Seite 2: Producer-Gruselgeschichten - Teil 1: An der Katastrophe vorbei geschrammt

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Ärger vorprogrammiert

Selbst der Laie kann erahnen, dass ein reibungsloser Projektablauf damit von vornherein ausgeschlossen war. Ein unerfahrenes Team ohne ein einziges abgeschlossenes Projekt zu beauftragen, ist grundsätzlich ein Wagnis. Ihnen dann obendrein einen Singleplayer-Modus vorzuschreiben, wenn das Team bislang ausschließlich Multiplayer-Mods entwickelt hat, geradezu fahrlässig.

Devastation lief auf der Unreal-Engine. Devastation lief auf der Unreal-Engine.

Der Projektumfang wuchs durch diese Entscheidung natürlich erheblich an. Das von Arush bereitgestellte Budget jedoch wurde nicht im gleichen Umfang angehoben. Daher schien "Devastation" auch so ein Schnäppchen zu sein. Selbst ein erfahrenes Team wäre unter diesen Umständen möglicherweise in Schwierigkeiten geraten.

Nun mussten sich die Entwickler obendrein aber mit Dingen beschäftigen, mit denen sie zuvor bestenfalls experimentiert hatten: KI, vorberechnete Ereignisse, Zwischensequenzen, das Erstellen einer Hintergrundgeschichte. Dinge, die im Multiplayer-Modus eines Spiels eben nicht vorkommen. Ganz abgesehen von Feinheiten, wie der Tatsache, dass die Spielumgebungen für eine Singleplayer-Kampagne natürlich ganz andren Ansprüchen genügen müssen, als Mehrspieler-Karten.

Das Ergebnis dieses Unterfangens war absehbar. Zumindest dann, wenn man davon wusste. Das Team, ohnehin schon nach einigen Monaten in Geldnot geraten, bastelte seine Mehrspielerkarten zu Einzelspieler-Arealen um, anstatt neue Level anzufertigen. Charaktere wurden recycelt, Texturen so oft verwendet, wie es nur ging. Bei dem Versuch, alle Features auch nur einigermaßen in den Zeitplan zu pressen, entstanden Hunderte von Bugs.

Kurz: Vor dem geplanten Fertigstellungstermin war "Devastation" ein Flickwerk, eine völlig unspielbare Zumutung, die man unmöglich irgendwem andrehen konnte. Arush wollte das Spiel trotzdem auf den Markt werfen.

Devastation - Screenshots ansehen

Veröffentlichung um jeden Preis

Denn dort hatte man sich auf eine feste Deadline für die Veröffentlichung des Spiels festlegen lassen. Als US-Publisher war Arush darauf angewiesen, mit den großen Handelsketten einen Veröffentlichungszeitpunkt abzustimmen. Erschien es zum falschen Zeitpunkt, konnte es sonst passieren, dass die das Spiel überhaupt nicht in die Regale stellten.

Bei Duke Nukem: Manhattan Project, der ersten Kooperation zwischen Arush und HD Interactive gab es noch keine großen Probleme. Bei Duke Nukem: Manhattan Project, der ersten Kooperation zwischen Arush und HD Interactive gab es noch keine großen Probleme.

Nicht selten musste man sogar für diesen "Shelf Space" in Form von Rabatten und Werbekostenzuschüssen bezahlen. Eine Verschiebung des anvisierten Startdatums war für Arush daher durchaus unangenehm. Man hatte außerdem beschlossen, dass "Devastation" zu diesem Zeitpunkt des Jahres am besten in das eigene Portfolio passen würde. Unter anderem Umständen wäre es also völlig nachvollziehbar gewesen, auf die Veröffentlichung zu bestehen.

Doch hier war diese Entscheidung idiotisch. "Devastation" war nicht "verbugt", es war unspielbar. Einen solch fehlerhaften Titel in den Markt zu drücken, um Handelsvereinbarungen zu erfüllen, ist schlicht absurd. Spieleentwicklung ist eine unberechenbare Angelegenheit und es ist schlicht unmöglich, sie in das Korsett solcher Planspiele zu zwängen.

