Xbox Adaptive Controller - Das barrierefreie Gamepad im Praxis-Test

Mit dem Xbox Adaptive Controller will Microsoft zum Vorbild in barrierefreiem Gaming werden. Aber wie schlägt sich das Gamepad im Praxistest?

Unsere Autorin hat den Xbox Adaptive Controller auf Herz und Nieren getestet. Unsere Autorin hat den Xbox Adaptive Controller auf Herz und Nieren getestet.

Im September 2018 brachte Publisher Microsoft mit dem Xbox Adaptive Controller ein Gamepad auf den Markt, das speziell für Menschen mit eingeschränkter Mobilität entworfen wurde.

Das Gerät ist sowohl mit der Xbox One als auch mit Computern mit Windows 10 kompatibel und soll mit zusätzlichen Anschlüssen, Knöpfen und freier Tastenbelegung mobil beeinträchtigten Personen helfen, die einen herkömmlichen Controller gar nicht oder nur teilweise bedienen können.

In meinem Hardware-Test versuche ich deswegen die wichtigsten Fragen zu beantworten: Wie inklusiv ist der der Controller, von der Verpackung an bis zum Spielerlebnis? Wie vielseitig ist er? Und welche Bedeutung hat er für barrierefreies Gaming?

Zur Autorin:
Melanie Eilert beschäftigt sich mit Inklusion, Games und Musicals. Die 31-Jährige lebt mit Spinaler Muskelatrophie und cruist seit ihrem vierten Lebensjahr im elektrischen Rollstuhl durch die Welt. Auf ihrem Blog meilert.net als @melly_maeh bei Twitter spricht sie über ihre Erfahrungen als behinderte Gamerin und alle Themen rund um Inklusion.

Zielgruppe

Vor dem Test jedoch noch ein paar kurze Worte dazu, warum ich auch persönlich an dem Adaptive Controller interessiert bin: Für mich als Gamerin mit spinaler Muskelatrophie ist die Nutzung eines herkömmlichen Controllers nur bedingt möglich.

Durch die fortschreitende Muskelschwäche kann ich nur noch meine rechte Hand bewegen, auch meine Reichweite ist begrenzt.

Xbox One - Microsoft stellt Adaptive Controller für barrierefreies Gaming vor Video starten 2:46 Xbox One - Microsoft stellt Adaptive Controller für barrierefreies Gaming vor

Das bedeutet, dass ich bei herkömmlichen Controllern nur schwer beide Sticks gleichzeitig bedienen und die linken Schultertasten gar nicht drücken kann. Für Fälle wie mich und auch für noch stärker eingeschränkte Personen verspricht der Xbox Adaptive Controller neue Möglichkeiten.

Seit September kann der Adaptive Controller für knapp 89 Euro versandkostenfrei, in Deutschland exklusiv über den Online-Shop von Microsoft, erworben werden. In den USA ist er zusätzlich auch bei GameStop erhältlich.

Wohlüberlegtes Verpackungskonzept

Der Adaptive Controller wird damit beworben, bereits bei der Verpackung auf die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Personen einzugehen. Und tatsächlich lässt sich das Paket mit relativ geringem Kraftaufwand und einhändig öffnen. Auch der Adaptive Controller kann theoretisch anschließend einhändig aus der Verpackung genommen werden.

Hier stoßen manche Spieler jedoch auf ein Hindernis. Die Gruppe der Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ist sehr divers und mir war es beispielsweise nicht möglich, den Controller selbstständig auszupacken. Es fehlte schon die Kraft, um die Klebestreifen zu lösen, aber auch das Gewicht des Adaptive Controllers, insbesondere mit Verpackung, hat gegen mich gespielt.

Alle Einzelteile des Adaptive Controllers sollen so konzipiert sein, dass sie auch von mobilitätseingeschränkten Menschen problemlos aus der Packung genommen werden können. Alle Einzelteile des Adaptive Controllers sollen so konzipiert sein, dass sie auch von mobilitätseingeschränkten Menschen problemlos aus der Packung genommen werden können.

Dennoch gefällt es mir sehr gut, dass sich auch bei der Entwicklung der Verpackung Gedanken gemacht wurden. Vielen Nutzern wird das sehr viel mehr Selbständigkeit geben.

Familienähnlichkeit

Einmal ausgepackt fällt sofort auf, dass der Adaptive Controller sich vom Design her zwar nahtlos in die Xbox Familie einreiht, ansonsten aber mit herkömmlichen Gamepads nicht viel gemein hat. Ihm fehlen die ergonomisch geformten Haltegriffe, er ist sehr groß und mit ungefähr 500 Gramm ziemlich schwer. Auch die Bedienelemente sehen ungewohnt aus.

Allerdings ist der Adaptive Controller auch gar nicht dafür gedacht, in der Hand gehalten zu werden, sondern soll auf einem Tisch oder dem Schoß liegen. Außerdem kann er durch an der Unterseite integrierte Gewinde auf Stative, beispielsweise von einem Rollstuhl, geschraubt werden.

