Seite 3: Producer-Gruselgeschichten - Teil 2: Zwischen selbstsicher und selbstherrlich

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Große Verantwortung

Wie ich schon im vorigen Beitrag sagte: Als Produzent ist man zuweilen in einer schwierigen Position. Man muss dem Team alle Hilfe zur Verfügung stellen, die für einen reibungslosen Ablauf der Entwicklung nötig sind. Man muss aber genauso dafür sorgen, dass die Entwickler die vereinbarte Arbeit in der vereinbarten Qualität abliefern.

Auf den Schultern des Produzenten ruht deswegen eine gehörige Verantwortung. Selbst bei einer vergleichsweise kleinen Firma wie HD Interactive war ich für Investitionen in Höhe von bis zu 1,7 Millionen US-Dollar verantwortlich - und damit für die Zukunft der gesamten Firma. Eine Firma, die mein Freund und Chef Mike über Jahre hinweg aufgebaut hatte.

In dieser Schlüsselposition muss man großes Zutrauen zu den eigenen Entscheidungen und der eigenen Intuition entwickeln. Wenn man vom Entwickler Kürzungen oder Änderungen am Spiel verlangt, wenn man dem Publisher erklärt, dass er mehr Geld investieren muss, dann sollte man besser keinen Satz mit "aber ganz sicher bin ich mir nicht" beenden. Unweigerlich muss man dabei auch irgendwann eine Entscheidung gegen den Willen des jeweiligen Fachmanns durchsetzen.

Beispielsweise bin ich kein Autor. Wenn ich aber die Hintergrundgeschichte zu einem Spiel lese und das Gefühl habe, sie genügt nicht unseren Ansprüchen - sei es im Hinblick auf Qualität oder nur, weil ich sie für die angedachte Zielgruppe für unpassend halte - muss ich handeln. Im Zweifel auch gegen den Willen des eigentlichen Autors. Natürlich geschieht dies nicht ohne Rücksprache mit dem Team. Oft lässt sich auch die Hilfe externer Berater einkaufen, um die Entscheidung abzusichern. Doch am Ende ist es der Producer, der seiner Verantwortung gerecht werden muss.

Solange er mit seinen Einschätzungen und seiner Intuition richtig liegt, ist das auch alles okay. Irrt er sich jedoch, entstehen die Schlagzeilen vom arroganten Producer, der die wundervolle Idee des Entwicklerteams zerstört hat. Damit will ich nicht über die Undankbarkeit meines Jobs jammern. Tatsächlich habe ich in meiner Karriere immer jede Menge Anerkennung von meinem Team und meinem Auftraggeber erhalten. Ich möchte die Gelegenheit aber nutzen, ein besseres Verständnis dafür zu schaffen, dass so mancher als inkompetent gescholtener Kollege vielleicht wirklich nur versucht hat, aus einer verfahrenen Situation des Beste zu machen, nur um am Pranger zu enden.

Kompetenzgerangel

Das vorausgeschickt muss ich aber auch zugeben: Natürlich kann der Produzent auch viel kaputtmachen. In der Arbeit mit weniger erfahrenen Studios kann es beispielsweise vorkommen, dass der Produzent ein erheblich erfahrenerer Designer ist, als der Leiter des Entwicklungsteams. In solch einer Konstellation passiert es leicht, dass der Produzent sehr stark in die Entwicklung eingreift.

Nexus hat bis heute eine kleine, treue Fangemeinde um sich versammelt. Auf Steam verkauft es sich immer noch zum Preis von 9,99€ Nexus hat bis heute eine kleine, treue Fangemeinde um sich versammelt. Auf Steam verkauft es sich immer noch zum Preis von 9,99€

Einerseits ist dies nachvollziehbar, da er vielleicht tatsächlich in der Mehrzahl die besseren Entscheidungen trifft. Doch umgekehrt demotiviert er durch solche Eingriffe das Team, das sich schnell bevormundet vorkommt und seiner eigenen Vision beraubt wird. Im absolut schlimmsten Fall bekommt der Entwickler vielleicht sogar einen Produzenten zugeteilt, der nur glaubt, der bessere Designer zu sein. Ein Albtraum für das Team, denn nun muss es mit einer Schlüsselfigur leben, die es zu dummen Änderungen zwingt, selbst aber davon überzeugt ist, das Richtige zu tun.

Um bloß nie in diese Situation zu gelangen, habe ich meine eigenen Vorstellungen und Einschätzungen immer wieder zuerst mit Mike und dann mit den leitenden Figuren im Team diskutiert, bevor ich eine endgültige Entscheidung traf. Man könnte sagen, mein großer Vorteil war es, dass ich immer genug wusste, um mir keinen Bären aufbinden zu lassen. Aber andererseits nie genug, um anderen Leuten selbstherrlich ins Handwerk zu pfuschen.

Durch meine Arbeit mit den Entwicklern von "Devastation" hatte ich außerdem erlebt, was für einen Unterschied es macht, wenn ein Team sich wirklich engagiert und vertrauensvoll mit dem Publisher zusammenarbeiten kann. In einer kreativen Branche, die oft sehr lange Arbeitstage einfordert, bleibt die Teammotivation ein viel zu oft unterschätzter Faktor. Daher stand am Ende unserer Diskussionen damals auch die klare Entscheidung, das ursprüngliche Konzept des Spiels zu verfolgen.

