Watch Dogs 2 im Test - Hackerparadies mit Hindernissen

Erst zappenduster, dann knallbunt: Watch Dogs 2 schwankt zwischen Hacker-Dystopie und Tech-Satire und wird dabei keinem wirklich gerecht. Dabei verspricht das Gameplay genau das, was viele andere Ubisoft-Spiele vermissen lassen

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Hacker sind cool. Allerdings nicht mehr auf die Art, wie es im ersten Watch Dogs der Fall war: Aiden Pierce und Konsorten waren düstere Rächer, die außerhalb des Gesetzes agierten und sich mit anderen Kriminellen anlegten. Schnell war klar, mit den Datemanipulatoren ist nicht zu spaßen und im Kampf gegen das alles überwachende Datennetz ctOS ist jedes Mittel recht - auch wenn man dafür selbst die Daten der Menschen missbrauchen muss.

Während der Datenklau und die Datenschutzproblematik im ersten Teil dafür noch ausgeklammert wurden, sind sie in Watch Dogs 2 jederzeit präsent - hier hat Ubisoft die Kritik zum Vorgänger angenommen und stellt unsere vermeintliche digitale Zukunft im Griff von Technikkonzernen wie Facebook und Google sogar gleich in den Mittelpunkt. Zu einer bedrohlichen Orwell-Fantasie hat es allerdings trotzdem nicht gereicht, denn unsere Hacker sind mittlerweile keine düsteren Gesellen am Rande der Gesellschaft mehr, sondern ein quirliger Rebellentrupp der Hipster-Generation, der sich über Sabotagepläne genau so lässig unterhält wie über TV-Serien und Kinofilme. Und das ist bei weitem nicht jedermanns Sache.

PS4/PS4 Pro Unterschiede
Wir haben Watch Dogs 2 auf der PS4 getestet, aber auch auf der PS4 Pro ausprobiert. Auf der PS4 Pro gewinnt das Spiel deutlich an Schärfe. Egal ob durch die Auflösung im 4K-Modus oder die gute Kantenglättung bei der 1080p-Darstellung - das Bild wirkt klarer und sauberer als auf der Basis-PS4. Außerdem haben wir den Eindruck, dass die Framerate der Pro-Fassung deutlich stabiler ist. Open-World-Grafikmacken wie deutlich sichtbare Detail-Popups - insbesondere bei schnellen Autofahrten - treten allerdings bei beiden Versionen gleichermaßen auf. Unsere Technik-Abwertung betrifft die »normale« PlayStation 4. Pro-Besitzer denken sich die Abwertung einfach weg, für sie bekommt Watch Dogs 2 eine Wertung von 83 Punkten

Geschichte, Look, Charaktere und Atmosphäre zeichnen das Bild einer jungen und hippen Generation, die sich in den Medien bewegt, wie ein Fisch im Wasser - und überzeichnet sie ohne jede Selbstironie. Im Gegenzug werden aber auch viele aktuelle Streitfälle rund um Datenschutz und Popkultur aufs Korn genommen, Datenkrake Google wird zu »Nudle« und unser Gegenspieler ist ein in Sachen Privatsphäre skrupelloser Yoga-Hipster. Das macht es nicht ganz einfach zu sagen, was man in Watch Dogs 2 nun ernst nehmen soll und was nicht, zumal die Helden selbst nicht gerade zimperlich mit Datenschutz und -manipulationen umgehen. Wer sich daran nicht stört und sich auf die schräge Achterbahnfahrt einlässt, erlebt aber auch, wie Ubisoft es schafft, sich spielerisch endlich wieder der Formelhaftigkeit früherer Open-World-Titel zu entziehen.

Reizüberflutung ahoi!

Neuer Look, neuer Schauplatz: Der Tapetenwechsel zieht sich tatsächlich durch das ganze Spiel und schickt uns statt ins eher drückende Chicago ins fröhlich sonnige San Francisco, wo wir unsere Hackerkarriere mehr oder weniger besoffen am Strand beginnen. Wir sind Marcus Holloway, ein junger schwarzer Hacker, der vom Hackerkollektiv »Dedsec« beobachtet und schließlich in die eigenen Reihen aufgenommen wird, nachdem wir uns im Tutorial mal eben in den Server des ctOS gehackt haben. Und das muss gefeiert werden!