Die meisten Knöpfe und Anschlüsse befinden sich nicht auf der Vorderseite, sondern an den Seiten. Die meisten Knöpfe und Anschlüsse befinden sich nicht auf der Vorderseite, sondern an den Seiten.

Auf der Vorderseite befinden sich im Vergleich zu herkömmlichen Controllern wenig Knöpfe. Es gibt ein Steuerkreuz, die Xbox-, Options- und Fenster-Tasten, einen Knopf für die verschiedenen Controller-Profile sowie zwei sehr große Buttons, die mit A und B belegt sind.

Im Lieferumfang sind ansonsten neben dem Controller selbst nur ein USB-Kabel zum Laden und eine kurze Anleitung zur Verbindung mit der Xbox oder einem Computer enthalten.

Alles andere als angestaubt

Optisch gefällt mir das moderne und an der (weißen) Xbox orientierte Design sehr gut. Aus dem Bereich der Sondersteuerungen für Computer bin ich ein modernes und hübsches Aussehen so nicht gewohnt.

Viele Spezial-Tastaturen oder -Mäuse sehen noch heute aus wie den 70ern oder 80ern entsprungen. Es ist daher sehr erfrischend, ein spezielles Eingabegerät präsentiert zu bekommen, das nicht nach Hilfsmittel aussieht und sich so optisch gut einfügt.

Mit dem Controller allein kommt man allerdings noch nicht so richtig weit. Er muss ja schließlich auch irgendwo angeschlossen werden.

Nahaufnahme der Seite. Nahaufnahme der Seite.

Hier erklärt sich jetzt der "adaptive" Teil des Adaptive Controllers. Am oberen Rand befinden sich 19 Anschluss-Buchsen für Peripherie-Geräte mit 3,5mm-Klinkenanschluss von diversen Drittherstellern.

Vielfältige Anschlussmöglichkeiten

Diese 19 Anschlüsse entsprechen jedem einzelnen Knopf eines herkömmlichen Controllers, inklusive drücken des linken und rechten Sticks, die dank den Anschlüssen durch Peripheriegeräte ersetzt werden können. An den Seiten befindet sich außerdem je ein USB-Anschluss. Hier können HID-Geräte, wie z. B. Joysticks, angeschlossen werden und so den jeweiligen Stick simulieren.

Durch diese vielfältigen Anschlussmöglichkeiten können Menschen mit eingeschränkter Mobilität einen Controller komplett individuell nach ihren Bedürfnissen zusammenstellen.

Auch wenn es dadurch grundsätzlich möglich ist, aus dem Adaptive Controller einen vollständigen Controller zu machen, ist das für mich derzeit noch nicht nötig. Ich möchte gerne soweit es geht noch mit dem herkömmlichen Controller spielen und den Adaptive Controller nur ergänzend nutzen.

Melanie spielt in ihrem Test sowohl mit dem Adaptive- als auch mit dem Standard-Controller. Melanie spielt in ihrem Test sowohl mit dem Adaptive- als auch mit dem Standard-Controller.

Grüner Co-Pilot

Das ist durch die sogenannte Co-Pilot-Funktion auf der Xbox möglich. Die Konsole interpretiert in dem Fall zwei angeschlossene Controller, also den herkömmlichen und den Adaptive Controller, als einen.

Ich kann also ganz normal mit dem Controller spielen und mir über den Adaptive Controller als Co-Pilot die Knöpfe erreichbar machen, die ich auf dem herkömmlichen Controller nicht nutzen kann.

Während meines Tests war ich leider auf zwei Knöpfe limitiert. Um optimal spielen zu können, bräuchte ich noch ein bis zwei Knöpfe mehr, die ich jedoch dazu kaufen müsste. Um die einzelnen Knöpfe nicht für verschiedene Spiele regelmäßig umstecken zu müssen, können in der App "Xbox Zubehör" bis zu drei Controller-Profile angelegt und gespeichert werden.

Zwei in eins
Video stellt Co-Pilot-Funktion vor

Die Profile sind per Knopfdruck auf dem Adaptive Controller wechselbar. In der App kann jedem Anschluss eine andere Funktion zugewiesen werden als standardmäßig vorgesehen ist.

Nutzerprofil

Wenn an den USB-Anschlüssen Joysticks angeschlossen sind, lassen sich die außerdem in ihrer Empfindlichkeit regulieren.

Ich nutze die App regelmäßig, um auf dem herkömmlichen Controller einzustellen, ob die Sticks getauscht sein sollen oder nicht. Für den Adaptive Controller habe ich sie noch nicht richtig genutzt, da ich wenig wechseln muss.

Mit seinen diversen Anpassungsmöglichkeiten ist der Adaptive Controller für mich ein großer Gewinn an Spielqualität. Bisher habe ich für jedes einzelne Spiel systemseitig die Belegung der Knöpfe des herkömmlichen Controllers umstellen müssen.

Je nach Reichweite der spielenden Person müssen auf dem Xbox One X-Controller die Tasten bei jedem Spiel neu belegt werden. Je nach Reichweite der spielenden Person müssen auf dem Xbox One X-Controller die Tasten bei jedem Spiel neu belegt werden.

