Seite 2: Rückblick: Sega Mega Drive - Aus dem Buch Genesis

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Vorteil Sega

Während das Geschäft in Japan vor sich hin tröpfelt, nutzt Sega seinen Zeitvorteil und wagt den raschen Sprung in den Westen: Bereits im Sommer 1989 beginnt der Genesis-Verkauf in den USA, Ende 1990 kommt die Konsole schließlich zu uns nach Europa. Auch in Nordamerika fehlen zunächst die zündenden Titel - die Umsetzung der Antiken-Prügelei Altered Beast ist technisch gelungen und durch weiches Parallax-Scrolling aufgepeppt, spielerisch ist das der Konsole beigelegte Modul aber ebenso dürftig wie die Handvoll weiterer Sega-Startspiele. Erst im Jahr darauf zieht das amerikanische Mega-Drive-Geschäft massiv an. Zum einen, weil Sega zunehmend aggressiver wirbt, in pfiffiger Weise gegen die Konkurrenz schießt und der Konsole erfolgreich ein cooles und stylishes Image verpasst.

Zum anderen, weil diverse westliche Dritthersteller das Mega Drive ins Herz schließen und für eine breite Software-Unterstützung sorgen. Manche tun das zunächst ohne Lizenz - gegen Accolade (Star Control, Test Drive) führt (und verliert) Sega deswegen einen jahrelangen Rechtsstreit. Auch Electronic Arts lässt durch seine Ingenieure die Kopierschutzmechanismen der Konsole aushebeln.

Etliche Publisher werden aber schon bald Lizenznehmer, die im Mega Drive eine dankbare Plattform für die Umsetzung ihrer 16-Bit-Heimcomputer-Software finden. Sega profitiert vor allem vom EA-Engagement: Zeitweise sind die Amerikaner für 50 Prozent des Mega-Drive-Spieleumsatzes verantwortlich, neben Umsetzungen von Computerspielen wie Budokan, Populous oder Faery Tale Adventure sorgt Electronic Arts mit virtuellem Road Rash-Rowdytum oder den isometrischen Helikopter-Actionspielen der Strike-Reihe für einen kontinuierlichen und abwechslungsreichen Software-Strom. Nicht zu vergessen die EA Sports-Titel, die das Mega Drive zum ultimativen Sportspiel-System machen: Die langlebige NHL Hockey-Serie debütiert exklusiv auf der Sega-Konsole, PGA Tour Golf, John Madden Football, Bulls vs. Blazers und FIFA International Soccer bilden den Auftakt für das bunte Sportprogramm der folgenden Jahre.

Überschaubar: Etwa 40 Titel können sich 32X-Sammler ins Regal stellen - nicht alle sind so günstig wie After Burner Complete. Überschaubar: Etwa 40 Titel können sich 32X-Sammler ins Regal stellen - nicht alle sind so günstig wie After Burner Complete.

Sammlerecke
Im Vergleich zum 16-Bit-Kollegen von Nintendo lässt sich beim Sega Mega Drive noch zu vertretbaren Preisen eine ansehnliche Sammlung mit spielerisch und historisch wertvollen Titeln aufbauen. Zusammen mit einer paar Modulen ist die Konsole schon für 30 Euro zu haben, mehr als 50 Euro solltet Ihr für ein originalverpacktes Gerät nicht in die Hand nehmen müssen. Lose Module gibt's reichlich und für Münzgeld, aber auch in Verpackung ist die Auswahl von Spielen für bis zu 10 Euro enorm.

Ultrarare, Hunderte Euro teure Titel gibt's natürlich auch: Mega Man The Wily Wars oder The Death and Return of Superman beispielsweise, zudem geht die Komplettierung der mit rund 40 Titeln recht überschaubaren 32X-Bibliothek ziemlich ins Geld. Auch für Hardware-Fans ist das Mega Drive ein spannendes und umfangreiches Sammelgebiet: In den Hauptmärkten sind jeweils zwei Varianten der Grundkonsole erschienen, daneben gibt's die Addons Mega-CD und 32X, das Mega-Drive-Handheld Nomad oder die Flugzeugkonsole Mega Jet. Schick und teuer ist das Sega Multi-Mega, das Konsole und Mega-CD in Form eines Discman-artigen, tragbaren Geräts kombiniert.