Das Überwachungsprogramm des Unternehmens Blume geht der Bande nämlich ziemlich gegen den Strich, weshalb man kurzerhand beschließt, dem Konzern das Handwerk zu legen. Der machte schließlich schon Aiden Pierce das Leben in Chicago schwer. Eigentlich löblich, wirklich schnell kommen wir allerdings nicht dazu, den Datendieben den Stecker zu ziehen. Es gibt einfach viel zu viel am Wegesrand zu tun.

Und das meinen wir wörtlich: Wenn wir durch San Francisco fahren, poppen jederzeit überall um uns herum Symbole auf - dagegen wirken stellenweise selbst die Karten von Assassin's Creed und Co. wie leergefegt. Wir können Skins oder Forschungspunkte finden, Taximissionen mit dem augenzwinkernden Namen »Driver: San Francisco« annehmen, Operationen im Koop spielen, shoppen gehen, Rennen fahren, Sehenswürdigkeiten besuchen (und davor Selfies schießen) und so ziemlich alles hacken, dessen Akku bei drei nicht leer ist - Handys, Ampeln, Autos und sogar Gullideckel. Hinzu kommen spezielle Multiplayer-Events wie Kopfgeldjagden oder Hackerinvasionen anderer Spieler, die ohne Vorankündigung auftauchen. Und natürlich folgen wir ganz nebenbei auch noch einigen Neben- und Hauptmissionen, wenn wir denn dazu kommen.

Watch Dogs 2 - Trailer: Jagdt auf Zodiac-Killer für Vorbesteller Video starten 1:11 Watch Dogs 2 - Trailer: Jagdt auf Zodiac-Killer für Vorbesteller

Fix aus der Formel gehackt

Erfreulicherweise entspricht aber nichts davon der mittlerweile als Ubisoft-Standard verschrieenen Open-World-Formel. Da so ziemlich alle Missionen auf das Hacken oder Fahren im Spiel ausgelegt sind, bleiben wir von Sammelaufgaben und Funkturm-Befreiungen verschont. Die sehr unterschiedlichen Aufgaben sorgen für Abwechslung, greifen aber so clever ineinander, dass sie sich nicht nutzlos anfühlen - alles ist darauf ausgelegt, uns als Hackerorganisation Dedsec zu mehr Bekanntheit zu verhelfen, gerade die Fahrmissionen ergänzen sich so wunderbar mit den Hacking-Aufträgen. Das mit der Bekanntheit ist hier tatsächlich wörtlich zu verstehen, denn unsere Erfahrungspunkte werden ganz im Stil moderner Social-Plattformen in Followern gemessen und für die legen wir uns ordentlich ins Zeug.

Das Gefühl dafür etwas abzuarbeiten hatten wir aber lediglich bei einer Nebenmission, die uns durch die ganze Stadt schickt, um Dedsec-Graffiti zu sprühen. Wir müssen dazu an immer höhere und schwerer erreichbare Orte gelangen, was nicht nur verdächtig nach gewissen Türmen klingt, sondern irgendwann auch am Geduldsfaden zehrt - so viel Aufwand sind die zugegebenermaßen coolen Bildchen einfach nicht wert.

Immerhin lohnt sich das Gekraxle aber in Zahlen: Für die Graffiti-Kletterei bekommen wir ordentlich Follower. Je mehr interessante Aktionen wir ausführen, desto mehr Leute werden Dedsec-Fans und desto größer wird unser Einfluss. Wirklich spürbar ist das allerdings nicht. Wir verdienen über die Follower zwar Forschungspunkte und schalten so über die Forschungsapp auf unserem Smartphone neue Fähigkeiten und Hacking-Optionen frei, erobern aber keine Gebiete wie einem Syndicate oder spüren die positive Stimmung uns gegenüber in Sprüchen der Passanten. Besondere Aktionen innerhalb der Hauptmissionen werden aber immerhin in Radio und Fernsehen kommentiert - oder von dem ein oder anderen Passanten auf der Straße. Zwar hätten wir uns etwas mehr Einfluss auf die Welt um uns herum gewünscht, so kommen wir aber immerhin auch nicht in Versuchung, stumpf Gebiet um Gebiet abzuarbeiten, um uns dort Narrenfreiheit zu verschaffen.

