Mehr Barrierefreiheit in Videospielen? KI könnte dabei helfen, birgt aber auch große Risiken

Künstliche Intelligenz ist in den letzten Monaten regelrecht zu einem Trendthema geworden. Für Barrierefreiheit in Spielen bietet sie Potenzial, aber auch Gefahren.

Künstliche Intelligenz birgt einige Gefahren, aber auch Chancen, wenn sie richtig eingesetzt wird. Künstliche Intelligenz birgt einige Gefahren, aber auch Chancen, wenn sie richtig eingesetzt wird.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich Videospiele wird aktuell viel diskutiert. KI gestaltet Spielegrafiken, KI komponiert Musik. Ja, KI schreibt sogar Programmcode. Da stellt sich die Frage, wäre es nicht auch möglich, Spiele durch künstliche Intelligenz barrierefreier zu gestalten?

In der Spieleindustrie hat sich in den letzten Jahren ein bedeutender Wandel vollzogen. Immer mehr Entwickler*innen und Studios richten ihr Augenmerk auf die Förderung von Barrierefreiheit in Spielen. Diese positive Entwicklung ermöglicht es Spielenden mit verschiedenen Einschränkungen an vielfältigen Spielerlebnissen teilzuhaben. 

Hier könnte KI ansetzen, um zum Beispiel Optionen automatisch individueller anzupassen. Genau dort stecken aber auch Gefahren.

Mit KI Barrieren in Spielen abbauen

Die potenziellen positiven Auswirkungen von KI auf die Zugänglichkeit in Videospielen sind vielversprechend: Durch KI-unterstützte Lösungen könnten Entwickler*innen zum Beispiel automatisierte Prozesse implementieren, die individuelle Anpassungen der Steuerung ermöglichen und somit Spieler*innen mit motorischen Einschränkungen das Spielen erleichtern.

So könnte die KI etwa vor Spielbeginn in einer Art Tutorial oder Trainingsumgebung analysieren, welche Tasten jemand gut bedienen kann und wie die Reaktionsfähigkeit ist.

Anhand dessen legt die KI dann ein individuell zugeschnittenes Steuerungsschema an, bei dem die wichtigsten Funktionen auf die Tasten gelegt werden, die für die Person am besten funktionieren. Außerdem könnte sie beispielsweise die Gameplay-Geschwindigkeit anpassen.

Auch die Zielfindung in Spielen wie The Last of Us Part 2 könnte von KI unterstützt werden. Auch die Zielfindung in Spielen wie The Last of Us Part 2 könnte von KI unterstützt werden.

Basierend auf den Fähigkeiten und Vorlieben der Spieler*innen wären also adaptive Schwierigkeitsgrade oder alternative Lösungswege denkbar. Das ermöglicht eine personalisierte Spielerfahrung, die für Spieler*innen mit verschiedenen Behinderungen zugänglicher ist.

Auch die Spracherkennung ist ein Bereich, in dem KI eine wichtige Rolle spielen könnte. Mit der Integration von fortschrittlichen Spracherkennungstechnologien könnten motorisch beeinträchtigte Spieler*innen statt mit den Händen mit Sprachbefehlen reagieren. So könnten sie komplexe Steuerungen umgehen. 

KI ist kein Allheilmittel

Es gibt jedoch auch Herausforderungen und potenzielle Nachteile beim Einsatz von KI. So besteht das Risiko, dass die nötige Zugänglichkeit nicht geboten wird oder sogar neue Barrieren entstehen.

Eines der Hauptprobleme ist, dass KI-Systeme noch viele Fehler machen. Trotz großer Fortschritte. Bestimmte Bedürfnisse oder Vorlieben der Spielenden könnten infolgedessen nicht vollständig oder schlimmstenfalls sogar falsch erfasst werden.

So zum Beispiel, wenn die KI für blinde Spieler*innen Beschreibungen des Geschehens generiert und vorliest. Dabei könnte es passieren, dass sie Bildinhalte falsch interpretiert und somit nicht korrekt beschreibt, was gerade zu sehen ist. 

Es macht schließlich einen großen Unterschied, ob der Charakter in Overcooked gerade eine Tomate oder den Feuerlöscher in der Hand hat. Mit derartigen Falschinformationen wird vernünftiges Spielen unmöglich.

Aktuell müssen beispielsweise Hervorhebungen von Spielfiguren noch per Hand programmiert werden. Hier könnte die KI viel Arbeit übernehmen. Färbt sie aber etwa mehrere Charaktere in der gleichen Farbe ein, würden dadurch neue Barrieren entstehen. Aktuell müssen beispielsweise Hervorhebungen von Spielfiguren noch per Hand programmiert werden. Hier könnte die KI viel Arbeit übernehmen. Färbt sie aber etwa mehrere Charaktere in der gleichen Farbe ein, würden dadurch neue Barrieren entstehen.

