Das Gesetz der Serie - Warum Fortsetzungen Pflicht sind

Spiele ohne Vorgänger werden immer seltener. Gehen Spieleentwicklern die Ideen aus? Wir gehen im Report näher auf diese Frage ein und zeigen unterschiedliche Fortsetzungs-Trends.

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»Mein Vater wird sterben. Er lebt in Los Angeles - das ist ganz schön weit weg von mir - und es geht ihm gut im Moment, aber er ist krank. Das klingt unglaublich deprimierend, aber die letzten Erinnerungen an einen Menschen sind so stark, dass es immer schwerer wird, sich an sie als gesund und glücklich zu erinnern. Ich bin nicht sicher, ob ich ihn in diesem Zustand sehen will. Letztens habe ich mir das aktuelle Mario Kart gekauft. Das hat sich überraschend ähnlich angefühlt.« Edmund McMillen, der Erfinder des Hardcore-Jump&Runs Super Meat Boy, macht sich Sorgen. Über die Gesundheit seines Vaters. Und über endlose Spielefortsetzungen, die seine Kindheitserinnerungen an glückliche Stunden vor dem Super Nintendo zerstören.

Auf eine überzeichnete und makabere Weise drückt McMillen etwas durchaus Wichtiges aus: Kaum ein modernes Spiel ist keine Fortsetzung. Etwa zwei Drittel aller PC-Titel, die 2011 von den größeren Publishern veröffentlicht wurden, waren: Fortsetzungen, Neuauflagen und Haustiermöbelstückerweiterungen für Die Sims 3. Das Jahr 2011 war das Jahr, in dem Nummern zum wichtigsten Bestandteil eines Spieletitels geworden sind. Einige der beliebtesten Spiele des letzten Jahres waren Fortsetzungen, so wie Portal 2, Battlefield 3oder Batman: Arkham City. Es sind großartige Spiele.

Nur: Während die Fortsetzungen gefeiert werden, sind es immer öfter Spiele ohne Vorgänger, die binnen kürzester Zeit in Vergessenheit geraten. Bethesdas Brink, ein Team-Shooter mit innovativen Bewegungsmöglichkeiten, wird kaum noch gespielt. Epics clevere Drauflos-Ballerei Bulletstormwar ein Kritikererfolg - nur kaufen wollte sie fast niemand. So interessant neue Spielkonzepte häufig klingen, gekauft wird das, was die Spieler schon kennen. »Es ist alles Geschäft«, winkt McMillen ab, »wenn bei Spielen das Geschäft Vorrang vor der Kunst hat, dann werden gute Ideen gemolken, bis nichts mehr da ist. Bis sie leer sind.« Gehen der Industrie also die Ideen aus?

Ideen-Ebbe?

»Es war noch nie schlimmer«, klagt Mark Harris, meint aber gar keine Spiele, sondern Filme. Auch Hollywood leidet an chronischer Sequelitis, der Fortsetzungskrankheit. Jeden Sommer verwirklicht die Filmindustrie mehr Fortsetzungen und weniger frische Ideen.

The Secret World: Die Kombination aus Mystery-Geschichten, Puzzles und Shooter- Mechaniken macht Funcoms neues Online- Rollenspiel zu einem spannenden Projekt. The Secret World: Die Kombination aus Mystery-Geschichten, Puzzles und Shooter- Mechaniken macht Funcoms neues Online- Rollenspiel zu einem spannenden Projekt.

Harris ist Filmkritiker für das US-Magazin GQ und rechnet ab: »Hollywood ist eine Institution, der mehr daran liegt, Actionfiguren zu verkaufen, als interessante Filme zu drehen«, schreibt er empört und sehnt sich eine Zeit zurück, in der Regisseure mit vielversprechenden Ideen mehr Macht hatten als Marketingabteilungen. Laut Harris ist Hollywood ausschließlich an Markennamen interessiert. An Filmen, die sich zielgruppengerecht verkaufen und fortsetzen lassen. Filme, die Produkt sind, keine Kunst.

Auch für große Spieleentwickler gehört das zunehmend zum Geschäft »Ich denke, das hängt mit der beginnenden Reife unserer Industrie zusammen«, argumentiert Aaryn Flynn, der bei Bioware als General Manager die Mass Effect-Serie verantwortet. Für Flynn ermöglichen die Blockbuster allerdings Kreativität in anderen Bereichen: »Wir sehen in jedem Fall die Notwendigkeit von vorhersehbarem Erfolg und kalkulierbaren Risiken. Mit diesen Erfolgen können wir unsere Entwickler auch bei etwas gewagteren Spielen unterstützen.« Heißt: Serien bringen dank ihrer Fanbasis sichere Einnahmen, die man dann in neue Ideen investieren kann. Oder zumindest könnte.

»Was der Spieler nicht kennt, spielt er nicht«

Ein Blick auf die großen Namen des Spielejahres 2012 zeigt folgerichtig viele dieser »kalkulierbaren Risiken«: Diablo 3, Mass Effect 3, Dota 2, Max Payne 3, Far Cry 3, Grand Theft Auto 5- das sind nur einige der wichtigsten Fortsetzungen. Wo bleiben die gewagten Projekte?

Dishonored: Ein spannender, an den Schleich- Klassiker Dark Project erinnernder Shooter im Steampunk-Stil von Harvey Smith, dem Lead Designer des ersten Deus Ex. Dishonored: Ein spannender, an den Schleich- Klassiker Dark Project erinnernder Shooter im Steampunk-Stil von Harvey Smith, dem Lead Designer des ersten Deus Ex.

Spiele, die keine Fortsetzungen, keine Remakes und keine Lizenztitel sind, lassen sich im Portfolio der großen Publisher an einer Hand abzählen: Arkanes spannender Steampunk-Shooter Dishonored, ein paar Multiplayer-Neuzugänge wie Firefallund The Secret World, seltene Ausnahmen wie das witzige Quantum Conundrum, ein Puzzlespiel im Portal-Stil über das Reisen zwischen Dimensionen.

Die Konzentration auf Fortsetzungen ist durchaus verständlich in einem Klima, in dem der Publisher THQ Verluste von über 55 Millionen Dollar schreiben musste, nachdem er versucht hatte, mit neuen Marken wie dem mittelmäßigen Shooter Homefrontzu punkten. Doch was hat zu diesem Klima geführt? Weshalb ist die Entwicklung von originellen Ideen und Titeln so riskant geworden? Wieder lohnt sich der Blick auf Hollywood, um Antworten zu bekommen.

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