Seite 3: Videospiele als Brettspiel-Vorlage - Bretter, die den Spaß bedeuten

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Riesen und kooperative Kleinode

Gewaltige Spiele wie Twilight Imperium, das in stundenlangen Partien ganze galaktische Zivilisationen verglühen lässt oder Kevin Wilsons Sid Meier’s Civilization: The Board Game hingegen gehen in eine komplett andere Richtung. Weg vom cleveren Minimalismus europäischer Spiele hin zu einem fast wahnwitzigen Maximalismus. Spiele, die epischer sind als jedes Videospiel, die stundenlange Vorbereitung brauchen und im besten Fall über die Dauer eines vollen Tages gespielt werden, voller Intrigen, Bündnisse, Lügen und denkwürdigen Geschichten.

In Zombies!!! Müssen die Spieler Horden von Plastik-Untoten entkommen. Ein durchaus erfolgreiches Konzept, acht (!) auch alleine spielbare Addons sprechen für sich. In Zombies!!! Müssen die Spieler Horden von Plastik-Untoten entkommen. Ein durchaus erfolgreiches Konzept, acht (!) auch alleine spielbare Addons sprechen für sich.

Es geht aber auch nicht immer gegeneinander. Ähnlich wie kooperative Videospielen sind kooperative Brettspiele äußerst beliebt. In Vlada Chvatils Space Alert sind die Spieler eine Bande zum Untergang verdammter Weltraumtrottel, die ihren Schrotthaufen von Raumschiff durch eine Reihe von Gefahren steuern müssen, die von einer Computerstimme angesagt werden. In Antoine Bauzas Ghost Stories werden vier Spieler zu einer eingeschworenen Gruppe Kung-Fu-Mönche, die mit ihren unterschiedlichen Kräften gemeinsam ein kleines Dorf gegen den Ansturm einer Geisterarmee verteidigen. An Eleganz und schnell verständlichen Regeln kann es Ghost Stories mit jedem europäischen Aufbauspiel aufnehmen. Es ist ein Spiel, das Teamwork mehr belohnt als brachiale Gewalt.

Krieg der Verlage

Brettspiele werden immer spannender und jede neue Idee scheint irgendwo anders auf der Welt einen Autor zu inspirieren, den Gedanken zu verfeinern, zu schleifen, in neue Spiele zu gießen, die immer schneller erscheinen können. »Es wird viel einfacher, ein eigenes Spiel rauszubringen. Übers Internet und die Medien und Crowdfunding«, sagt Bernd Eisenstein, der bereits selbst Spiele ohne Verlag im Rücken veröffentlicht hat. Konkurrenzgedanken gibt es dabei überraschend wenige. »Die Autorenszene ist halt so«, sagt Eisenstein. »Das sieht man gar nicht als Konkurrenz. Man freut sich eher wenn man mehr Feedback für die eigenen Sachen kriegt.«

Alleine die Monsterfiguren und Spielkarten des World of Warcraft-Brettspiels bedecken einen ganzen Tisch. Alleine die Monsterfiguren und Spielkarten des World of Warcraft-Brettspiels bedecken einen ganzen Tisch.

Für Verlage sieht das allerdings ganz anders aus. Es gibt schlicht zu viele gute Spiele und nicht genügend neue Spieler. »Die Lage im Brettspielmarkt ist angespannt. Jahr um Jahr werden mehr Neuheiten in den Markt gepumpt, über 700 dieses Jahr. Wer soll das alles kaufen? Wer soll das spielen?«, fragt sich Guido Heinecke. »Solch eine Vielfalt führt natürlich zu Konkurrenzdruck im Kampf um jeden Zentimeter im Regal bei den großen Kaufhäusern. Dem begegnen die Verlage mit Preissenkungen und noch mehr Neuheiten. Die Spirale dreht sich abwärts.« Ein Luxusproblem, sicherlich, aber eins das den Brettspielmarkt schwer beschäftigt.

Brettspiel =Videospiel?

Während an der Spielwiese die Leute vorbeiziehen, beschäftigt der Preisverfall die Autoren sehr wenig. Bereits jetzt wird voller Faszination über eine ganze Reihe neuer Brettspiele asiatischer Autoren diskutiert, die mit ihren kreativen, überraschenden Spielen die langsam verglühende Fackel japanischen Videospieldesigns aufgegriffen haben. Spiele wie Seiji Kanais Love Letter, das mit nur 16 Karten eine Welt aus Hofintrigen aufspannt. »Frisch und unverbraucht«, nennt Spieleautor Hartmut Kommerell. Erst vor kurzem stellten asiatische Spieleautoren stark experimentelle Prototypen auf der SPIEL in Essen vor. Schon jetzt scheinen sie die nächsten Impulsgeber für das Brettspiele sein. Aber auch Videospielemacher und -Spieler sollten aufhorchen. Laut Kritikern wie Smith und Heinecke gibt es immer mehr Berührungspunkte zwischen analogen und digitalen Spielen.

Die Vorlage für Journey war zwar kein Brettspiel, aber auch Teil des Mediums Spiel, ein Spielplatz nämlich. Die Vorlage für Journey war zwar kein Brettspiel, aber auch Teil des Mediums Spiel, ein Spielplatz nämlich.

