Die Kampagne von Call of Duty: Modern Warfare 3 hat alles, was das Shooter-Herz begehrt. Eine zwar kurze, aber knackige Story, einen wirklich verachtenswerten Bösewicht, toll inszenierte Missionen an abwechslungsreichen Schauplätzen überall auf der Welt, viel Bombast und einige erinnerungswürdige Momente. Kurzum: Ein spielbarer Action-Film, den man nicht verpassen sollte.
Moment mal. Wie passt das denn jetzt mit der Überschrift und dem Intro dieses Artikels zusammen? Naja, wir haben euch nicht angelogen, all das hat die MW3-Kampagne tatsächlich. Allerdings meinen wir die des ersten MW3 von Infinity Ward aus dem Jahr 2011.
Und das würde sich vermutlich für seinen Namensvetter schämen, der im Jahr 2023 im Solo-Modus von all dem genannten quasi rein gar nichts liefert – und uns deshalb ziemlich emotionslos zurücklässt.
Update am 15. November: Mittlerweile konnten wir auch die Multiplayer-Modi von Modern Warfare 3 ausführlich ausprobieren und dementsprechend auch eine Gesamtwertung vergeben. Hier findet ihr sie:
Update am 10. November: Zur Feier der Veröffentlichung des Spiels für alle, haben wir diesen Test der Kampagne für euch noch einmal hochgezogen. Somit könnt ihr herausfinden, ob ihr erst die Story spielt oder lieber doch euch in den Multiplayer stürzt.
Test noch ohne Wertung: In diesem Test findet ihr aktuell ausschließlich eine Einordnung und Einschätzung der Solo-Kampagne von Modern Warfare 3. Sobald wir den Multiplayer und den Zombies-Modus ausreichend und unter Live-Bedingungen ausprobiert haben, werden wir diesen Test um die entsprechenden Elemente erweitern und eine finale Wertung vergeben.
Ein Bubi namens Vladimir
Die Story des neuen Modern Warfare 3 ist CoD-typisch recht schnell zusammengefasst. Als der russische Ultranationalist Vladimir Makarov aus einem Gulag befreit wird, bedroht er kurze Zeit später mit seiner Konni-Privatarmee und geklauten Giftgasraketen die gesamte Welt. Die Task Force 141 rund um den bärtigen Captain Price sowie den dauermaskierten Simon "Ghost" Riley muss den Fiesling finden und die Gefahr stoppen, bevor es zu spät ist.
Klar, das klingt mal wieder ziemlich abgedroschen, wir hatten aber vor allem einen echten Hoffnungsschimmer in Form von Makarov. Schließlich ist das Original aus der ersten Modern Warfare-Trilogie einer der berühmt-berüchtigtsten und abgrundtief bösesten Fieslinge der gesamten Seriengeschichte.
Der Reboot-Vladimir wird dem aber leider nicht ansatzweise gerecht, sondern wirkt mit seinem bubihaften Auftreten eher wie eine Karikatur und reiht sich damit in die lange Liste von 08/15-Feinden in der CoD-Historie ein. Die Ergreifung des ersten Makarov war für uns damals noch echte Motivation, der neue vermag nicht annähernd diese Emotionen in uns auszulösen.
Seinen Stempel kann er der Story jedenfalls ebenso wenig aufdrücken wie die eigentlich recht charismatischen Figuren der Spezialeinheit, die bei der Jagd nach Makarov erneut Unterstützung von Widerstandskämpferin Farah Karim bekommt, welche ihren ersten Auftritt in Modern Warfare (2019) hatte.
Kurios: Auf den direkten Vorgänger Modern Warfare 2 nimmt MW3 nahezu keinen Bezug. Der im letzten Jahr prominent eingeführte Anti-Terror-Operator Alejandro Vargas fehlt beispielsweise komplett, dafür arbeitet die Task Force 141 später im Spiel wieder mit jemandem zusammen, der sie im letzten Jahr eigentlich verraten hatte.
Eine Vollpreis-Kampagne mit DLC-Charakter
Verständlich bleibt der Plot aber auch für Neulinge, auch wenn es keinerlei Zusammenfassungen oder Einordnungen bisheriger Geschehnisse gibt. Es ist eben das übliche Schwarz-Weiß-Geplänkel, das ohne große Höhepunkte, dafür aber mit ein paar Logiklücken etwa 4 bis 5 Stunden vor sich hin plätschert, bis es in einem ebenso abrupten wie unbefriedigenden Finale mündet, das einen vierten Teil mehr als nur andeutet. Modern Warfare 3 war ursprünglich als DLC geplant und das merkt man dem Spiel nicht nur bei der Story an. Immerhin sind die gerenderten Zwischensequenzen ganz nett anzuschauen.