Igel, Delphine und Vampire

In der Mega-Drive-Ära entstehen viele der interessantesten und legendärsten Marken Segas bzw. der Videospiel-Geschichte: 1991 erfinden Programmierer Yuji Naka und Grafiker Naoto Oshima (die in ihren langen Jahren bei Sega auch das Master System-Rollenspiel Phantasy Star oder den Sega-Saturn-Shooter Burning Rangers verantworten) den blauen Videospiel-Igel Sonic, der zum Firmen-Maskottchen avanciert und dessen halbes Dutzend Auftritte zu Killer Applications des Mega Drive werden.

Das Mega-CD verfügt über eine eigene CPU. Das Mega-CD verfügt über eine eigene CPU.

In Ungarn entsteht das faszinierende und einzigartige Unterwasser-Eso-Action-Adventure Ecco the Dolphin. In der Musikfilm-Umsetzung Moonwalker tanzt Superstar Michael Jackson konsolenexklusiv auf Sega-Systemen, und auch die taktischen Shining Force-Rollenspiele sowie die seitlich scrollenden Streets of Rage-Prügeleien debütieren auf der 16-Bit-Konsole.

Verkaufsfördernd wirkt sich Segas laxer Umgang mit erwachsenen Inhalten aus: Während Nintendo die Darstellung von Gewalt, Nacktheit oder Drogen streng reglementiert, gibt sich Sega freizügig. Acclaim darf in die Mega-Drive-Version von Mortal Kombat (mittels Code freischaltbar) Blut und Fatalities integrieren. In Night Trap - einem Titel der Interactive-Movie-Macher Digital Pictures für das Mega-CD-Addon - darf der Spieler miterleben, wie ein Vampirclan leicht bekleideten jungen Frauen Blut abzapft.

Die öffentliche Empörung sorgt für gute Geschäfte, der Druck von Politik und Medien lässt Sega aber auch das interne »Videogame Rating Council« einrichten, das die Spiele für die hauseigenen Konsolen mit einer Alterskennzeichnung versieht. Ende 1994 übernimmt dann das unabhängige Entertainment Software Rating Board (ESRB) die Bewertung aller Video- und Computerspiele, die in den USA veröffentlicht werden.

Nach Einschub des Sonic 3-Modusl in das Sonic & Knuckles-Cartridge darf unter dem Titel Sonic 3 & Knuckles ein leicht verändertes Hüpfspiel-Epos gespielt werden. Nach Einschub des Sonic 3-Modusl in das Sonic & Knuckles-Cartridge darf unter dem Titel Sonic 3 & Knuckles ein leicht verändertes Hüpfspiel-Epos gespielt werden.

Huckepack-Hüpferei
In der heutigen Zeit wäre Sonic & Knuckles als Addon oder DLC veröffentlicht worden: Eigentlich hätten die Inhalte des vierten Sonic-Jump&Runs fürs Mega-Drive schon in Sonic the Hedgehog 3 stecken sollen, wegen Zeitmangels schaffte es Anfang 1994 aber nur eine gekürzte Version des Spiels in den Handel. Im Oktober desselben Jahres erschienen die restlichen Levels sowie der Schnabeligel Knuckles als neuer spielbarer Charakter auf einem weiteren Modul, das allerdings mit einem recht reizvollen Kniff seinen Preis zu rechtfertigten versuchte: Unter einer Klappe am oberen Modulende befindet sich der Einschub für ein weiteres Cartridge. Durch die (nach Sega-Aussage) revolutionäre »Lock-On«-Technologie beschert das Aufstecken eines Sonic 3-Moduls dem Spieler ein »gigantisches 34-MBit-Epos voller Geheimnisse«. Und wirklich: Die Kombination der beiden Module führt zu zahlreichen kleinen Änderungen in den Levels von Sonic 3 bzw. Sonic & Knuckles und macht Knuckles bzw. Tails in den Episoden, in denen sie vormals nicht verfügbar waren, zu spielbaren Charakteren. Auch das Sonic 2-Modul lässt sich Huckepack nehmen: Hier dürfen die Spieler Knuckles in leicht angepassten Sonic 2-Levels erleben. Und mit dem ersten Sonic-Modul und ein bisschen Tastentrickserei werden unzählige »Special Stages« verfügbar.