Ein weiteres Problem ist "KI als die schnelle Lösung", wenn also ein einziger Lösungsansatz als die ultimative Antwort auf Barrieren gesehen wird. Das könnte zum Beispiel bei der Spracherkennung als alternative Steuerungsmethode passieren. 

Der Gedanke, dass Spracherkennung allen motorisch eingeschränkten Spielenden hilft, kommt schnell auf. Das ist jedoch falsch: während Spracherkennung für einige Spieler*innen mit motorischen Beeinträchtigungen eine große Erleichterung sein kann, werden andere Personen, die beispielsweise eine Sprachbehinderung haben oder in einer Umgebung spielen, in der Sprache nicht praktikabel ist, dadurch benachteiligt. 

Ein Spiel, das allein auf Spracherkennung als Unterstützung bei der Steuerung setzt, bleibt somit für diese Person unspielbar und schließt sie vom Erlebnis aus.

Ihr seht also: Es ist wichtig, dass bei der Implementierung von KI-Lösungen für Accessibility im Gaming eine Vielzahl von Steuerungsmöglichkeiten in Betracht gezogen wird, um sicherzustellen, dass verschiedene Spieler*innen mit unterschiedlichen Fähigkeiten Zugang zu den Spielen haben. 

Die Kombination verschiedener Steuerungsmöglichkeiten wie Sprache, Tastaturen, individualisierbare Controller und Eye-Tracking gewährleisten eine breitere Zugänglichkeit und können neue Barrieren verhindern. Aufgrund der Fehlbarkeit von KI kann und darf sie Menschen nicht ersetzen. Implementierte KI-Lösungen müssen von echten Nutzer*innen getestet und korrigiert werden.

Zusätzlich zu Lösungen in Spielen selbst gibt es auch Peripheriegeräte wie den Accessibility Controller von Microsoft. KI sollte diese Geräte erkennen und damit arbeiten, um das Bestmögliche rauszuholen. Zusätzlich zu Lösungen in Spielen selbst gibt es auch Peripheriegeräte wie den Accessibility Controller von Microsoft. KI sollte diese Geräte erkennen und damit arbeiten, um das Bestmögliche rauszuholen.

Fragen des Datenschutzes und ethische Aspekte

Ein weiteres Thema sind Datenschutz und Privatsphäre. Um KI-basierte Lösungen effektiv einsetzen zu können, müssen Daten von Spieler*innen schließlich gesammelt und analysiert werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Daten sicher verwaltet und gemäß den gesetzlichen Datenschutzrichtlinien behandelt werden, um den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten.

Auch ethische Aspekte spielen eine große Rolle. Bei der Entwicklung und Implementierung von KI für Barrierefreiheit muss sichergestellt sein, dass die Technologie fair, transparent und frei von Diskriminierung ist. 

Alle Spieler*innen sollten gleichermaßen Zugang zu barrierefreien Gaming-Erlebnissen haben, unabhängig von ihrer Behinderung oder anderen Merkmalen.

Ein Beispiel wäre hier eine KI-gesteuerte Bewegungserkennung: Wenn die KI-Algorithmen nicht richtig auf die Vielfalt von Körpern und ihre Bewegungen eingestellt sind, könnte dies zu einer ungewollten Diskriminierung von Spieler*innen führen. 

Die Lösung ist hier ebenso einfach wie nötig: Eine umfassende Testphase, die verschiedene Benutzer*innengruppen mit unterschiedlichen körperlichen Merkmalen und Fähigkeiten einbezieht, kann dazu beitragen, Diskriminierungen zu erkennen und zu beheben. 

Die Einbeziehung von behinderten Spieler*innen und Expert*innen für Barrierefreiheit und Inklusion während des gesamten Entwicklungsprozesses ist also entscheidend, um sicherzustellen, dass KI-gesteuerte Systeme barrierefrei und diskriminierungsfrei sind.

Einschätzung der Autorin

Melanie Eilert
@melly_maeh

Für mich als Spielerin mit Muskelschwäche und somit stark eingeschränkter Bewegungs- und Reaktionsfähigkeit wäre KI-unterstütztes Spielen ein Traum. Ich stelle mir vor, wie die KI Eingaben übernimmt, die ich nicht tätigen kann und das Gameplay an meine Reaktionsgeschwindigkeit anpasst. 

Allerdings befürchte ich aufgrund von Erfahrungswerten, dass behinderte Menschen sowie deren Expertise nicht genug in die Entwicklung mit einbezogen werden könnten. Das würde im schlimmsten Fall dazu führen, dass die entwickelten KI-Unterstützungen lückenhaft sind und nicht zu Ende gedacht werden. Und das wäre wirklich schade bei den schier endlosen Optionen, die KI für Accessibility bieten könnte – quasi die Eier-legende-Wollmilchsau der Barrierefreiheit.

zu den Kommentaren (1)

Kommentare(1)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.