Auch bei den Settings und bei der spielerischen Abwechslung ist die Kampagne von Modern Warfare 3 im Vergleich zum direkten Vorgänger eher Rück- als Fortschritt. Waren wir im letzten Jahr unter anderem noch in den malerischen Grachten von Amsterdam oder in einem beschaulichen Dorf in Mexiko unterwegs, fehlen diese Schauplatz-Farbtupfer in MW3 nahezu komplett.
Das kenn ich doch aus Warzone?
Stattdessen ergehen sich die meisten Missionen in einer wahren Grau- und Brauntonflut im fiktiven Nahoststaat Urzikstan und Russland mit vielen öden Lagerhallen, Hafengebieten und Raketenanlagen. Hier hat sich Entwickler Sledgehammer übrigens recht schamlos bei bereits existierenden Warzone-Maps bedient.
Viele Schauplätze wie das Stadion in Mission 8 oder der Staudamm in Mission 12 sind nämlich Versatzstücke aus diesen Karten des Free2Play-Shooters – nur etwas erweitert.
Lichtblicke gibt es aber auch, nämlich einen Einsatz im verschneiten Sibirien, der bei uns ein paar wohlige Erinnerungen an die erste Trilogie ausgelöst hat, sowie die finale Mission in London.
Sechs der insgesamt 14 Kampagnen-Missionen sind sogenannte "Open Combat Missions" (auf deutsch Offene Kampfmissionen).
Hier werden wir mal mehr, mal weniger gut bewaffnet in einem etwas größeren Areal ausgesetzt (z.B. dem schon erwähnten Hafen oder Staudamm), müssen diverse Missionsziele abklappern und können in der Umgebung zusätzliche Waffen- und Ausrüstungskisten finden.
Die Probleme der Open Combat Missions
So nett die Idee der offeneren Ausrichtung grundsätzlich ist, haben diese Einsätze zwei große Probleme. Zum einen suggerieren sie eine spielerische Freiheit, die es schlicht nicht gibt. Ja, wir können Drohnen, schallgedämpfte Waffen oder Herzschlagsensoren finden, bestimmte Bereiche aufklären und möglichst vorsichtig sein.
Zu 99 Prozent enden die Missionen aber in tumbem Geballer, weil die Gegner zu aufmerksam sind und sich die eigene Entdeckung irgendwann kaum vermeiden lässt. Und spätestens mit der anrückenden Verstärkung sind die Gegner dann derart in der Überzahl, dass sich das Schleichen in MW3 schlicht nicht lohnt – ebenso wenig übrigens wie die Nutzung von Fahrzeugen.
Und zum anderen fehlt den offenen Kampfmissionen eine klare Spannungskurve. Denn es gilt stets, zu markierten Punkten zu laufen, dort mit etwas zu interagieren und dann irgendwann zu exfiltrieren. Cool inszenierte Ereignisse innerhalb dieser Missionen? Fehlanzeige.
Das erinnert von seiner gesamten Anmutung enorm an die DMZ-Einsätze in Warzone, schließlich ist der Ablauf dort ähnlich und auch dort können Rüstungsplatten und Ausrüstung sowie Waffen gefunden werden.
Deshalb ist die Kampagne von MW3 in den offenen Kampfmissionen das, was der Vorgänger eben nicht war – eine ziemlich öde Schießbude.
Es ist nicht alles schlecht
So ist es dann auch keine Überraschung, dass die MW3-Kampagne ihre wenigen starken Momente in den Missionen hat, die eben nicht offen sind, sondern linear und stringent ablaufen. Hier gibt es nämlich die angesprochenen Spannungsbögen und vor allem auch einige coole Momente.
In der sibirischen Tundra liefern wir uns beispielsweise ein Katz- und Mausspiel mit Scharfschützen, die sich mit besonderer Rüstung gegen unsere Thermalvisiere schützen, und in Urzikstan müssen wir unbemerkt in eine Basis schleichen, wobei eine Drohne wertvolle Aufklärungsdienste leistet.
Insbesondere die letzte Mission in London ist im Vergleich zum Rest des Spiels ein wahrer Quell der Abwechslung, keine Sorge, wir spoilern nicht. Trotzdem ist das gleichermaßen unverständlich wie ärgerlich. Denn hätte nur die Hälfte der Missionen die Qualität der letzten – die Kampagne von Modern Warfare 3 wäre so viel besser.
Immerhin kann sich MW3 auf eine der Kernkompetenzen der Serie verlassen, was die Kampagne dann auch am kompletten Absturz in den Abgrund hindert. Denn das Gunplay der vielen unterschiedlichen Wummen ist klasse, das Treffer-Feedback ordentlich, die vielfältig einstellbare Steuerung direkt und ohne Makel. Auch in Modern Warfare 3 macht es Spaß zu ballern, daran ändern auch die vielen Probleme der Kampagne nichts.
Die Gegner hätten sich dabei allerdings ein wenig cleverer anstellen dürfen, denn die gehen zwar regelmäßig in Deckung und flankieren in den offenen Kampfmissionen sogar zeitweise, allerdings sind sie auch mindestens ebenso oft stumpf nacheinander in unser Feuer gelaufen. Einen Intelligenzpreis gewinnen die KI-Feinde in jedem Fall nicht.
