Mittelerde: Mordors Schatten im Test - Im Schatten von Ubisoft

Es wäre unfair, Mittelerde: Mordors Schatten im Test eine billige Assassin’s Creed-Kopie zu nennen. Denn billig ist sie nun wirklich nicht.

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Die Aufgabe einer Rezension besteht mithin in der Antwort auf eine einzige Frage: Soll ich mir das Spiel kaufen? Selten allerdings war die Antwort so einfach wie im Falle von Mittelerde: Mordors Schatten. Ja, man sollte sich das Spiel kaufen - wenn man die jüngeren Teile der Assassin's Creed-Reihe, Far Cry 3 oder Watch Dogs mochte. Jene Open-World-Spiele also, die größtenteils der sorgfältig kultivierten Ubisoft-Formel folgen: eine Spielwelt in handlichen Sektionen mit neuralgischen Punkte, die diese Sektionen »aufdecken« und Nebentätigkeiten freischalten; dazu ein Held als parkourlaufender Rächer und Attentäter sowie Kämpfe, die sich im Wesentlichen darauf beschränken, zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Knopf zu drücken.

Infos zur Xbox-One-Version
Während uns zum Test zunächst nur die PS4-Version vorlag, konnten wir inzwischen auch die Xbox-One-Fassung spielen. Inhaltlich gibt es keine Unterschiede. Allerdings läuft die Xbox-One-Version in einer etwas niedrigeren Auflösung, vermutlich 900p. Und anders als die PS4-Fassung ist die Framerate auf 30 Bilder pro Sekunde festgelegt. Allerdings hatten wir im Test nie das Gefühl, dass das Spiel dadurch nicht flüssig wirkte. Bis auf den Auflösungsunterschied, gibt es also keine spürbaren Abweichungen zwischen PS4 und Xbox One.

Mordors Schatten für Xbox 360 und Playstation 3
Die 360- und PS3-Versionen, die um einige Features gekürzt sind, erscheinen erst am 20. November.

Promotion: Mittelerde: Mordors Schatten

Es ist zweifellos eine erfolgreiche Formel und man kann es Monolith (F.E.A.R.) nicht übel nehmen, wenn sich Mordors Schatten daran so ausgiebig bedient, dass man das Spiel mit einiger Berechtigung auch Assassin's Creed 5: Mittelerde hätte nennen können. Schließlich handelt es sich um bewährte Elemente, und die funktionieren nicht plötzlich schlechter, bloß weil auf der Packung ein anderer Entwickler steht. Man muss aber eben auch konstatieren, dass sich Mordors Schatten anfühlt wie schon einmal gespielt - zumal die einzige echte Eigenleistung (das sogenannte Nemesis-System) nicht recht funktioniert und die Geschichte viel zu wenig aus ihrer ergiebigen Vorlage macht.

Story als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme

Die Handlung spielt zwischen den Ereignissen des kleinen Hobbit und der Herr der Ringe-Trilogie. Im Mittelpunkt steht Talion, ein Waldläufer aus Gondor. Seine Familie wird zu Spielbeginn von den Handlangern Saurons abgeschlachtet, Talion überlebt das blutige Ritual aus zunächst ungeklärten Gründen, muss sich seinen Körper aber plötzlich mit einem uralten Geist teilen. Beide - Geist und Talion - sinnen nach Vergeltung.

Und so beginnt eine klassische Geschichte um Schuld und Sühne, die ihren Job zwar erfüllt, dabei aber selten überrascht und nie auch nur ansatzweise die Komplexität der Vorlage erreicht - oder ihre fein gezeichneten Figuren, was das betrifft. Talion bleibt bis zum antiklimatischen Finale blass und eindimensional, die wenigen Nebencharaktere könnten allesamt »Handlungsmotor« heißen, und die insgesamt 20 Storymissionen werden vom papierdünnen Plot nur notdürftig zusammengehalten.

Bisweilen scheinen selbst die Autoren nicht zu wissen, wohin die Story-Reise eigentlich gehen soll. So installieren wir in einer durchaus amüsanten Missionsreihe einen ebenso opportunistischen wie unfähigen Ork als Kriegsherr über Mordor - bloß damit ihn die Handlung wenig später als reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit Pausenclown-Funktion entlarvt, indem sie ihn ohne Aufhebens aus der Story katapultiert. Talions Reaktion? Keine.