»Wir müssen uns befreien von dieser Vorstellung, dass Videospiele und Brettspiele unterschiedliche Dinge sind«, predigt Quintin Smith. »Um Journey zu machen, hat Chris Bell Spielplätze erforscht, das neue XCOM: Enemy Unknown basiert auf einem Brettspiel.« Letzteres stimmt tatsächlich: Um das Regelwerk und die Mechanik des rundenbasierten Strategiespiels richtig hinzubekommen, bastelte Firaxis einen internen Brettspiel-Prototypen. Denn damit ließ sich das Regelwerk anschaulicher testen als mit einem unfertigen Stück Programmcode. Guido Heinecke stimmt Smiths Einschätzung zu: »Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass Brett- und Videospiele enger zusammenrücken.« Die Anfänge dieser Nähe zeigen sich unter anderem auch in den vielen Lizenzspielen, von Doom bis Gears of War, die die Themen ihrer Videospielvorlagen gekonnt aufs Brett bringen.

Womit wir wieder dort sind, wo der aktuelle Höhepunkt guten Brettspieldesigns seinen Anfang nahm: Bei der Vermischung verschiedener Designkulturen, analoger und digitaler Spiele, europäischer Aufbaustrategie, amerikanischem Geschichtenerzählen und asiatischer Innovation. Wenn dieses Jahr also wieder Weihnachten anrollt und es heißt, irgendeine große, bunte Kiste unter einem Baum zu verstecken: Es muss keine Wii U, sondern darf auch mal ein Brettspiel sein. Nicht den Verlagen zuliebe, die gar nicht wissen wohin mit so viel kreativem Potenzial. Nicht den Autoren zuliebe, die kaum von ihrem Schaffen leben können. Nein, einfach nur gutem Spieledesign zuliebe. Wer jetzt Brettspiele verpasst, verpasst fantastische Erfahrungen voller Freundschaft, Verrat und glücklichen Heldentaten, die sonst in keinem Videospiel auch nur ansatzweise möglich sind. Wer jetzt Brettspiele verpasst, der verpasst die Zukunft der Spiele.

Weihnachtsempfehlungen

So viele Brettspiele, aber immer noch keine Ahnung? Wir haben fünf Empfehlungen, bei denen für jeden etwas dabei ist.

City of Horror Schlicht DAS Spiel für Liebhaber von Zombies. In einer von Zombies überrannten Stadt müssen die Spieler hier um jede Ressource verhandeln, taktieren und intrigieren. Ein Spiel, das die besten Freunde ein paar Stunden lang zu paranoiden Überlebenden der Post-Apokalypse macht.

Angriff der Aliens aus dem All Wenn City of Horror das perfekte Spiel für redselige Zombiefans ist, dann ist der Angriff der Aliens aus dem All das beste Spiel über Schrecken im Weltraum. Als gestrandete Wissenschaftler versuchen die Spieler in einer Mischung aus Scotland-Yard-artigem Bluffen und Schiffe-Versenken-mäßigem Raten von einer im Weltraum treibenden Raumstation zu fliehen. Achtung: Einige Spieler sind keine Menschen, sondern tödliche Mutanten-Aliens. So klischeehaft sich dieses Spiel anhört, gehört es doch zu den intensivsten Spielerfahrungen, die man mit Freunden haben kann. Vorausgesetzt, man wird nicht schon in den ersten Spielminuten von einem Mutanten-Alien verspeist.

Love Letter Für die etwas eigensinnigen ist das neue Spiel des japanischen Designers Seiji Kanais genau das Richtige. Ihr versucht, einen Liebesbrief an die Prinzessin durchzubringen, indem ihr eure Konkurrenz gnadenlos aus dem Weg räumt. Das passiert ganz leicht, indem jede Runde eine Karte mit allerlei adligem Hofvolk gezogen und wieder ausgespielt wird. Die Mischung aus clever designten Spezialfähigkeiten, den einfachen Grundlagen und dem Zwang, mit Diplomatie zu gewinnen, resuliert in schnellen Runden voller Überraschungen.

7 Wonders Das Spiel für Rotweinliebhaber. Als Gottkaiser über Städte wie Alexandria oder Babylon entscheidet ihr über die Zukunft eurer Kultur. Ihr stärkt eure Wirtschaft, baut Kasernen, Universitäten und Wunder. Das famose an 7 Wonders ist dabei die Leichtigkeit, mit der das von der Hand geht. Das gesamte Spiel besteht daraus, eine Karte von der Hand zu spielen und den Rest an den Nebenspieler abzugeben. Das lässt sich schnell erlenen, bietet aber immensen Wiederspielwert.

Twilight Imperium Das Monster-Spiel. In einer stundenlangen Partie versucht jeder Spieler, sein ganz eigenes galaktisches Imperium zum Sieg durch das Erfüllen geheimer Ziele zu führen. Twilight Imperium ist garantiert nichts für Brettspiel-Einsteiger, denen schon ein kleiner Zettel mit Regeln zu viel ist, aber beinharte Fans werden hier glücklich.

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