Hüftsteifer Aikidomeister
Weniger nahe an den Kinokämpfen sind hingegen Seagals Kampfkünste: Lediglich zwei unspektakuläre Schlagvarianten, ein Kick sowie ein Aikidowurf müssen genügen, um die Gegner zu Boden zu strecken. Zur Not zieht Greg/Steven auch eine Pistole aus der Jacke oder wirft ein Messer - natürlich quälend langsam und nur nach links oder rechts, aber hübsch lebensecht.
Das hat nicht viel mit den Kampfkünsten des echten Steven Seagal zu tun, sondern erinnert eher an die Anfänge der Beat 'em Ups - wobei selbst der 8-Bit-Opa Kung Fu Master eleganter und dynamischer ist als das, was das Entwicklerteam RSP (das sind heute übrigens die Postal-Macher Running with Scissors) hier zusammengeschustert hat.
Ganz peinlich wird es, wenn Steven springen soll: Im wahren Leben schon nicht unbedingt der athletischste Actiondarsteller kennt die Spielfigur sogar nur zwei Sprungweiten, die von extrem kurz - und ich meine wirklich extrem kurz im Sinne von »Sprung über eine Streichholzschachtel« - bis lang, aber wegen des nötigen Anlaufs nicht sehr praktisch, reichen.
Stevens Sprungverhalten ist zudem nicht beeinflussbar, er hüpft immer eine gerade, genau abgemessene Länge. Beinahe unmöglich, zielgenau auf beweglichen Plattformen zu landen, wie es sie damals natürlich in jedem Actionspiel geben musste.
Interessant: Eigentlich wollten die Entwickler dem Spieler die Wahl lassen, ob er offensiv agiert oder sich lieber in den Schatten hält und Gegner ablenkt, um an ihnen vorbeizuhuschen. Die Stealth-Elemente flogen aber über Bord. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, wie so etwas in dieses Spiel gepasst hätte.
Die Weichei-Lüge
Sobald Agent Seagal im Spiel auch nur einen Pixel eines Stroms aus geschmolzenem Metall berührt oder nicht exakt auf der gegenüberliegenden Plattform landet, bedeutet das den sofortigen Bildschirmtod.
Man muss sich das mal vorstellen: Der Mann, der sich auf der Kinoleinwand stets unbesiegbar in Szene gesetzt sehen will, der korrupte Senatoren »zur Blutbank« bringt, reihenweise Kneipenschläger mit einem Handtuch und einer Billardkugel ausschaltet, für Problemlösungen nur eine Flinte und einen zivilen Wagen braucht und in seinem Spiel die Gegner gleich reihenweise umhaut, verdampft wie ein Vampir bei Tageslichtkontakt, sobald der Nagel seines kleinen Zehs in die unmittelbare Nähe von geschmolzenem Metall kommt. Das geht nun wirklich nicht.
Hier fühle ich mich als Seagal-Fan ein wenig verarscht, denn ein Mann wie Steven, der seinen eigenen Energydrink »Lightning Bolt« nennt, der einen Kanister Benzin säuft, um in ein Feuer zu pinkeln, verdampft nicht einfach so! Der Bud Spencer des Aikido ist keine Weichei-Pussy.
Deshalb ist es wohl besser, dass das Spiel nie über den Prototypenstatus hinausgekommen ist. TecMagik unternahm kurz darauf einen weiteren Versuch, denn schließlich wollte man irgendwie die bereits gezahlten Tantiemen und Entwicklungskosten wieder reinholen.
Allerdings kam auch das angedachte Seagal-Spiel Deadly Honor für PlayStation und N64 nie über eine Ankündigung hinaus. Vielleicht soll es einfach nicht sein. Insgeheim hoffe ich ja immer noch auf einen Gastauftritt bei Mortal Kombat (Ein Seagal-Finisher könnte episch sein!) oder dem nächsten UFC-Spiel - Sensei Seagal ist schließlich großer Fan der Mixed-Martial-Arts-Kämpfe und versuchte sich schon als Trainer für einige Athleten wie Anderson Silva.
Aber vermutlich gewinnt der ehrenamtliche Deputy Sheriff eher einen Oscar für seine nächste billig heruntergekurbelte Videopremiere, als dass es zu einem weiteren Videospielauftritt kommt.
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