Erinnert ihr euch noch an die Zeiten, in denen wir Microsoft öfter für den Mangel und die Qualität ihrer Exklusivspiele kritisiert haben?
Spätestens seitdem vergangenen Dienstag Tango Gameworks geschlossen wurde, obwohl sie mit Hi-Fi Rush eines der besten und erfrischendsten Xbox-Spiele seit der 360-Ära entwickelt haben, wünsche ich mir diese "alten" Tage zurück – so traurig das klingen mag.
Denn eher fühle ich mich auf einer Plattform zu Hause, deren eigene Spiele ihre Macken haben, als auf einer Plattform, die unmissverständlich folgendes Signal nach draußen sendet: Für uns zählt nach dem Kauf von Activision, Blizzard und Bethesda nur noch der blanke Profit.
Und das ist in meinen Augen ein fatales Signal, durch das Microsoft am Ende das Wichtigste verlieren kann, was es gibt: Vertrauen.
Vertrauen in Xbox ist alles
Dass ein Unternehmen als oberstes Ziel unseren Geldbeutel erleichtern will und Jahr für Jahr mehr verdienen möchte, gehört im Kapitalismus zur Normalität. Doch darum geht es hier nicht.
Denn wenn ein cooles Spiel – oder besser noch einige davon – erscheint, fühle ich mich auf einer Gaming-Plattform wohl und genießt der Publisher und Entwickler mein Vertrauen, zahle ich auch gerne für mein liebstes Hobby.
Doch Microsoft hat mir in der vergangenen Woche unmissverständlich gezeigt, dass man ihnen bei der Entwicklung cooler Spiele und der Förderung von Talenten aktuell nicht mehr vertrauen kann.
Wörter wie Schall und Rauch
Aaron Greenberg (Xbox Marketing) hat das zigfach preisgekrönte Hi-Fi Rush noch im Vorjahr als Erfolg "auf allen Ebenen" betitelt. Und Xbox-Präsidentin Sarah Bond sowie Xbox-Chef Phil Spencer haben noch vor wenigen Jahren beteuert, dass sie aus dem Fehler, Entwickler Lionhead zu schließen, gelernt hätten – und nun Studios in ihrem Talent fördern möchten.
Gebracht haben diese Aussagen einem überaus talentierten Entwickler wie Tango Gameworks nichts. Auch nicht Arkane Austin, deren in Prey unter Beweis gestelltes Ausnahmetalent jetzt in alle Winde zerstreut wird.
Nach Activision-Akquise muss Geld her
Bei der Schließung von Arkane Austin lässt sich sicherlich noch das Redfall-Desaster als Grund für die Schließung anführen, der Wegfall von Tango hingegen ist kaum verständlich – dass Tango-Gründer Shinji Mikami bei seinem Weggang einen Großteil der talentierten Belegschaft mitgenommen hat und das Studio nur noch ein Schatten seiner Selbst war, ist bereits widerlegt.
Außerdem führt die Schließung des einzigen internen Studios aus Japan die Pläne, in Japan weiter zu wachsen, für die Außenwelt komplett ad absurdum.
Doch lese ich mir die Meldungen der vergangene Tage durch, wird eines ganz klar: Xbox ist nach der knapp 80 Milliarden Dollar teuren Akquise von Activision-Blizzard-King und Bethesda nicht mehr Microsofts vergleichsweise "kleine" Gaming-Sparte, die sich überspitzt formuliert frei austoben darf.
Das Auge Saurons, so ein wunderbarer Vergleich aus dem Netz, hat sich gedreht und schaut jetzt auf Phil Spencer und Sarah Bond, die nun so schnell wie möglich Geld generieren müssen.
Und bei "Geld generieren" reden wir nicht von einem Achtungserfolg eines mittelgroßen Spiels wie Hi-Fi Rush. Jetzt müssen mit Topsellern und großen Namen wie einem Call of Duty enorme Einnahmen erzielt werden, um den gewaltigen Kaufpreis zumindest ein Stückweit wieder reinzuholen.
Ein düsterer Blick in die Zukunft
Für Studios wie Tango, Ninja Theory (Hellblade) oder beispielsweise Double Fine (Psychonauts), die besondere Spiele, aber wahrlich keine finanziellen Megaerfolge beisteuern, ist hier gefühlt kein Platz mehr. Zumindest ist es das Signal, das Microsoft mir als Spieler durch das aktuelle Handeln gibt.
Doch dieser Platz muss vorhanden sein, um einzigartige Spiele zu entwickeln, welche den großen Blockbustern kreative Impulse geben und uns Spieler*innen vermitteln "Auf unserer Plattform könnt ihr euch wohlfühlen, hier bekommt ihr tolle, außergewöhnliche Games" – und nicht nur Live-Service, um erhöhte Einnahmen durch Mikrotransaktionen zu generieren.
Microsofts oberste Priorität sollte also nicht sein, uns nach außen zu vermitteln, dass sie so schnell es geht Geld einnehmen müssen – und Spiele wie Hi-Fi Rush diesem Ziel offenbar im Weg stehen. Sie müssen dafür sorgen, dass mittlerweile mehr als angekratzte Vertrauen zurück zu gewinnen, indem sie auch (!) darauf setzen, Talente zu fördern und mehr von diesen einzigartigen Videospielen veröffentlichen.
Sonst droht Microsoft das so wichtige Vertrauen, das man sich seit 2002 und dem Start der ersten Xbox mühsam erarbeitet hat, komplett zu verspielen.
Wie blickt ihr eine Woche nach den Schließungen auf die Ereignisse rund um Microsoft und Xbox? Lasst es mich in den Kommentaren wissen.
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