Seite 2: Manipulation und Nachmacherei - Willkommen im Flappstore

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Müssen Kleinstentwickler tricksen?

Daher ist es diskutabel, inwieweit gerade Kleinstentwickler überhaupt noch eine andere Chance haben, als sich auf anderen Wegen an die Spitze zu schummeln. Der kostspieligste Weg dorthin ist es, quasi einfach den Appstore zu bestechen. Dafür setzt der betreffende Entwickler im simpelsten Fall den Preis seiner App kurzzeitig auf das Maximum von 999 Dollar hoch und kauft anschließend über einige Drittkonten das eigene Programm. 30% des eingesetzten Kapitals gehen dabei an Apple flöten, den Rest kriegt er als Einnahmen wieder gutgeschrieben.

Der Umsatz der App steigt auf diesem Wege schnell an, ohne dass tausende von Accounts nötig sind, um auf eine Chart-verdächtige Summe zu kommen. Ist das Programm erst mal im Sichtbaren Bereich angekommen, wird der Preis wieder auf das normale Niveau gesenkt und der Entwickler drückt die Daumen, dass ihm die gewonnene Chartplatzierung das investierte Kapital wieder in die Kasse spült.

Eine echte Gelddruckmaschine: Der Free-2-Play-Hit Clash of Clans Eine echte Gelddruckmaschine: Der Free-2-Play-Hit Clash of Clans

Da dieser Vorgang natürlich nicht besonders unauffällig ist, können Entwickler inzwischen aber auch Dienstleister damit beauftragen, die eigene App im großen Stil einzukaufen. Der Erfolg des Minispiels Red Bouncing Ball, dass vor kurzem in den Appstore-Charts Einzug hielt, wird von vielen Beobachtern auf eine solche Manipulation zurückgeführt. Das Spiel, das nichts anderes ist als eine 10-Dollar-Blaupause für den Spiele-Baukasten Gamesalad, erreichte auf unbekanntem Wege Platz 3 in den US-Download-Charts und ließ sich schnell auf einen für diverse Sperenzchen bekannten, kanadischen Teenager zurückverfolgen, der unter den Namen Mateen Pekan und Louis Leidenfrost auftritt.

Der versuchte nicht nur mit der Spielevorlage im Appstore abzukassieren, sondern auch, das Ranking seines Spiels auch direkt in einen Lizenzdeal umzumünzen. Für 250.000 Dollar, so sein Angebot, konnten Interessenten den vermeintlichen Erfolgstitel einkaufen und von weiteren Umsätzen profitieren.

Einfachere Wege bieten Sammeldienste wie »Free App A Day« oder »Apps gone free«, die teilnehmenden Spielen in kurzer Zeit viele Downloads bescheren. Doch die verschiedenen Anbieter verlangen Beträge von bis zu 7000 Dollar, um eine App in ihr Angebot aufzunehmen. Den Preis der eigenen App kurzfristig auf 0€ zu setzen, ist angesichts des großen Angebots meist nicht mal mehr für große Titel genug, um wieder nach oben zu gelangen. Wer die Hoffnung auf eine Chartplatzierung deswegen aufgegeben hat, versucht stattdessen wenigstens populäre Suchbegriffe aufzugreifen. Flappy hier und Flappy da - das ist keine reine Ideenlosigkeit der Entwickler, es ist der Versuch irgendwie im Fahrwasser der erfolgreichen Titel ein wenig Aufmerksamkeit abzubekommen. Suchmaschinen-Optimierung im Appstore.

Die Flut an Klonen erstickt gute Spiele

Selbst Spiele, die keine Klone darstellen, kleistern daher ihre Beschreibungen mit Begriffen wie Clash, Clans und Bird zu - so wie Webseiten, die den Namen von Justin Bieber irgendwie in ihre Meldung hineinpressen und sei es auch nur mit einem bezuglosen Hashtag. Oben drauf kommen die echten, billigen Nachmacher. Da fast jedermann die Voraussetzungen zur Veröffentlichung auf dem digitalen Marktplatz erfüllen kann, versuchen Dutzende, wenn nicht Hunderte Trittbrettfahrer ein kleines Stück vom Kuchen der Erfolgstitel abzubekommen. Die Masse an Neuzugängen erstickt dabei immer wieder die wenigen guten Titel, die das Unglück haben, zum gleichen Zeitpunkt zu erscheinen.

