Seite 3: Mass Effect: Andromeda im Test - Der Kampf um einen Neuanfang

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Theorie vs. Praxis

Die Kämpfe in Mass Effect: Andromeda wurden maßgeblich von denen des Mass Effect 3-Multiplayers beeinflusst. Heißt, sie sind schneller und flexibler. Das liegt einmal am Leveldesign und den größeren Arealen, aber auch an neuen Optionen wie dem Jetpack, das Ryder in luftige Höhen transportiert. Und natürlich am fließenden Klassenwechsel, der sogar während eines Kampfes möglich ist. Anders als in den Vorgängern ist die Eigenbau-Heldin nicht gebunden an eine zu Beginn ausgewählte Klasse mit ihren festgelegten Skills. Stattdessen gibt es sieben verschiedene Profile, die Boni auf bestimmte Ausrichtungen geben.

Der Scanner ist eines unserer nützlichsten und am häufigsten verwendeten Hilfsmittel. Der Scanner ist eines unserer nützlichsten und am häufigsten verwendeten Hilfsmittel.

Welche Fähigkeiten aber Ryder entwickelt und wann sie diese einsetzt, ist die Entscheidung des Spielers. In einem Kampf sprintet Ryder quasi unsichtbar mit taktischer Tarnung über das Schlachtfeld, um Feinden zunächst hinterrücks mit der Fähigkeit "Dunkler Kanal" die Lebensenergie zu entziehen und sie anschließend mit einem selbstgemachtem Asari-Schwert aufzuspießen. Das macht Spaß! Genauso wie im nächsten Kampf eine Drohne als Tank in den Nahkampf zu schicken, während man selbst aus der Ferne Singularitäten und Schockwellen auf Kett und Co. loslässt.

Wie spannend die Kämpfe in Andromeda sind, das liegt in der Eigenverantwortung jedes Spielers. Wie spannend die Kämpfe in Andromeda sind, das liegt in der Eigenverantwortung jedes Spielers.

Das Schlachtfeld kann glorreich chaotisch und abwechslungsreich sein - wenn man es denn will. Denn Andromeda fordert den Spieler zu wenig, um ihn zum Experimentieren oder Anpassen der eigenen Taktiken zu motivieren, statt in bequeme Gewohnheit zu verfallen. Der Mangel an wirklich erinnerungswürdigen Kämpfen wie der Kampf gegen den Reaper auf Rannoch in Mass Effect 3 oder der gegen den Dreschschlund in Mass Effect 2 trägt ebenfalls dazu bei, dass viele zumindest auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad irgendwann in eine Kampf-Routine verfallen, die sich bis auf wenige Ausnahmen eher wie Pflicht als eine Herausforderung anfühlt.

Immerhin: Der Kampf gegen den Architekten hat es in sich. Immerhin: Der Kampf gegen den Architekten hat es in sich.

Da die Planeten zu Beginn meist noch unbesiedelt sind, sind sie entsprechend weitläufig leer. Zumindest, wenn nicht gerade in irgendeiner Ecke Kett oder Remnant lauern, zwei der neuen Feindesgruppen Andromedas, die nicht an dieselben Umweltfaktoren gebunden sind wie die Neuankömmlinge. Gefühlt alle paar Meter taucht irgendeine feindverseuchte Ruine oder ein Außenposten auf, aus denen das Feuer eröffnet wird. Das kann ziemlich nervtötend werden, wenn gerade nur zur nächsten Quest fahren will... Immerhin besteht die Möglichkeit, den Feinden auszuweichen. Oder sie direkt mit dem Nomad zu überfahren. Und das ist durchaus befriedigend, immerhin darf Ryder sich dann von ihrem Squad anhören, wie schlecht sie fährt und ob denn wirklich jeder Stein mitgenommen werden muss. Wenn's dafür in Andromeda mehr Geplänkel zu hören gibt, dann lautet die Antwort: Ja, auf jeden Fall!

Gut gegen Böse hat ausgedient

Mass Effect: Andromeda wäre nicht Mass Effect ohne einen Haufen unterschiedlichster Charaktere und einem durch die eigenen Entscheidungen geformten Hauptcharakter. Es war ein riskanter Schritt von Bioware, Fanliebling Commander Shepard und seine/ihre Crew zu verabschieden und mit einer neuen Heldin (oder einem Helden) einen kompletten Neustart zu wagen. Nach dem Finale von Mass Effect 3 war es absolut die richtige Entscheidung, Shepard in den Ruhestand zu schicken. Ryder als Hauptfigur ist zum Glück eine würdige Nachfolgerin, die gerade dank des neuen Dialog- und Moralsystems schnell ein noch persönlicherer Charakter wird, als es der Commander je werden konnte. Gespräche sind facettenreicher, da Mass Effect: Andromeda die Möglichkeit bietet, flexibler zu antworten. Statt Dialoge in ein Vorbild/Abtrünnig-Korsett zu zwängen, lässt Andromeda zwischen vier verschiedenen Tonalitäten (Emotional, Logisch, Zwanglos, Professionell) wählen, auf die andere Charaktere entsprechend der Situation reagieren. Das neue System fühlt sich um einiges natürlicher an als zuvor, und auch Impuls-Entscheidungen via Quick-Time-Event sind nicht mehr an klare Gut/Böse-Grenzen gebunden.

