Seite 2: Steven Seagal is The Final Option - Auf der Jagd nach dem verlorenen Seagal

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Der Seagal, der keiner ist

TecMagik verkündete offiziell, dass man eng mit Seagal zusammenarbeite und er für Motion-Capture-Aufnahmen zur Verfügung stünde. Allerdings kassierte der Mann mit dem Pferdeschwanz lediglich den Scheck für seinen guten Namen und wollte fortan nichts mehr mit dem Projekt zu tun haben.

Also engagierte man Greg Goldsholl, einen Lehrer für Frauenselbstverteidigung (offizielle Version für die PR: Steven Seagals Stunt-Double), der mit Lederjacke, Jeans und Haartracht dem Meister zumindest entfernt ähnlich sah, und ließ ihn vor laufender Kamera auf virtuelle Gegner eindreschen und schießen, um das Material dann zu digitalisieren.

Dieses Vorgehen sollte sich als Blick in die Zukunft erweisen: Bei heutigen Seagal-Filmen ist es gang und gäbe, dass der beleibte Hauptdarsteller keinen Bock mehr hat und sich von deutlich schlankeren Kollegen doubeln lässt. Sogar die Nachvertonung seiner Werke spart sich der Lord immer wieder, um dann im Film plötzlich mit anderer Stimme zu sprechen.

Verpixelte Actionhelden
Steven Seagal schaffte es in der 16-Bit-Ära nicht, das Licht der Spielewelt zu erblicken. Zahlreiche seiner Kinokollegen hatten mehr »Glück« und kamen zu der zweifelhaften Ehre, Hauptdarsteller in 16-Bit-Spieleumsetzungen ihrer Kinohits zu werden. Dass davon nur die wenigsten etwas taugen, ist typisch für die 16-Bit-Zeit, als Blockbuster-Filme nach dem immer gleichen Strickmuster zu billigen Prügeleien und Hüpfereien verwurstet wurden. Nachfolgend einige Beispiele.

Verpixelte Actionhelden: Sylvester Stallone Sylvester Stallone prügelte sich durch Adaptionen seiner Filme Cliffhanger und Judge Dredd.

Arnold Schwarzenegger Arnold Schwarzenegger machte den Pixelhelden in Last Action Hero und Terminator 2.

Jean-Claude van Damme Jean-Claude Van Damme durfte sich in digitalisierter Form durch Time Cop kloppen.

Mel Gibson Mel Gibson hüpfte als kaum wiederzuerkennender Kopffüßler durch Lethal Weapon.

Kurt Russell Kurt Russell ballerte sich in der Adaption von Roland Emmerichs Stargate durch die Pixelwüste.

Bruce Lee Sogar Hongkong-Star Bruce Lee bekam mit der Filmumsetzung Dragon: The Bruce Lee Story sein eigenes Spiel.

Die Macher von Steven Seagal is The Final Option hätten aber wahrscheinlich im Traum nicht daran gedacht, dass sie mit ihrem schlanken Body-Double grundlegend falsch lagen. Das Spiel ist (aus Sicht der 90er-Jahre) in der nahen Zukunft angesiedelt. Und da müsste der gute Steven eigentlich dreimal so massig sein wie Double Greg Goldsholl. Mr. Seagal hat sich seit seinem Abstieg in den Videopremierensumpf nämlich ganz schön gehen lassen.

Die niedrige Auflösung von SNES und Mega Drive half damals natürlich bestens dabei, zu vertuschen, dass man streng genommen eigentlich gar nicht »Steven Seagal is The Final Option«, sondern »Greg Goldsholl is The Final Option« im Modulschacht hatte, aufmerksame Beobachter sollten aber an der »Körpersprache« des Pixelhaufens problemlos erkennen, dass es sich nicht um den Meister selbst handelte.

Diese Beobachtungen machte allerdings keiner, denn offiziell erschienen ist das Spiel nie. Dabei hatte ich mich damals in Unkenntnis der Hintergründe so darauf gefreut und jeden Newsschnipsel in Spielezeitschriften förmlich aufgesogen! Zum Glück kursiert nun ein per Emulator spielbarer Prototyp im Netz, der mir jetzt, knapp 20 Jahre nach der ursprünglichen Releaseplanung, die Möglichkeit gibt, mich an dem Werk zu erfreuen. Doch schon nach wenigen Spielsekunden steht fest, dass das mit der Freude wohl nichts wird.

Die Tücken der Digitalisierung

Wenn ich den Prototypen als Maßstab dafür heranziehe, womit mir TecMagik die Kröten aus der Tasche ziehen wollte, dann bin ich echt froh, niemals wirklich in Versuchung geraten zu sein. Steven Seagal is The Final Option ist in seiner Protoform ein äußerst primitiver Prügler mit bescheidener Grafik und unfassbar hakeligen Animationen.

Wenn Füße und Fäuste versagen, packt Steven Seagal seine Pistole aus. Wenn Füße und Fäuste versagen, packt Steven Seagal seine Pistole aus.

Goldsholl, Verzeihung, ich meine natürlich Seagal, läuft wie ein ungelenker Panzer durch die unterirdischen Labors und Fertigungsanlagen. Dazu ertönt belangloser, typischer SNES-Rock. In einer perfekten Welt hätte der begnadete Musiker Seagal den Soundtrack mit seiner real existierenden Blues Band selbst eingespielt.

Controllereingaben befolgt der Aikidohüne zwar brav, doch die viel zu langen Animationsphasen machen es gerade dann, wenn zwei oder mehr Gegner ihn von zwei Seiten in die Mangel nehmen, unmöglich, einigermaßen schnell zu reagieren.

Der Fluch der frühen Digitalisierungsversuche: Man wollte das gefilmte Material der Darsteller schließlich lebensecht im Spiel unterbringen - und das bedeutet möglichst viele Animationsphasen, was zusammen mit den für die Kamera verlangsamten Bewegungen des gefilmten Kampfsportlers zu endlos langsam scheinenden Aktionen der Spielfigur führt.

Die aus Wissenschaftlern in Laborkitteln, Wachmännern und seltsamen Spezialkräften mit Motorradhelmen bestehenden Gegner laufen größtenteils stupide auf Steven zu - manchmal sogar brav hintereinander. Zwar unbeabsichtigt, aber dennoch nah dran an den Filmkämpfen, in denen sich die Widersacher ebenfalls grundsätzlich nacheinander ihr Backenfutter abholen.

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