Komfortfunktionen in Rollenspielen - Komfort macht kaputt

Komfortfunktionen erleichtern das Heldenleben, können aber der Glaubwürdigkeit von Rollenspielwelten schaden. Das muss nicht sein, sagt Michael Graf.

Komfort ist doch schön. Ein bequemer Sessel, eine Versandhauslieferung gleich am nächsten Tag, eine Handy-App, die genau anzeigt, wie viel Verspätung der dumme Zug schon wieder hat, damit ich mich schon auf dem Weg zum Bahnhof ärgern kann. Okay, mal abgesehen von Letzterem macht Komfort, machen solche »auf technisch ausgereiften Einrichtungen beruhenden Bequemlichkeiten« (Duden) das Leben leichter. Manchmal aber machen sie's auch - zu leicht.

Nämlich in Rollenspielen. Ich bin kein Freund davon, Spiele auf den kleinsten gemeinsamen Hirnnenner herunterzudummen. Wenn ich nicht mehr nachdenken darf, wenn mir Zielpfeile vor der Nase baumeln wie blinkende Neonkarotten - dann arbeite ich meine Aufgaben nur noch ab. Ich schrumpfe vom Helden zum Heldenroboter. Okay, wer wenig Zeit hat, weiß das zu schätzen. Und in einem Action-Rollenspiel, das mich eh nur von Beute zu Beute führen soll, erfüllt eine klare Führung durchaus ihren Zweck.

Bei einem klassischen Rollenspiel aber macht sie genau das kaputt, was ich mir eigentlich wünsche: die Immersion, die Glaubwürdigkeit, das Gefühl, Teil einer »echten« Welt zu sein. Da geben sich Designer wahnsinnige Mühe, lebendige Welten mit NPC-Tagesabläufen und malerischen Sonnenaufgängen zu bauen - und dann stapfe ich doch nur von Questziel zu Questziel, immer brav den Markierungen nach. Am besten auch noch per Schnellreisefunktion, um bloß nichts von der Welt zu sehen.

Fallout: New Vegas hat mich gegen Spielende richtig geärgert. Fallout: New Vegas hat mich gegen Spielende richtig geärgert.

Besonders aufgeregt hat mich das in Fallout: New Vegas, das ich kürzlich durchgespielt habe. Genau wie Fallout 3 packt mich das Endzeit-Rollenspiel am meisten, wenn ich seine Ruinenwelt frei erkunde. Da entdecke ich verlassene Bunker und ihre Geheimnisse, klettere in verstrahlte Bombenkrater hinab, um Beute zu bergen, oder stolpere mitten in Mutantennester und dann halbtot wieder raus. Wenn ich hingegen der Story folge, hake ich hauptsächlich Aufgaben ab.

Gegen Spielende steigert sich das geradezu ins Absurde. Weil ich eh schon fast die ganze Welt erkundet habe, springe ich einfach nur noch von Schauplatz zu Schauplatz, führe Gespräche, erfülle Aufgaben, springe weiter - Weltenretten im Akkord. Ich musste mich zwingen, New Vegas durchzuspielen. Okay, das ist schlechtes Spieldesign und nicht direkt die Schuld von Komfortfunktionen. Dennoch wurden die Questmarkierungen für mich zu Monumenten der Sklaverei: Wo schicken die mich denn noch hin?

Mal ganz davon abgesehen, dass just die Aufgaben in bester Erinnerung bleiben, bei denen mir eben nicht alles in den Schoß fällt und ich mir Belohnungen wirklich verdienen muss. Aber das ist noch mal ein ganz anderes Thema.

Der Autor
Michael Graf würde ein Spiel als Tester niemals dafür abwerten, dass es Komfortfunktionen bietet. Im Gegenteil, er weiß genau, dass viele Spieler sie zu schätzen wissen – insbesondere, wenn sie wenig Zeit haben. Er persönlich findet es nur schade, wenn Entwickler sich nicht bemühen, logische Erklärungen für Vereinfachungen zu finden. Gerade, wenn sie sich sonst Mühe geben, eine möglichst »echte« und stimmungsvolle Spielwelt zu erschaffen.

