Deus Ex: Mankind Divided im Test - Freiheit, Gleichheit, Unterdrückung

Fünf lange Jahre mussten Fans von Deus Ex: Human Revolution auf einen Nachfolger warten. Im Test zu Mankind Divided zeigt sich jedoch, dass diese Geduld mehr als belohnt wird - und zwar in fast allen Bereichen.

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Das Leben steckt voller großer und kleiner Möglichkeiten: Erst gestern hätte ich mir zu meiner Pizza noch ein Stück Schokoladenkuchen bestellen können. Stattdessen fiel meine Wahl aber auf eine Extraportion Mozzarella. Schließlich macht Käse ja so ziemlich alles besser, und »zu viel« Käse gibt es bekanntlich eh nicht.

Weitaus mehr Kopfzerbrechen verlangten mir da schon die spielerischen Freiheiten ab, die Deus Ex: Mankind Divided in den vergangenen Tagen für mich bereithielt. Ob ich nun mit dem Sturmgewehr in beiden Händen durch die Cyperpunk-Welt wüte, von Schatten zu Schatten husche oder Gegner mithilfe meiner Hacking-Fähigkeiten austrickse - all das macht so viel Spaß, dass ich den »X«-Button beim Speichern und Neuladen schon fast kaputtdrücke, weil ich am liebsten alle Vorgehensweisen auf einmal ausprobieren will. Im Gegensatz zu Human Revolution stimmt Mankind Divided die unterschiedlichen Spielstile obendrein gekonnt aufeinander ab. Friedvolle Stealth-Fans müssen in Bosskämpfen nicht mehr aus ihrer Rolle fallen, während Shooter-Liebhaber dank des druckvollen Gunplays und einiger anderer Neuerungen wie den modifizierbaren Waffen ein ähnlich zufriedenstellendes Spielgefühl erwartet.

Mit zunehmender Spieldauer verstärkt die Polizei ihre Präsenz in den Straßen Prags. Mit zunehmender Spieldauer verstärkt die Polizei ihre Präsenz in den Straßen Prags.

Hat Eidos also das perfekte Wiedergutmachungsgeschenk dafür geschnürt, dass wir fünf Jahre lang auf einen neuen Deus-Ex-Ableger warten mussten? Leider nicht ganz. Denn an einer entscheidenden Stelle leistet sich Mankind Divided gleich mehrere Fehler.

Den Vorhang zu und alle Fragen offen

Ich mache es kurz und schmerzlos. Mankind Divided fehlt es an einer guten Story. Ja, mir wäre es auch am liebsten, wenn ich mich eben verschrieben hätte. Aber genau die Serie, die für viele Spieler als Synonym für so interessante wie intelligent erzählte Geschichten steht, bricht dieses Versprechen mit dem vierten Teil ein Stück weit. Dabei entwirft das Action-Rollenspiel auf dem Papier eine spannende Ausgangslage.

In Human Revolution drohte ein tiefer Riss aus Ablehnung und Misstrauen die Menschen mit mechanischen Implantaten vom Rest zu trennen. Seit dem sogenannten Aug Incident, bei dem die Augmentierten die Kontrolle über sich verloren und kurzzeitig Amok liefen, gräbt sich dieser Riss nun durch alle gesellschaftlichen Schichten. Zähneknirschendes Dulden weicht im Jahr 2029 offener Feindseligkeit, die die Bürger mit technischen Optimierungen in die systematische Unterdrückung treibt. In Mankind Divided frisst die Revolution ihre Kinder nicht, sondern kaut genüsslich auf ihnen herum, um sie anschließend in die Ecke zu rotzen. Und in Prag, dem Hauptschauplatz des Spiels, erlebe ich das aus nächster Nähe mit: Drohnen schwirren durch die Luft und scannen Passanten, schwer gepanzerte Einheiten patrouillieren durch die Straßen. An Bahnhöfen drängen Zäune und Schilder die »Clanks« zu Kontrollstellen, womit Mankind Divided vermutlich zufällige, aber dadurch nicht weniger eindringliche Parallelen zur Flüchtlingspolitik diverser europäischer Staaten zieht.

»Optis« werden unterdrückt, doch ich als Spieler bekomme das nur selten zu spüren. »Optis« werden unterdrückt, doch ich als Spieler bekomme das nur selten zu spüren.

Achtung: Die deutsche Version
Auf Wunsch könnt ihr Deus Ex: Mankind Divided natürlich mit deutschen Texten und Sprechern spielen, an dieser Stelle möchte ich euch allerdings im Zweifel davon abraten. Trotz des Day-One-Patches, der auf die Versionsnummer 1.02 hört und knapp vier Gigabyte aus den Weiten des Internets zieht, kommt es bei der deutschen Version zu ärgerlichen Fehlern. Die beziehen sich nach meinen Erfahrungen primär auf die Untertitel. In mehreren Fällen passen die Texte nicht zum Gesagten, ändern sogar den Sinn der Aussagen oder gehören schlicht zu anderen Gesprächsoptionen. Die Sprecher wiederum bemühen sich darum, Emotionen in ihre Stimmen zu legen, verfehlen damit aber gerne Mal den Ton ihres Charakters oder den der Situation.