Das Dialogsystem in Mass Effect: Andromeda ist facettenreicher und legt den Fokus auf Tonalität. Das Dialogsystem in Mass Effect: Andromeda ist facettenreicher und legt den Fokus auf Tonalität.

Dies geht Hand in Hand mit den berüchtigten Entscheidungen, die Bioware uns in jedem Spiel treffen lässt und die den Verlauf der RPGs formen. Andromeda ist voller großer und kleiner Scheidewege, wobei manche Konsequenzen sofort und manche erst später zu spüren sind. Beim ersten Durchspielen ließen sich allerdings keine finden, die auch nur ansatzweise Auswirkungen wie Virmire oder Tuchanka hatten und so nachhaltig in Erinnerung bleiben. Stattdessen öffneten oder versperrten sie Wege, schufen neue Verbündete oder Feinde oder wirkten sich auf einer noch subtileren Ebene aus. Trotzdem oder gerade deshalb hat Andromeda mindestens den gleichen Wiederspielwert wie seine Vorgänger, da die Konsequenzen der Entscheidungen vielleicht gefühlt nicht ganz so spektakulär sind, aber dafür auch weniger offensichtlich.

Todeswunsch statt Softporno

Das Zusammenspiel der neuen Crew hat ebenfalls einen weiten Sprung nach vorn gemacht. Die Besatzung der Tempest bewegt sich zwischen den Missionen durch das Schiff, unterhält sich, schreibt Mails und vermittelt deshalb besser als die Bewohner der Normandy den Eindruck, dass ihr Leben auch abseits von Missionen weiter geht. Bioware hat stark daran geschraubt, Charakterinteraktionen zu verbessern, sie natürlicher und lebendiger zu machen. Und gerade auf der Tempest ist dem Studio das hervorragend gelungen. Es erleichtert den Trennungsschmerz zu Shepards Begleitern, auch wenn kein Bewohner der Tempest denselben Eindruck hinterlassen hat, wie Tali, Joker, Garrus, Kaidan oder Wrex es einst taten. Das mag aber auch der Tatsache geschuldet sein, dass diese Charaktere drei Spiele hatten, um einem ans Herz zu wachsen, während Vetra, Drak, Jaal und Co. gerade erst angefangen haben. Dennoch ist es ein guter erster Schritt, denn sie alle sind spannend genug, um Zeit mit ihnen verbringen zu wollen - einschließlich der BioWare-typischen Romanzen.

Das Gute ist, dass die Beziehungen in Mass Effect: Andromeda nicht alle nach Schema F verlaufen, mit einer Sexzene enden und dann abgehakt werden. Auch sie fühlen sich somit natürlicher an. Einige Charaktere haben kein Interesse an Ryder, andere wollen nur einen Quickie ohne Verpflichtung, wieder andere wollen sie der eigenen Mutter vorstellen. Natürlicher heißt allerdings nicht in jedem Fall besser, denn Ryder stellt sich teilweise derart ungeschickt an, dass es immer mal wieder regelrecht peinlich wird und man sich fragt, ob Bioware das wirklich ernst. Dass der salarianische Pilot bittet, getötet zu werden, nachdem er Ryder flirten hört, könnte die Frage beantworten.

"Ihr zwei solltet Eintrittskarten verkaufen." ... Oder auch nicht. "Ihr zwei solltet Eintrittskarten verkaufen." ... Oder auch nicht.

Die Qualität der Nebencharaktere schwankt ebenso stark wie die der Romanzen. Während einige spannend sind und wir mehr über sie erfahren wollen, zeichnet gerade der Anfang von Mass Effect: Andromeda ein schwieriges Bild mit plumpen Konversationen, die direkt aus einem Science-Fiction-B-Movie zu stammen scheinen und Charaktermodellen, die visuell hinter denen von Dragon Age: Inquisition liegen. Gerade menschliche Figuren leiden immer wieder an Animationen, die von hölzern bis gruselig reichen sowie einem Mangel an Details.

Während sich bei Asari Peebee die einzelnen Punkte auf ihren Tentakeln zählen lassen, verschmelzen Ryders Haarsträhnen immer wieder zu einer roten Masse. Was teilweise mit den Gesichtern der Charaktere passiert, ähnelt eher Grimassen als normaler Mimik. Zwar zieht sich dieses Problem nicht durch das komplette Spiel, allerdings fällt die teilweise extrem schwankende Qualität der Charaktermodelle und Animationen kurz nach dem Release eines diesbezüglich besonders gelungenen Horizon: Zero Dawns besonders auf. Das mag vielleicht der schieren Größe Andromedas geschuldet sein, hinterlässt aber doch einen fahlen Beigeschmack. Immerhin bestätigt es die These, dass in Andromeda tatsächlich die Menschen die Aliens sind, denn sie sehen häufig leider genau so aus.

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