Apple macht sein Geld in erster Linie mit schicker, aber teurer Hardware Apple macht sein Geld in erster Linie mit schicker, aber teurer Hardware

Entsprechend laut rufen zahlreiche Entwickler derzeit nach einer besseren Kontrolle des Appstores durch Apple. Bereits mehrfach hat der Konzern versprochen, seinen Shop besser zu auszusieben. Auch die Berechnung der Charts wurde schon einige Male angepasst. Gebracht hat es wenig. Selbst heute noch dominieren Flappy-Bird-Klone die Charts für kostenlose Apps - obwohl Apple konkret gegen die Schwemme der Nachmacher vorgehen wollte.

Ein auf den ersten Blick merkwürdiger Mangel an Engagement, wenn man bedenkt, dass der Software-Marktplatz für iOS im Jahr 2013 lockere zehn Milliarden Dollar an Umsatz einfahren konnte, von denen immerhin circa drei Milliarden bei Apple hängen bleiben. Eine immense Summe für einen reinen Download-Shop. Zum Vergleich: Publisher-Riesen wie Electronic Arts kommen mit ihrem gesamten Angebot ebenfalls auf einen Jahresumsatz von rund vier Milliarden Dollar.

Kleine Fische für Apple und Google

Doch im Gesamtkontext von Apple ist selbst ein solcher Geldbringer nur Kleinvieh. In 2013 fuhr der Konzern einen unglaublichen Umsatz von 171 Milliarden Dollar nach Hause. In einem Vierteljahr macht Apple dadurch fast doppelt so viel Gewinn wie EA in einem Jahr an Umsatz generiert. Im großen Ganzen dieser Geldmaschine ist der Appstore für kaum zwei Prozent der Einnahmen verantwortlich - und entsprechend wichtig ist für Apple auch die Korrektur bestehender Unzulänglichkeiten.

Auch Konkurrent Google hat voraussichtlich keine schlaflosen Nächte, wegen der Charts seines Playstores. Auch dort verschwinden die Playstore-Einnahmen im Jahresumsatz von rund 59 Milliarden Dollar. Genau wie Apple hat auch Google völlig andere Interessen. Das Betriebssystem Android wurde nicht entwickelt, um damit in erster Linie Apps oder Handys zu verkaufen. Google hat rechtzeitig erkannt, dass ein Großteil des Internet-Traffics über kurz oder lang auf mobile Geräte abwandern würde. Geräte, deren vorinstallierte Apps eventuell die unbestrittene Suchmaschinen-Vorherrschaft des Konzerns untergraben könnten. Geräte, die wertvolle Standort-Daten übermitteln können und in Verbindung mit Googles zahlreichen anderen Datenquellen die Kronjuwelen des Konzerns noch stärker funkeln lassen: seine Nutzerprofile.

Die beiden führenden Shops für Handyspiele sind dadurch in den Händen von Konzernen, für die Spiele eine Randnotiz sind. Sie sind aufgrund ihrer Struktur durchsetzt von Nachmachern, Free-2-Play-Titeln und Billigstproduktionen. Das sich in beiden Stores hervorragende Titel wie The Room, Superbrothers: Sword & Sorcery oder Year Walk trotzdem mehr oder minder behaupten können, ist ein bemerkenswertes Zeugnis ihrer Qualität und des Durchhaltevermögens ihrer Entwickler.

Denn wie auch immer es Dong Nguyen geschafft hat, die Welt dazu zu bringen, sein Flappy Bird wahrzunehmen, es fällt schwer, ihn nicht zumindest zu verstehen. Oder wie Dong selbst dem Magazin Newsweek sagte, als man ihn auf den Verdacht der Chart-Manipulation ansprach: »Das ist doch egal, finden Sie nicht? Wenn ich sie [gemeint sind die ersten Downloads - Anm. d. Red] gefälscht habe, hätte Apple es dann so lange am Leben lassen dürfen?«

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