Making Games Report - 2015: Eine Prognose

Mit der aktuellen Making Games Ausgabe feiern wir auch unser fünfjähriges Jubiläum. Wir wollen Ihnen jedoch an dieser Stelle staubige Rückblicke ersparen und werfen lieber einen Blick nach vorn – mit unserem Titelthema »Visionen für 2015«. Den Anfang macht diese Woche Christian Schmidt mit seinem Essay zu den Zukunftsaussichten der Branche.

Christian Schmidt, Stellvertretender Chefredakteur von GameStar: »Fünf Jahre sind für Analysten eine schreckliche Zeit. Einerseits wären sie doch ein so logisches Intervall für eine Vorhersage der Zukunft, vor allem bei Journalisten sehr beliebt, die dem Thema mitunter ganze Titelgeschichten widmen. Andererseits ist das, was man über die nächsten fünf Jahre sagt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch.

Im Jahr 2010 dürfte Sonys Playstation 3 rund 50% Marktanteil besitzen, die Xbox 360 etwa 35%, Nintendo läge bei maximal 15%, so prognostizierte der Analyst Michael Pachter im Jahr 2005. Seine Branchenkollegen von Piper Jaffray stimmten zu: 15% für Nintendo. »Beinah jeder zweite US-Haushalt besitzt bereits eine Konsole«, urteilten die Experten, »wir bezweifeln, dass sich dieses Verhältnis sonderlich erhöht.«

Vielleicht hätten sie den Namen von Nintendos Konsole ernster nehmen sollen, die damals noch unter dem Arbeitstitel »Revolution« firmierte. Tatsächlich entwickelte sich das Kräfteverhältnis genau umgekehrt: 2009 beherrschte Nintendos Wii laut der NPD Group beinah die Hälfte des Markts, Sonys Playstation 3 kam mit Ach und Krach auf 18%. Mit weltweit 71 Millionen Stück verkaufte die Wii bis März 2010 in etwa so viel wie PS3 und Xbox 360 zusammen. Und die US-Haushalte und ihre Konsolen? Liegen laut dem Marktforschungs-Institut Nielsen Ende 2009 tatsächlich bei 54% Abdeckung, allerdings hatte Piper Jaffray den Ausgangswert ziemlich grob geschätzt. 2005 besaßen nur 39% aller US-Haushalte eine Konsole, in den folgenden fünf Jahren kamen 15% dazu.

Das iPhone hat das Handy als Spieleplattform nach vorn gebracht, vor allem durch den App Store. Das iPhone hat das Handy als Spieleplattform nach vorn gebracht, vor allem durch den App Store.

Sogar Analysten sind nur Menschen, und Menschen haben generell keine sonderliche Meisterschaft darin, die Zukunft vorherzusagen. Fast alle Prognosen rechnen den Status Quo in die Ferne hoch, sie überschätzen die Wirkungsdauer von Trends und unterschätzen die Wahrscheinlichkeit umwälzender Ereignisse. Natürlich hat kein Analyst die Bankenkrise vorhergesehen, die den weltweiten Umsatz mit Software im Jahr 2009 um 8% drückte. Es erahnte aber auch kaum einer die Bedeutung von Nintendos Wii, die 2006 erschien. Oder von Facebook. Oder des iPhones. Oder den Boom der Fitness-Spiele. Oder DLCs. Kaum eine Vorhersage hält fünf Jahre lang stand, ja oft keine zwei Jahre. Nicht einmal die geschätzten Schwesterfirmen des Making-Games-Verlagshauses genießen Immunität: Unser Marktforschungs-Ableger IDC prognostizierte 2008 bis 2010 eine Verdreifachung der PS3-Verkäufe auf 60 Millionen Stück. Das war mutig. Und ganz furchtbar falsch.