Doch Arush hatte keine große Erfahrung mit eigenen Entwicklungen. Sie fungierten als reiner Geldgeber, der mit der eigentlichen Produktion nichts zu tun haben wollte. Weil ihre vorigen Produktionen von weit erfahreneren Teams umgesetzt wurden, hatten sie damit bisher Glück gehabt.

Doch als die unerfahrenen Entwickler von Digitalo in Probleme gerieten, konnte ihnen Arush keinerlei Hilfestellung geben.

Kein Licht am Ende des Tunnels

Währenddessen hatten wir bei HD Interactive keine Ahnung, dass das Projekt dabei war, an die Wand zu fahren. In den Monaten zuvor hatte man uns einige wenige Fassungen von "Devastation" geschickt, die ich wegen meines Hintergrunds als Programmierer begutachten musste.

Dabei waren mir natürlich einige Probleme aufgefallen, aber in den frühen Stadien einer Produktion ist das völlig normal. Sogar später kann es vorkommen, dass ein paar wenige Fehler das komplette Spiel kaputtmachen. Jeder, der in der Branche arbeitet, kennt das.

Doch dann kamen immer neue Versionen, ohne dass sich der Zustand des Produkts erkennbar besserte. Dinge, die in der vorherigen Fassung des Spiels noch funktionierten, waren plötzlich wieder kaputt. Die Fehlerlisten, die ich zur Unterstützung zusammenstellte, wurden immer länger. Feedback vom Entwickler oder Arush war nicht zu bekommen.

Doch auch ohne Rückmeldung war schnell klar, dass etwas im Begriff war, gewaltig schief zu laufen. Eine Veröffentlichung zu dem Termin, der uns als verbindlich mitgeteilt wurde, erschien mir unmöglich. Also riefen wir eines Tages bei Arush an und fragten nach.

Der »böse Publisher«

Dort hatte man jedoch keine große Lust über die Zustände im Projekt zu diskutieren. Ohne unser Wissen befand sich der Publisher bereits seit Wochen im Streit mit den Entwicklern. Diese hatten waren mittlerweile der Ansicht, das sie von Arush und ihrem Agenten über den Tisch gezogen worden waren.

Der Vertretungsvertrag, den sie blauäugig unterschrieben hatten, sprach ihrem Agenten 10% aller Einnahmen zu. Von vornherein. Direkt. Dazu muss man wissen, dass ein Publisher das vereinbarte Entwicklungsbudget natürlich nicht auf einen Schlag auf das Konto des Entwicklers überweist. Stattdessen erhält er zunächst nur eine Anschubfinanzierung. Alle weiteren Gelder fließen erst, wenn der jeweils vereinbarte Milestone erreicht und beim Publisher abgenommen wurde. Diese Tranchen sind jedoch nicht allzu üppig bemessen. Von jeder Überweisung gleich 10% an eine dritte Partei abzweigen zu müssen, kann daher überaus schmerzhaft sein.

Selbst ohne eine solche Vereinbarung kann dem Studio übrigens schnell das Geld ausgehen, falls der Publisher ohne Wenn und Aber auf die Einhaltung der Vertragsbedingungen besteht. Ein Umstand, der gerade früher von manchen Herstellern eiskalt ausgenutzt wurde. Diese schlossen Verträge mit den Studios ab, deren Budgets gezielt zu niedrig angesetzt wurden. Bis kurz vor Schluss gab man sich dann kulant und lies die Entwicklung weiter laufen, um ein möglichst weit fortgeschrittenes Spiel zu erhalten. Kurz vor Schluss drehte man dann den Geldhahn zu. Der Entwickler, der vertraglich in der Falle saß, musste dann schlechtere Konditionen in Kauf nehmen oder die Pleite riskieren.

Im letztgenannten Fall ging das fast fertig entwickelte Spiel natürlich in den Besitz des Geldgebers über. Besonders wenn Studios darauf bestanden, die Rechte an den von ihnen entwickelten Marken zu behalten, anstatt all ihr geistiges Eigentum an den Publisher zu übertragen, kam diese Masche gern zum Einsatz. Die Idee, vom "bösen" Publisher, der Kunstwerke aus Profitgier ruiniert, wurde aus solchen unglücklichen Konstellationen geboren.

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