die Klänge treten in den Vordergrund und bestehen ohne meine Erinnerung an das Spiel. Wenn ich das Hauptthema von Medal of Honor: Allied Assault höre, denke ich nur: »Himmel, wie gut. Kein Wunder, dass Michael Giacchino inzwischen nur noch für Hollywood komponiert.«

Der Trick ist ...

Wie wesentlich gute Musik für den Spieler und damit auch für den Erfolg eines Titels sein kann, zeigen Spielemusikkonzerte (die inzwischen auch für den Erhalt von ganzen Orchestern sorgen) oder Youtube-Stars wie Lindsey Stirling, die insbesondere durch ihre Geigeninterprationen bekannter Spielemusik groß geworden ist. Auch nur ein herausragend gutes Stück in einem Soundtrack kann ein wichtiger Bestandteil der Legendenbildung sein. Wie viele Varianten von »The Song of the Dragonborn« (Skyrim) gibt's eigentlich auf Youtube mittlerweile?

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Natürlich kann oder will sich nicht jeder Entwickler einen Komponisten vom Schlage eines Jeremy Soule oder gar Hans Zimmer (Modern Warfare 2) leisten, aber selbst kleine Studios mit einem überschaubaren Budget haben schon erstaunliche Ohrwürmer produzieren lassen. Wer's lieber elektronisch mag, ist bei den Indie-Hits Hotline Miami und Hotline Miami 2 gut aufgehoben. Die Klänge des echt durchgeknallten Sword & Sworcery pendeln zwischen schräg und herzallerliebst. Und erst zuletzt begeisterte Dontnod mit den extrem gefühlvoll ausgesuchten Lizenzstücken für Life is Strange. Denn auch das ist eine wundervolle Möglichkeit, gute Musik ins Spiel zu bekommen (und passiert meiner bescheidenen Meinung nach noch viel zu selten - EA-Renn- und Sportspiele hin oder her).

Der Entwicklertrick ist also lediglich, zu wissen, dass Musik inzwischen ähnlich wichtig ist wie die Grafik und entsprechend zu handeln. In Film und TV ist das ja auch gang und gäbe. Demotapes für umme sind jedenfalls nicht der richtige Weg.

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