Big Brother is Watching

Narrenfreiheit brauchen wir aber auch nicht - feindlich gesinnt sind unsere Gegner nur in Sperrgebieten, in der Stadt selbst lassen uns die privaten Sicherheitsleute von ctOS oder Gangsterbanden in Ruhe. Ähnlich ergeht es uns mit der Polizei, solange niemand dort anruft und ein Verbrechen meldet oder sie uns direkt beobachtet, können wir so viel Verwüstung anrichten, wie wir wollen. Immerhin bleibt sie aber hartnäckig an uns dran, wenn sie uns mal auf dem Schirm hat, Verfolgungsjagden sorgen also durchaus für Nervenkitzel und das Entkommen ist nicht einfach.

Aber wir können es uns einfacher machen, indem wir hacken: Wie im Vorgänger haben wir die Möglichkeit, das Verkehrsnetz zu manipulieren und unsere Verfolger über Ampeln, gesprengte Gullideckel oder sogar über gekaperte Fahrzeuge in Unfälle zu verwickeln. Das macht auch im zweiten Teil großen Spaß, ist aber gar nicht so einfach, da wir auf der Playstation 4 sämtliche Hacks über die »L1«-Taste ausführen - mehr als einmal kommt es also vor, dass wir statt der Ampel ein Auto oder einen Passanten erwischen und wir statt des rettenden Verkehrsstaus plötzlich nur 36 Dollar mehr auf dem Konto haben, weil wir aus Versehen über ein Handy das Online-Banking der Person angezapft haben.

Das Hacken kann in den Missionen auch schnell fummelig werden, ist aber eben auch unser großes Ass im Ärmel. Wer es geschickt anstellt, kann wieder ganze Gebäudekomplexe infiltrieren und den Auftrag ausführen, ohne einen Fuß hinein zu setzen. Das funktioniert wie im Vorgänger über das Sicherheitssystem. Wir hacken uns in die Kameras und gelangen so immer wieder an neue Blickwinkel über die wir die Telefone von Wachmännern, Stromverteiler oder Gasleitungen manipulieren können und wahlweise für Ablenkung, einen nicht tödlichen Schock oder gleich eine Explosion sorgen.

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Des Hackers bester Freund

Einfach blind drauf loszuhacken funktioniert allerdings nicht: Wir haben über unser Botnet nur einen begrenzten Vorrat an Energie und müssen Fallen genau timen, wenn wir nicht wollen, dass das gesamte Sicherheitspersonal durch einen bewusstlosen Agenten oder eine Sprengung alarmiert wird. Übertreiben dürfen wir es außerdem auch nicht - sonst hackt das ctOS frech zurück und sperrt uns für einige Zeit den Zugang zu allen Systemen.

Oft ist es also cleverer, lautlos wie ein Geist zum Ziel zu schleichen. Hier reichen die Kameras allerdings nicht immer, denn komplexe Hackvorgänge können nur per Hand ausgeführt werden - oder per Drohne. Um Marcus nicht zu gefährden, schicken wir deshalb unsere kleinen Helfer in die Gefahrenzone. Mit Jumper oder Quadrocopter können wir das Ziel am Boden oder in der Luft per Fernsteuerung erreichen und wichtige Daten stehlen oder auch Feinde ablenken und neue Zugangspunkte freischalten. Eher selten muss Marcus tatsächlich selber ran, um etwa Akten oder Festplatten zu stehlen - dann helfen weder Drohnen noch Kameras.

Während das Hacking anfangs nur einen Klick erfordert, kommen später regelrechte Rätselpassagen hinzu, in denen wir verschiedene Knotenpunkte miteinander verknüpfen müssen. Vor allem unter Zeitdruck oder wenn ein anderer Hacker gegen uns arbeitet, kann das durchaus knifflig werden. Generell ist die Hacking-Mechanik das Herz von Watch Dogs 2. Das Zusammenspiel der Möglichkeiten macht durchweg Spaß und bietet genug Freiheit, um herumzuprobieren. In einer Mission müssen wir beispielsweise einen Truck aus einem streng bewachten Gebiet stehlen und schaffen es allein über die einzelnen Hacking-Möglichkeiten, den Wagen bequem aus dem Sperrgebiet heraus zu uns auf die Straße zu bugsieren. In solchen Momenten fühlen wir uns tatsächlich wie ein genialer Hacker, den Realismus mal beiseite gelassen.

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