Drei Lektionen

Sich die Zukunft in fünf Jahren auszumalen hat nur begrenzten Wert. Werden wir mit unserem Digi-Hund auf dem Bildschirm Wuff-Gespräche führen? Schon möglich. Werden Flugautos über Hamburg kreisen? Eher unwahrscheinlich. Aus der Entwicklung der Vergangenheit lassen sich nur abstrakte, allgemeingültige Lektionen ableiten:

  • Trends sind weit weniger stabil, als sie erscheinen. Nintendos schleichender Bedeutungsverlust seit Anfang des Jahrhunderts war mit DS und Wii schlagartig vorüber. Das eherne Gesetz vom Schrumpfkurs des PCs ist Schnee von gestern in Zeiten, in denen Casual und Social Games, MMOs, Flash- und Browserspiele gemeinsam mit einer Demographieverschiebung his zu einem älteren Publikum die Kraftverhältnisse durcheinanderwirbeln. Die perfekte Spielmaschine Konsole wirkt auf einmal rührend antiquiert in ihrer Unflexibilität und Geschlossenheit – vor fünf Jahren undenkbar.
  • Der Markt wird massiv von Überraschungsereignissen beeinflusst werden, die noch kaum jemand auf dem Schirm hat. Allerdings bedeutet der Fünf-Jahres-Zeitraum auch, dass sich die nächsten Killer-Konzepte bereits irgendwo in der Entwicklung befinden. Das müssen nicht zwangläufig die Technologien sein, die aktuell als Meilenstein gehandelt werden. Tiefenwirkung durch 3D-Fernseher, unmittelbares Spielen durch Bewegungssteuerung gelten als Hoffnungsträger, dabei ist ihr Mehrwert unklar. Wahre Revolutionen sind eher aus Ecken zu erwarten, die im Ruch des freakigen, wenig ernstzunehmenden stehen. Womöglich etwa die Idee der »Augmented Reality«, in der sich die echte Welt, durch eine Handy-Kamera betrachtet, zur virtuellen Spielumgebung erweitert.
  • Die Plattform bestimmt den Inhalt. Kein anderer Trend beeinflusst die Branche so nachhaltig wie diese banale Erkenntnis. Sie sticht andere Entwicklungen, die machtvoller erscheinen. Es gibt im Spielemarkt zum Beispiel keine automatische Ausdifferenzierung hin zu mehr inhaltlicher Vielfalt und Pluralismus. Über den größeren Teil des Jahrzehnts seit 2000 galt das Gegenteil: Durch die Konsolidierung und den Marktgewinn der Konsolen nahm die Bandbreite der Spiele und Genres kontinuierlich ab. Erst in jüngeren Jahren haben neue Plattformen wie Smartphones und digitale Vertriebskanäle die Entwicklung wieder umgekehrt. Für Spielehersteller lautet die wichtigste Frage deshalb nicht: »Welche Art von Spiel ist in den nächsten Jahren populär?«, sondern einfach: »Worauf wird in Zukunft gespielt?«

Drei Beine

Die Spielebranche ist ein dreibeiniges Biest, und Glaskugelschauer reiben sich auch deshalb ratlos die Schläfen, weil die drei Beine zwar immer gemeinsam nach vorne stapfen, aber man schwer absehen kann, welches den nächsten Schritt macht. Bein 1 ist der Inhalt der Spiele, ihr Genre, Szenario, Spielmechanismen. Bein 2 ist die Technologie, die Plattformen und ihr Leistungsrahmen. Bein 3 ist das Geschäftsmodell, die Art und Weise, wie mit Spielen Geld zu verdienen ist. In den letzten fünf Jahren hat die Branche mit Musik- und Fitnessspielen ungeheuer erfolgreiche neue Konzepte etabliert; sie hat auf der Wii die Bewegungssteuerung und auf Smartphones die Bewegungsfreiheit entdeckt; sie hat begonnen, Services zu verkaufen, um Spiele zu erweitern oder überhaupt zu finanzieren. Manche Spiele, die sie früher verkauft hätte, verschenkt sie nun an ihr Publikum. Jeder der drei Standbeine stößt in den nächsten Jahren auf Weggabelungen und Hürden, die jetzt schon absehbar sind. Es ist schwer vorherzusagen, welches Ziel der Markt 2015 erreichen wird. Aber zumindest lässt sich beschreiben, welche Herausforderungen auf ihn zukommen.«

Den vollständigen Artikel lest ihr in einem Special auf makinggames.de

Jedes Wochenende präsentieren wir euch ausgewählte Making-Of-Artikel, Reportagen sowie Interviews aus unserem Schwestermagazin Making Games und lassen Sie hinter die Kulissen der Spielebranche blicken.
Und wer könnte besser über die großen und kleinen Geheimnisse der Spieleentwicklung schreiben als die Entwickler selbst? Genau das machen sie jede Ausgabe im Making Games Magazin und jeden Tag auf makinggames.de.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 05/2010 des Making Games Magazins.

zu den Kommentaren (0)

Kommentare(0)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.