Die Technik der Kampagne von Modern Warfare 3
Einen Preis würden wir auch der Technik nicht unbedingt verleihen, auch wenn die Kampagne durchaus ihre Momente hat. Der Angriff auf das Gulag zu Beginn des Spiels ist mit den prasselnden Regeneffekten beispielsweise toll inszeniert, später gibt es hier und da auch noch schicke Licht- und Schatten- oder Nebeleffekte zu bestaunen.
Auf der anderen Seite gibt es in manchen Gebieten eine ziemlich flache Beleuchtung und auch einige Animationen von Freund und Feind wirken etwas unbeholfen und hölzern.
Dafür läuft das Spiel aber butterweich und ohne Framerate-Probleme – in der von uns gespielten PS5-Version sogar auf Wunsch in 120 fps. Auf akustischer Seite bietet MW3 ordentliche, wenn auch manchmal etwas schwachbrüstig klingende Waffensounds und überraschend wenig und unspektakulären Musikeinsatz – ein kinoreifer Score hatte ja beispielsweise die originale Modern Warfare-Trilogie ausgezeichnet. Also die, die sich für diese Kampagne vermutlich schämen würde.
Fazit der Redaktion
Tobias Veltin
@FrischerVeltin
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich im Jahr 2011 fast schon euphorisch vor dem Abspann von Modern Warfare 3 saß. Was hatte ich da gerade für eine wilde Achterbahnfahrt erlebt, ein Shooter-Spektakel vom Allerfeinsten! Und ich hatte so gehofft ,dass ich das auch über den Reboot von Modern Warfare 3 sagen kann, aber hier war das genaue Gegenteil der Fall. Als die Credits über den Bildschirm liefen, fühlte ich exakt – nichts.
Die beiden großen "Neuerungen" – Makarov und die offenen Kampfmissionen – zünden bei mir leider überhaupt nicht. Im Gegenteil, letztere werden mit ihrem generischen Spielgefühl sogar zur größten Schwäche von Modern Warfare 3, denn salopp gesagt laufe ich hier nur über verkappte Warzone-Maps und ballere dämliche KI-Schergen über den Haufen.
Apropos Warzone: Ich ärgere mich extrem über das Asset-Recycling aus dem Free2Play-Shooter. Früher hatten CoD-Kampagnen aufgrund ihrer eigens gebauten Schauplätze und Missionen einen ganz eigenen Charakter, der sich vom Multiplayer bzw. Warzone abhob. MW3 ist die erste, in der ich diesen nicht mehr wirklich erkennen kann.
Es bleibt natürlich abzuwarten, wie sich Multiplayer-Modus und Zombies-Modus schlagen, aber allein für die Kampagne sollte sich um Himmels Willen wirklich niemand Modern Warfare 3 kaufen. Die ist nämlich nichts Geringeres als die schwächste aller bisherigen Modern Warfare-Kampagnen – und damit auch ein Tiefpunkt der einstmals so stolzen Serie.
Sebastian Zeitz
@citronat
Ich bin recht neu, was CoD-Kampagnen angeht, da ich bisher nur Black Ops Cold War und Modern Warfare 2 (2022) durchgespielt habe. Bisher habe ich mich aber immer durchaus unterhalten gefühlt. Bei Modern Warfare 3 hingegen war meistens gähnende Langeweile angesagt.
Anstatt ein bombastisches Ende einer Trilogie zu sein, ist das hier mehr ein kleines Zwischenspiel, das einen weiteren Teil aufbaut, ohne aber jemals Makarov wirklich als Bedrohung darzustellen oder irgendeinen emotionalen Moment aufzubauen, der mich für den nächsten Teil begeistert. Und obwohl, oder gerade weil ich regelmäßig Warzone spiele, hat mich das Recycling der einzelnen Elemente und Umgebungen irgendwann nur noch gelangweilt.
Die größte Schwäche sind die Missionen und die damit einhergehende Inszenierung. Modern Warfare 3 fehlt sowohl Bombast als auch Abwechslung. Es gibt nicht eine einzige große Explosion und kaum hektische Szenarien mit viel Action, dafür aber Szenen, die kontrovers sein wollen, bei mir zumindest aber nichts ausgelöst haben. Auch wenn die Idee der Open Combat-Missionen auf dem Papier nett ist, verkommen diese zu reinem Gegnerhorden-Geballer ohne Abwechslung oder Wiederspielwert.
Wenn ich am Ende das Gefühl habe, dass vier der fünf Stunden reine Zeitverschwendung waren, dann frage ich mich wirklich, ob Activision das mit Absicht macht, um irgendwann sagen zu können: "Niemand spielt mehr die Kampagne, also brauchen wir sie auch gar nicht mehr zu entwickeln". Genau so fühlt sich die Kampagne von Modern Warfare 3 für mich nämlich an.
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