Seite 2: Was steckt hinter dem Abkommen? - Attacke auf ACTA

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Worst-Case-Szenarios

Besonders wichtig ist der Artikel 27 zur »Durchsetzung im digitalen Umfeld«. Hier findet sich der Passus: »Jede Vertragspartei ist bestrebt, Kooperationsbemühungen im Wirtschaftsleben zu fördern, die darauf gerichtet sind, Verstöße gegen Marken, Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wirksam zu bekämpfen …«

Solche Übereinkommen sind bereits jetzt gang und gäbe, Youtube etwa löscht auf Beschwerden von Rechteinhabern hin sofort die bemängelten Videos. Die unterzeichnenden Staaten sollen solche Übereinkünfte nun allerdings direkt fördern.

Das kann man dahingehend interpretieren, dass die Regierungen Internetprovider anregen sollen, mit der Film- und Musikindustrie bei Urheberrechtsverletzungen Löschungen, Sperren und Filter zu vereinbaren. Im Vertragstext wird das jedoch nicht explizit gefordert, zumal Artikel 27 gleichzeitig anmahnt, »Grundsätze wie freie Meinungsäußerung, faire Gerichtsverfahren und Schutz der Privatsphäre zu beachten.«

Die Kanzlei Ferner-Alsdorf kommt dennoch zu einem kritischen Schluss: »Im Kern steht hier: Die Bundesrepublik strengt sich an, darauf hinzuwirken, dass z.B. Provider im Sinne der Rechteinhaber ›mitarbeiten‹. Sprich: Man übt Druck aus, um ›freiwillige Vereinbarungen‹ zu treffen. Das Schöne daran ist, dass man auch mal etwas vereinbaren kann, was der Staat als Gesetz nicht durchkriegen würde.«

Wer also beispielsweise auf seinem privaten Blog bei Diensten wie Wordpress, Tumblr oder Blogspot ein urheberrechtlich geschütztes Bild ohne Zustimmung einstellt, dem könnte kommentarlos auf Betreiben des Rechteinhabers der Zugang gesperrt werden. Der Entscheidungen hierüber obläge nicht mehr staatlichen Institutionen, sondern privaten Unternehmen. Das staatliche Gewaltmonopol würde ausgehebelt, weil hierfür nicht einmal ein Gerichtsbeschluss nötig wäre.

Anti-ACTA-Demonstration in Dortmund. (Quelle: Wikipedia) Anti-ACTA-Demonstration in Dortmund. (Quelle: Wikipedia)

Doch ACTA geht im nächsten Absatz noch weiter: »Eine Vertragspartei kann in Übereinstimmung mit ihren Rechts- und Verwaltungsvorschriften ihre zuständigen Behörden dazu ermächtigen, einem Online-Diensteanbieter gegenüber anzuordnen, einem Rechteinhaber unverzüglich die nötigen Informationen zur Identifizierung eines Abonnenten offenzulegen, dessen Konto zur mutmaßlichen Rechtsverletzung genutzt wurde.«

Um das überhaupt zu gewährleisten, müssten die Internetprovider zur Vorratsdatenspeicherung greifen, damit sie im Falle einer Beschwerde die Daten über die Person an den Rechteinhaber (wohlgemerkt: nicht an staatliche Behörden wie Polizei oder Justiz!) weitergeben können. Eine umfangreiche und personenbezogene Überwachung des Datenverkehrs wäre das Ergebnis - ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre und das Fernmeldegeheimnis.

Ebenfalls umstritten ist Artikel 36, der die Berufung eines ACTA-Ausschusses vorsieht, der die »Prüfung der Umsetzung und Durchführung dieses Übereinkommens« zur Aufgabe hat. Das kann man als Schaffung eines externen, internationalen Gremiums verstehen, das abseits rechtsstaatlicher Kontrolle und parlamentarischer Einflussnahme die Einhaltung von Gesetzen kontrollieren soll. Das wäre aber eigentlich die Aufgabe von Parlament, Polizei und Gerichten.

Der »Geist« von ACTA

Eine Anti-ACTA-Aktion der Grünen vor dem Kanzleramt. Eine Anti-ACTA-Aktion der Grünen vor dem Kanzleramt.

»Könnte«, »wäre«, »würde« - der ACTA-Text schreibt fast keine konkreten Maßnahmen vor und betont immer wieder, dass alle Aktionen im Einklang mit den Gesetzen der jeweiligen Länder stehen müssen.

Es ist daher nicht das eigentliche Dokument, das den Kritikern aufstößt, sondern in erster Linie der »Geist« von ACTA: Ein im Geheimen ausgehandeltes Hinterzimmer-Abkommen mit viel Raum für Interpretationen - das wird als ebenso nebulös wie undemokratisch empfunden. Zum Verständnis wären zudem die Anmerkungen und Erläuterungen der Verfasser nötig, die aber bis heute größtenteils nicht öffentlich sind.

Der Einfluss der Lobbyisten legt zudem nahe, dass die Industrie den Staaten das Abkommen in die Blöcke diktiert hat. Die Regierungen ratifizieren nach Meinung der ACTA-Gegner einen Blankoscheck, der den Rechteinhabern einen enormen Handlungsspielraum einräumt.

Der größte Protest entzündet sich am Artikel 27, der Zensur durch die Rechteinhaber Tür und Tor öffnen könnte. Außerdem trete das Abkommen laut seinen Kritikern Persönlichkeits- und Datenschutzrechte mit Füßen, da es jeden Internetnutzer unter Generalverdacht stelle. Auch den Schutz des geistigen Eigentums sehen die Gegner als Heuchelei, weil das Abkommen nicht Urheber wie Künstler und Wissenschaftler schütze, sondern nur die Rechteverwalter, also vornehmlich Konzerne. So werden nicht diejenigen geschützt, die etwas erschaffen, sondern diejenigen, die damit Geld verdienen.

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