Einfach mal abschalten

Nun verlange ich ja gar nicht, dass Entwickler auf Zielpfeile & Co. verzichten. Wie gesagt: Wer abends die Kinder ins Bett verfrachtet und noch ein bisschen Heldenzeit übrig hat, möchte vielleicht nicht mehr groß überlegen und drauflos erkunden. Wenn aber doch - warum darf ich den Komfortkram dann nicht einfach abschalten? Oder sogar in mehreren Stufen anpassen, damit die Pfeile vielleicht nicht direkt aufs Ziel zeigen, sondern nur in die grobe Richtung? The Witcher 3 etwa war ich sehr dankbar dafür, dass sich seine Hilfsanzeigen einzeln abschalten lassen.

Umso verwunderter bin ich nun, dass CD Projekt mit dem Patch 1.07 Komfortfunktionen einbaut, die für mich nicht reingehören. Etwa, dass Crafting-Zutaten nichts mehr wiegen. So hat ein Kerzenleuchter zwar ein Gewicht - wenn Geralt ihn zum Silberklumpen einschmilzt, wird er aber plötzlich schwerelos. Aha. Oder die neue Beutetruhe, in der ich Schwerter & Co. verstauen kann - schön und gut, aber warum reist sie dem Hexer an alle Schauplätze hinterher?

Seit dem Patch 1.07 gibt's in The Witcher 3 eine Schatztruhe. Die steht manchmal an seltsamen Orten. Seit dem Patch 1.07 gibt's in The Witcher 3 eine Schatztruhe. Die steht manchmal an seltsamen Orten.

Mehr zum Thema: Was ändert Patch 1.07 für The Witcher 3?

Nicht falsch verstehen, das ist ja durchaus praktisch. Für mich schadet es aber der Glaubwürdigkeit der Welt. Genauso übrigens wie die Tatsache, dass ich Geralts Pferd immer und überall herbeipfeifen kann, selbst wenn ich's vorher fünf Kilometer entfernt am anderen Ufer eines Flusses »abgestellt« habe. Eine Schnellreisefunktion hingegen kann ich gerade noch akzeptieren, weil sie lediglich dafür sorgt, dass Zeit schneller vergeht. Ich muss mir ja nicht 20 Minuten lang anschauen, wie mein Held von A nach B joggt.

Für andere Komfortfeatures sollten Entwickler jedoch logische Erklärungen finden, um sie in die Spielwelt einzubinden. Geralt darf ja gerne eine Beutetruhe haben, die sich ihm aber nicht hinterher »beamen« muss, sondern einfach an einem bestimmten Ort stehen könnte - beispielsweise in Rittersporns Gasthaus. Dass der Hexer problemlos fünf Schwerter und drei Rüstungen transportieren kann, wird ja auch erklärt: Die stecken in den Satteltaschen seines Gauls. Wäre schön, wenn ich sie dort händisch ein- und ausräumen könnte - idealerweise in Gegenwart des Pferds - aber gut, das geht vielleicht zu weit.

In Dragon Age: Inquisition lösen sich die Gruppenmitglieder beim Reiten einfach auf. Blöd. In Dragon Age: Inquisition lösen sich die Gruppenmitglieder beim Reiten einfach auf. Blöd.

Vor allem wär's schön, wenn ich »unlogische« Komfortfunktionen einfach ausschalten könnte. Ich will eben nicht den ganzen Monatsertrag einer Silbermine im Rucksack herumtragen. Ich brauche auch keine mitreisende Beutetruhe, es reicht doch eine, die irgendwo auf mich wartet. Und wenn es eine magische Teleporttruhe sei muss, dann soll mir das Spiel wenigstens das Gefühl geben, dass sie etwas Besonderes ist. Zum Beispiel, weil ich sie im Rahmen einer speziellen Quest bekomme. Den komfortablen (und musikalischen) Dockingcomputer in Elite: Dangerous muss ich mir ja auch erstmal verdienen.

Vereinfachungen, die nicht erklärt werden, schaden der Immersion. Beispielsweise auch, wenn sich meine Mitstreiter in Dragon Age: Inquisition einfach in Luft auflösen, sobald ich aufs Pferd steige. Das ist nicht nur dämlich, das ist lieblos. Und wenn ich mir eines wünsche, dann doch Spiele, denen man anmerkt, dass die Designer mit Liebe bei der Sache waren. Und das macht sich eben schon bei den Details bemerkbar.

Zum Beispiel am Gewicht eines Silberklumpens.

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