Auf dieser Grundlage inszeniert das Action-Rollenspiel einen potenziell packenden Agenten-Thriller, der von konspirativen Treffen über tote Briefkästen bis hin zu zwielichtigen Vorgesetzten eigentlich alles bietet, was ein moderner Klassiker braucht. Hauptfigur Adam Jensen arbeitet inzwischen für die Task Force 29. Die Spezialeinheit soll dabei helfen, den Terror einzudämmen, der sich gegen Augmentierte richtet oder von ihnen ausgeht. Allerdings forscht der selbst mit zahlreichen Augmentierungen ausgestattete Ex-Cop gleichzeitig einer weltweiten Verschwörung hinterher, die vermutlich auch schon TF29 unterwandert hat. Darum versucht er als Doppelagent für eine mysteriöse Hacker-Gruppe, die Wahrheit aufzudecken.

Den Großteil seiner Handlungsfäden wirft Mankind Divided allerdings ins Leere. Gerade als die Story darauf zuläuft, Adam seinem Ziel ein gutes Stück näher zu bringen, gerade als es so scheint, als würden bedeutende Enthüllungen auf ihn zurollen – da setzt der Abspann ein, der ihn und mich als Spieler mit dem Eindruck zurücklässt, irgendwie nichts erreicht zu haben. Am besten verdeutlicht das ein Satz, den mir das Spiel am Ende vorsetzt. Da heißt es im Grunde, dass es an der Zeit sei, die Strippenzieher hinter all den Geschehnissen aufzudecken - aber das war es doch schon von Anfang an.

Zudem zeigt mir das Spiel seine Welt aus der Perspektive eines stillen Beobachters, ihre Probleme bleiben daher trotz starker Momentaufnahmen zu oft bloße Behauptungen ohne Aussage. Adam Jensen taugt nämlich nicht als Projektionsfläche für das Leid um ihn herum. Er wirkt schlicht zu distanziert, was auch daran liegt, dass das TF29-Mitglied außerhalb der Regeln agiert. Wenn ich zum Beispiel in eine Bahn für »Normalos« einsteige, fragt mich ein wütender Polizist nach meinen Papieren. Doch ansonsten laufe ich größtenteils unbehelligt durch die Stadt. Erst im letzten Drittel unternimmt das Spiel den eher mutlosen und damit inkonsequenten Versuch, mich etwas in meinen spielerischen Möglichkeiten einzuschränken, um mich auf diese Weise zum Betroffenen zu machen.

Immer wieder liefere ich mir spannende Wortgefechte - hier mit einer fanatischen Bombenbauerin. Immer wieder liefere ich mir spannende Wortgefechte - hier mit einer fanatischen Bombenbauerin.

Geschichten, die der Aug Incident schreibt

Wer wie ich eine Schwäche für storygetriebene Spiele hat, sollte den Test jetzt jedoch nicht mit einem enttäuschten Seufzen beiseitelegen. Immerhin hat Mankind Divided hier trotz alledem einiges zu bieten. Die große Bandbreite an Themen und Schicksalen, die sich aus dem Aug Incident ergeben, lagert das Spiel lediglich in seine so vielschichtigen wie gut geschriebenen Nebenaufträge aus. Unter anderem hebe ich einen Fälscherring aus, der verzweifelte »Optis« ausnimmt, und verhelfe danach einem der Opfer zur Flucht vor den Behörden.

Ein weiterer Pluspunkt: Die Sidequests stehen den Hauptaufgaben in Sachen spielerischer Freiheit in Nichts nach. In den seltensten Fällen diktieren mir Missionsbeschreibungen, was ich wie genau zu erledigen habe. Einmal soll ich etwa für eine Untergrundorganisation, die sich irgendwo zwischen Anonymous, Wikileaks und dem Kopp-Verlag einpendelt, ins Büro einer Banken-Chefin einbrechen und schmutzige Details über einen Medienkonzern beschaffen. Andernfalls könnten meine Auftraggeber den geheimen Stützpunkt meiner Einheit auffliegen lassen.

Augmentierungen gibt es für nahezu jeden Bereich des Körpers. Allerdings muss ich darauf achten, mein System durch zu viele von ihnen nicht zu überlasten. Augmentierungen gibt es für nahezu jeden Bereich des Körpers. Allerdings muss ich darauf achten, mein System durch zu viele von ihnen nicht zu überlasten.

Wer sich nicht daran stört, sprichwörtlich über Leichen zu gehen, löst das Problem bereits in diesem Moment und erledigt die Gruppe eben. Da ich Mankind Divided allerdings abschließen möchte, ohne jemanden zu töten, willige ich ein. In der Bank angekommen schaue ich mich um, zumindest so gut es geht. Natürlich ist das Bürostockwerk abgesperrt und außerdem noch schwer bewacht. Doch ein Lüftungsschacht liefert mir den ersten Hinweis auf einen der möglichen Lösungswege, denn er führt mich in den Wartungsraum hinter den Aufzügen. An der Wand entdecke ich schließlich mehrere Fernsteuerungskästen - mein Plan nimmt Gestalt an. Ich spurte in den Aufzug, aktiviere die Smart-Vision-Augmentierung, damit ich den Fernsteuerungskasten auch durch die Wand hindurch im Blick habe und weise ihn mittels Remote-Hack-Fähigkeit an, mich in den zweiten Stock zu bringen. Dort schleiche ich schnell aus dem Sichtfeld der Wachen, was sich dank des überarbeiteten Deckungssystems schön dynamisch anfühlt. Anstatt wie in Human Revolution nach links oder rechts zu hechten, bestimmte ich den Punkt, zu dem Adam auf Knopfdruck automatisch läuft, indem ich ihn zusammen mit dem Kamerawinkel bewege. Jetzt stehen nur noch zwei Wachen zwischen mir und dem Weg zum Büro. Wie ich an denen vorbeikomme? Ein Ausflug zu den Skill-Trees verrät es.

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