Ewiger Zweiter

Als das Super Nintendo Ende 1990 in Japan auf den Markt kommt, ist das Schicksal des Mega Drive in der Heimat endgültig besiegelt: Die NES-Fans holen sich den Nachfolger und lassen Sega links liegen - bis Ende 1994 werden im Osten viermal mehr SNES als Mega Drive gekauft. In Nordamerika liefern sich die beiden Geräte ein jahrelanges Kopf-an-Kopf-Rennen.

Erst auf der Zielgeraden und nachdem Sega mit dem 32X-Addon einen Reinfall erlebt und sich anschließend auf den Nachfolger Saturn konzentriert, zieht das SNES in den USA um ein paar Einheiten an rund 20 Millionen verkauften Mega-Drive-Konsolen vorbei. Oder auch nicht: Bis heute wird der auf dem Schulhof begonnene Konsolenkrieg von den Fans der beiden 16-Bit-Systeme weiter geführt und der Sieg durch kreative Interpretation der uneindeutigen Verkaufszahlen für das eigene Lieblingssystem beansprucht. Sicher ist: In England wandert das Mega Drive bis Ende 1994 doppelt so oft über die Ladentheke wie das SNES, in Deutschland ist's mit 800.000 zu 1,4 Millionen Verkäufen in etwa umgekehrt.

Hideo Kojimas Cyberpunk-Abenteuer Snatcher glänzt mit toll gezeichneter Optik und gelungener Synchronisation. Hideo Kojimas Cyberpunk-Abenteuer Snatcher glänzt mit toll gezeichneter Optik und gelungener Synchronisation.

Übereilt in eine neue Ära
Um der PC Engine und dem SNES Paroli zu bieten, entwickeln japanische Sega-Ingenieure Anfang der 1990er das Mega-CD-Addon. Während man am Laufwerk (einem billigen Single Speed-Modell) spart, wird das Mega-CD großzügig mit einer eigenen CPU (einem weiteren, erheblich höher getakteten 68000er), RAM, Grafikchips sowie einem leistungsfähigen Sound-Prozessor ausgestattet. Das dominanteste Merkmal aber ist der im Vergleich zu Modulkapazitäten riesige Speicherplatz des neuen Mediums - da viele Entwickler aber nicht so recht wissen, was sie mit den Hunderten Megabyte anfangen sollen, werden diese hauptsächlich für zusätzliche Soundtracks (vor allem bei Umsetzungen von Mega-Drive-Titeln wie Ecco the Dolphin) und umfangreiche Full-Motion-Videosequenzen (FMV) genutzt. Vor allem in den USA entstehen zahlreiche FMV-Titel wie Sewer Shark oder Night Trap, welche den Spielern rasch die Verzichtbarkeit interaktiver Filme bewusst machen. Zwar werden auch ein paar Perlen wie die beiden Lunar-Rollenspiele von Game Arts, Sonic CD oder Final Fight CD veröffentlicht, mit hohem Preis (das Mega-CD ist deutlich teurer als das Mega Drive, das zum Betrieb ebenfalls benötigt wird) und mäßiger Entwickler-Unterstützung floppt das Addon aber - ebenso wie die 1994 erscheinende 32X-Peripherie, die das Mega Drive um zwei zusätzliche 32 Bit-CPUs und einen mächtigen Graphik-Prozessor erweitert.

2 von 2


zu den Kommentaren (20)

Kommentare(18)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.