Diesen Entwurf hatte Mithis in monatelanger Arbeit bis ins Detail ausgearbeitet. Das gesamte Team war völlig Feuer und Flamme für diesen Ansatz. Hier hatten wir volles Vertrauen, dass sich alle Beteiligten zu 100 Prozent in der Umsetzung engagieren würden. Aber auch wirtschaftlich erschien uns die ursprüngliche Idee von Mithis vielversprechender. Für einen kleinen Publisher kann es zuweilen interessanter sein, eine Nische zu besetzen, als sich mit anderen, großen Produktionen anzulegen.

Ein neuer Name

Nur eines fehlte uns noch: ein neuer Titel. Wir unterzeichneten also alle Verträge, entwickelten unsere neue Planung, und an meinem ersten Tag als Producer veranstaltete ich direkt ein kleines Preisausschreiben. Wer immer den besten Titelvorschlag unterbreitete, wurde von mir zum Abendessen eingeladen. Am Ende kombinierten wir zwei der eingereichten Vorschläge und gingen mit dem ganzen Team essen. Unser Spiel hieß nun: Nexus: The Jupiter Incident.

Von hier ab lief praktisch alles wie am Schnürchen. Ein Projekt, das vor unserer Übernahme fast ein Jahr lang in Problemen erstickte, wurde nun innerhalb von gut acht Monaten fertig, ohne dass wir auf größere Schlaglöcher trafen. Rückblickend auch, weil wir viel Glück hatten. Zum Beispiel ließ sich unser leitender Programmierer Zoltán Motyán nicht vom Bus überfahren.

Nexus - Screenshots ansehen

Das war sehr löblich von ihm, da er außerdem die Zwischensequenzen designte und maßgeblich den visuellen Stil mitgestaltet hatte. Rückblickend schaudert es mich bei dem Gedanken, wie viele Funktionen diese eine Person in sich vereint hatte. Sein Ausfall hätte die ganze Produktion zum Erliegen bringen können. Zugleich ist er nur ein Beispiel von vielen, wie engagiert Mithis an dem Projekt arbeitete. 20-Stunden-Tage waren für "Motyo" keine Seltenheit.

Das letzte Wort war noch nicht gesprochen

Ebenfalls sehr erfreulich war, dass sich ein großer Teil des für "Imperium Galactica 3" entwickelten Materials weiterverwenden ließ. Für ein Budget von um die 600.000 Euro bekamen wir daher ein erheblich besseres Spiel, als je für solch einen Betrag möglich gewesen wäre. Das gesparte Geld investierten wir im Gegenzug in die Synchronisation des Titels.

Vincent van Diemen präsentiert sein Spiel "Nexus" zum ersten Mal in großem Stil der Presse auf der E3 2004. Vincent van Diemen präsentiert sein Spiel "Nexus" zum ersten Mal in großem Stil der Presse auf der E3 2004.

Gerade in einem Spiel wie Nexus, in dem man meist nur Raumschiffe sieht, ein extrem wichtiger Aspekt. Bis heute denke ich, dass im Hinblick auf die Synchronisation gern am falschen Ende gespart wird. Im Falle von "Nexus" jedoch flog ich sogar selbst nach London und ließ die Akteure persönlich vorsprechen. Insgesamt gaben wir rund 15 bis 20 Prozent des Budgets für das Voice-Acting aus, und ich bin überzeugt davon, dass dies enorm zur Qualität des fertigen Spiels beigetragen hat.

Nicht zuletzt hatten wir Glück, dass sich all diese Mühen am Ende auch auszahlten. Obwohl "Nexus" auf Screenshots dem vorher erschienenen "Homeworld" sehr ähnlich sah, nahmen sich fast alle Redakteure die Zeit herauszufinden, dass "Nexus" eine völlig andere Art Spiel war. Der Titel erhielt eine ganze Reihe von tollen Kritiken und verkaufte sich zum Vollpreis um die 150.000 Mal. Bis heute dürfte das Spiel in die Hände von über 250.000 Spielern gelangt sein. Seitdem es auf Steam erhältlich ist, bekommen wir jeden Monat immer noch einige Verkäufe gutgeschrieben. Selbst die Technik hat sich, dank des guten Grafikdesigns, ganz gut gehalten. Für ein Spiel aus dieser Ära mit seinem Budget, versteht sich.

Weil es der erste Titel war, den ich voll betreuen konnte, wegen der tollen Chemie im Team und der Leidenschaft, mit der es entwickelt wurde, ist Nexus bis heute mein Lieblingstitel geblieben. Es war von Anfang an "unser Baby", und ich erinnere mich immer noch an den Moment, in dem ich zum ersten Mal das gedruckte Handbuch in der Hand halten konnte. Und natürlich habe ich erst mal zu den Credits vorgeblättert, um dort meinen Namen als Produzent zu lesen.

Nexus 2 - Kein Erfolg auf Kickstarter
Die Kickstarter-Kampagne des Weltraum-Strategietitels ist zu Ende gegangen - und dabei deutlich hinter dem angepeilten Mindestbetrag zurückgeblieben. Mit nur etwas über 160.000 Dollar von erforderlichen 650.000 ging die Crowdfunding-Aktion mehr als unerfreulich für die Entwickler aus.

3 von 3


zu den Kommentaren (2)

Kommentare(1)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.