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Atmosphärisch und inhaltlich lebt Mordors Schatten ausschließlich von der Arbeit und dem Universum Tolkiens - würde man die gleiche Geschichte mit den gleichen Figuren in einer neu ersonnenen Welt erzählen, sie wäre banal, ja belanglos. Seine besten Momente erlebt das Spiel demnach, wenn längst etablierte Figuren wie Gollum ihren Auftritt haben. In jenen Missionen, in denen das kleine Kerlchen eine tragende Rolle spielt, wird schmerzhaft deutlich, wie austauschbar die übrige Besetzung tatsächlich ist - und wie viel Potenzial ein Spiel im Tolkien-Universum besäße, wenn es von diesem Universum wirklich Gebrauch machen würde.

Wer kennt das nicht?

Mechanisch hingegen funktioniert Mordors Schatten tadellos - was nicht zuletzt dem eingangs bereits erwähnten Umstand geschuldet ist, dass Entwickler Monolith quasi überhaupt kein Risiko eingeht, sondern nahezu sämtliche Elemente aus kommerziell erfolgreichen Vorbildern übernimmt. Das Klettern beispielsweise erinnert nicht bloß an Assassin's Creed - es fühlt sich haargenau so an, bis hin zu den Animationen, den Attentaten von oben oder von unten sowie jenen hakeligen Momenten, in denen wir »nicht DA hoch« oder »nicht DA runter« rufen.

Die Kämpfe wiederum sind eine latent trägere Version der Free-Flow-Prügeleien aus der Arkham-Serie. Mit einem Knopf schlagen wir zu, mit einem anderen kontern wir und mit einem dritten weichen wir aus beziehungsweise überspringen besonders verteidigungsstarke Gegner. Nebenbei läuft ein Kombozähler mit, der besondere Manöver wie Exekutionen freischaltet.

Die Gefechte erinnern an das Free-Flow-Kampfsystem der Arkham-Serie: Mit einer Taste greifen wir an, mit der anderen kontern wir feindliche Angriffe, wenn das entsprechende Symbol erscheint. Die Gefechte erinnern an das Free-Flow-Kampfsystem der Arkham-Serie: Mit einer Taste greifen wir an, mit der anderen kontern wir feindliche Angriffe, wenn das entsprechende Symbol erscheint.

Das Schleichen hingegen kann seine Far Cry-Wurzeln nicht verbergen, Sichtkegel zeigen auf der Minimap die Blickrichtung der Wachen an, in Büschen sind wir unsichtbar, Gegner lassen sich anlocken, und wenn irgendwo ein Käfig mit einem wütenden Tier drin rumsteht, dann schießen wir das Schloss auf und lösen ein blutiges Tohuwabohu aus.

Fehlt bloß noch ein Bullet-Time-Feature, hören wir jemanden unken? Aber das fehlt gar nicht: Zücken wir den Bogen, dann läuft das Geschehen in Zeitlupe ab, und wir können nach Herzenslust Kopfschüsse verteilen - jedenfalls eine Weile, denn dieser Modus kostet Fokus, noch so ein Element, das regelmäßigen Spielern irgendwie bekannt vorkommen dürfte. Den Fokus dürfen wir übrigens ebenso wie unsere Lebensenergie oder die Maximalanzahl von Pfeilen in einem Upgrademenü erhöhen, außerdem lassen sich im weiteren Spielverlauf über 30 Fähigkeiten freischalten.

Über 30 Talente stehen zur Auswahl. Um die Fertigkeiten freizuschalten, müssen wir einerseits Story-Missionen erledigen, andererseits Erfahrungs- und Machtpunkte ergattern. Über 30 Talente stehen zur Auswahl. Um die Fertigkeiten freizuschalten, müssen wir einerseits Story-Missionen erledigen, andererseits Erfahrungs- und Machtpunkte ergattern.

Wie gesagt: Das alles funktioniert tadellos, die Formel macht zweifellos Spaß - aber es bleibt eben immer jenes dumpfe Gefühl, das alles schon gespielt zu haben, mehrfach und teils mit einer erheblich spannenderen Geschichte drumherum. Und in einer spannenderen Welt: Die beiden weitläufigen Gebiete von Mordors Schatten sehen zwar hübsch aus, stecken voller Nebentätigkeiten und lassen sich bequem per Schnellreise durchqueren, erwecken aber nur selten das Gefühl einer lebenden, atmenden Spielwelt. Womit wir beim Nemesis-System angekommen wären - und einer guten Idee, die in der Praxis leider nicht funktioniert.

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