Dabei musste ich immer darauf achten, welche Knöpfe für das Spiel in diesem Moment benötigt werden, welche ich selbst erreiche und auf welche ich verzichten kann.

Wenn sich die Spielmechanik jedoch ändert, wirft das meist meine gesamte Tastenbelegung über den Haufen. Oft habe ich deshalb während des Spiels alles umgestellt, um eine Doppelbelegung zu vermeiden und die jeweilige Situation meistern zu können.

Das Ende der Doppelbelegung

Das entfällt nun. Mit dem Adaptive Controller kann ich mir beispielsweise die Trigger in Reichweite holen, ohne damit einen anderen Knopf, der vielleicht auch benötigt wird, zu blockieren. Dadurch sind Spiele, die ich bisher nur mit viel Ausprobieren und Umstellen spielen konnte, deutlich bequemer spielbar.

Der Adaptive Controller bringt mir neben neuen Möglichkeiten auch erheblich mehr Komfort. Auf dem herkömmlichen Controller fällt es mir schwer, zwei oder mehr Knöpfe gleichzeitig zu betätigen. Das wird dann zu einem Problem, wenn bei einem Spiel die Taste zum Zielen gedrückt gehalten werden muss.

Durch den Adaptive Controller kann ich mir einzelne Knöpfe statt an die Hand zu anderen Körperteilen legen, einen Knopf bediene ich so beispielsweise mit den Knien. Dadurch kann ich dort den Knopf drücken und gleichzeitig mit der Hand noch einen weiteren Button betätigen und, im oben genannten Fall, zielen und schießen gleichzeitig.

Beim Xbox Adaptive Controller können die Buttons auch auf Knöpfe gelegt werden, die zum Beispiel mit dem Knie bedient werden. Beim Xbox Adaptive Controller können die Buttons auch auf Knöpfe gelegt werden, die zum Beispiel mit dem Knie bedient werden.

Der Preis des Komforts

Die Personalisierung funktioniert also in meinem Fall reibungslos, und der Controller selbst macht meinen Spieleralltag erheblich komfortabler und einfacher. Allerdings hat der Komfort auch seinen Preis.

Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Kosten können schnell explodieren. Für die Bedürfnisse mancher Spieler ist es nicht damit getan, nur den Adaptive Controller zu kaufen, sie brauchen weitere Knöpfe oder Geräte, die ihnen bequemes Spielen oder das Spielen überhaupt möglich machen

Jeder zusätzliche Knopf muss jedoch noch extra erworben werden. In der Entwicklung des Adaptive Controllers hat man sich für die 3,5mm-Anschlüsse entschieden, da diese eine Art Standard für Peripherie im Reha-Bereich sind.

Der durchaus gute Grundgedanke war, dass mobilitätseingeschränkte Personen dann schon über für sie geeignete Knöpfe verfügen und diese am Adaptive Controller nutzen können, ohne mehr Geld ausgeben zu müssen. Das ist jedoch nicht immer die Regel.

Extra-Knopf für 50 Euro

Viele der Buttons müssen neu gekauft werden und wenn man doch über die benötigten Knöpfe verfügt, sind diese oft bereits fest an anderen Geräten wie zum Beispiel im Rollstuhl verbaut.

In meinem Fall würde das also bedeuten, dass zu den 89 Euro für den Adaptive Controller noch mindestens 130 Euro für die zusätzlichen Knöpfe hinzukommen.

Die Klinkenanschlüsse können mit neuen Geräten verbunden werden. Allerdings kosten die im Reha-Bereich oft sehr viel Geld. Die Klinkenanschlüsse können mit neuen Geräten verbunden werden. Allerdings kosten die im Reha-Bereich oft sehr viel Geld.

Das ist jedoch kein Problem der Preispolitik von Microsoft. Vielmehr sind die Preise im Reha-Bereich oft jenseits von Gut und Böse. So kann ein einzelner Knopf eines Drittherstellers, der nicht mehr als "Ein/Aus" macht, schon um die 90 Euro kosten.

Microsoft in Vorbildfunktion

Trotz dieses Hakens lohnt sich die Anschaffung des Adaptive Controllers für mobilitätseingeschränkte Personen wie mich.

Mir ermöglicht der Adaptive Controller eine größere Variation an Spielen und es steigert das Spielvergnügen enorm, wenn einfach drauf los gespielt werden kann, ohne ständig in den Einstellungen etwas anpassen zu müssen.

Ich finde es lobenswert, dass Microsoft Menschen mit Mobilitätseinschränkungen als Zielgruppe erkannt hat und bin schon sehr gespannt, in wie weit die Konkurrenz sich an diesem Vorbild orientieren wird.

Berichte zu Melanies Erfahrungen mit den einzelnen Spielen findet ihr auf ihrem Blog, meilert.net. Dort spricht sie zum Beispiel über ihre Erfahrungen mit Doom oder Deus Ex: Mankind Divided.

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