Seite 2: E3-Gespräch - Trends und Luftblasen

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Bejubelte Kopfschüsse

Michael Trier: Ich muss aber auch sagen, ich fand es bedenklich, dass immer mehr Gewalt inszeniert wird und dass das zu sein scheint, was die Leute wollen. Auf den Pressekonferenzen wird jeder Kopfschuss bejubelt wie eine Torchance in einem Fußballspiel. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, haben wir bald sicher auch ein Spiel, das »Finishing Move« heißt und dann konzentriert nur das bietet, was die Leute scheinbar wollen.

André Peschke: So wie »Close Range« von »The Onion«.

Michael Trier: *nickt mysteriös hinsichtlich Andrés obskurer Comedy-Referenz*

Tobias Veltin: Mich hat das in der Tat aber auch nachdenklich gestimmt. Inzwischen scheint ja die Mindest-Exekution so auszusehen, dass jemand von unten das Messer durch den Kopf gerammt bekommt.

Gewalt-Debatte + Action-Fokus auf der E3 Video starten 27:12 Gewalt-Debatte & Action-Fokus auf der E3

Michael Trier: Liegt natürlich auch an der technischen Entwicklung. Früher war man gezwungen stärker zu abstrahieren, weil da nur der lange Pixel auf den dicken Pixel geschossen hat. Heute wird das groß filmisch inszeniert. Da haben ja auch alle lange nach geschrien – wir auch.

André Peschke: Vielleicht müssen wir auch aufpassen, dass wir hier nicht in die Schuhe derjenigen Jugendschützer treten, die von außen auf ein Spiel schauen und entsetzt sind, von der Gewalt. Wenn man selbst spielt, ist das Erleben ja ganz anders und wir kriegen hier vieles nur präsentiert.

Michael Trier: Da ist auch was dran. Dennoch muss sich die Industrie schon mal die Frage stellen, was sie mit ihren neuen Möglichkeiten macht. Ob immer besser inszeniertes Töten wirklich das Einzige ist, was sie zustande bringt, um den Spieler emotional zu involvieren. Heavy Rainhat ja vorgemacht, welchen anderen Ansatz man verfolgen kann. Das wäre auch so eine Forderung von mir, wenn ich eine formulieren sollte: Andere Wege zu finden, Menschen für das Erlebnis »Spiel« zu begeistern, als durch eine immer spektakulärere Darstellung von »Figur Eins erschießt Figur Zwei«.

André Peschke: Das würde aber bedeuten, dass man ganz neue Spielinhalte produzieren müsste. Die meisten Spiele bestehen ja immer noch daraus, Gegner auszuschalten. Wenn man dann diese Mechanik bildgewaltiger umsetzen will, kommt vielleicht auch zwangsläufig dieser Trend dabei heraus.

Tobias Veltin: Diese überwältigende Inszenierung geht ja derzeit sogar zu Lasten der Spielmechanik. Bei so was wie Splinter Cell: Blacklistmarkierst du einfach drei Gegner und danach läuft das ja fast automatisch. Dem ersten schießt er durch den Kopf, der nächste kriegt das Messer in den Bauch, dem dritten bricht er das Genick – die Einflussnahme des Spielers ist dann häufig darauf beschränkt, einen solchen Prozess auszulösen.

Preview-Video zu Splinter Cell: Blacklist Video starten 2:58 Preview-Video zu Splinter Cell: Blacklist

Und bei Splinter Cell ist es wenigstens noch so überzogen, dass man eher denkt: »Yeah cool!« Bei The Last of Ushingegen musste ich echt schlucken. Die Gewalt darin ging richtig an die Nieren. Auch weil die Gegner hier viel menschlicher erscheinen, zum Beispiel in der Art wie sie miteinander kommunizieren.

Michael Trier: Das ist aber doch auch das, was man will. Egal, ob man nun in einen Horrorfilm geht, oder so ein Spiel einlegt, da geht es ja darum, emotional tief berührt zu werden. Es wirkt nur momentan in manchen Genres so alternativlos.

André Peschke: Auch total populär ist ja, den Terroristen aus dem mittleren Osten zum Feind zu machen. Da habe ich das Gefühl, Spiele sind in der Rolle von Filmen wie Rambo II und Konsorten, wo die USA einen unangenehmen Konflikt auf fiktiver Ebene nun wenigstens im Nachhinein gewinnen können. Bei Medal of Honor: Warfighter zum Beispiel kommt mir das immer wieder in den Sinn.

Tobias Veltin: Das Spiel ist ja auch dermaßen darauf aus, ein Call of Duty zu sein, es ist nicht mehr schön.
Michael Trier: Also, wenn du jetzt darauf hinaus willst, dass Spiele inzwischen auch eine Art gesellschaftliche Funktion der Aufarbeitung erfüllen, dass man hier sagt: »Wir fühlen uns schwach und verwundbar, als Nation und hier können wir uns mal richtig stark fühlen«, dann muss ich sagen, dass glaube ich eher nicht. Wobei ... auf eine junge, gerade heranwachsende Generation mag das vielleicht in Zukunft zutreffen.

André Peschke: Na ja, ich glaube, Spiele sind gesellschaftlich schon recht weit vorgedrungen. Aber vielleicht überschätze ich das auch. Am Ende greifen die Entwickler natürlich gern zu Stereotypen, weil sie dann nicht erklären müssen, wieso der Feind böse ist. In der Hinsicht sind arabische Terroristen die neuen Nazis. Kein Wunder, dass hier bei Call of Duty eine Wachablösung stattgefunden hat.

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