The Division - Das Wichtigste sind die anderen

Am Anfang verstand Dimi nicht, was an The Division so toll sein soll. Jetzt weiß er es. Doch die Antwort hat er nicht bei sich gefunden, sondern bei anderen.

Es fühlt sich an wie ein Bekenntnis in einer gar nicht so anonymen Selbsthilfegruppe: In meinen ersten Spielstunden fand ich The Division furchtbar öde. So sehr, dass ich überhaupt nicht verstehen konnte, wie die Kollegen links und rechts von mir (ja, Mirco und Johannes sitzen tatsächlich links und rechts von mir) den ganzen Tag so leidenschaftlich bei der Sache sein können. Da rufen sich die Jungs Gegnerpositionen zu, klatschen jubelnd die Hände beim ersten Purple Item zusammen und reden von morgens bis abends über ihre Erlebnisse in der Dark Zone.

Als ich mich nach Feierabend dann endlich selbst ins verwüstete New York aufmachen konnte, entstand bei mir nur Ernüchterung - das fängt schon bei der lahmen Story mit dem ganzen pseudo-abgebrühten Tom-Clancy-Gebrabbel an, das mich bereits bei Splinter Cell: Blacklist und Ghost Recon: Future Soldier so genervt hat. Aber auch der Grind wollte nicht so recht zünden: Warum brauche ich drei Magazine für einen Hinterhofschurken, der nicht mal die Pistole gerade halten kann? Und wieso soll ich mich über jedes Waffenholster freuen, das zwei Prozent mehr Schaden abwehrt? Wie kann ein Waffenholster überhaupt Schaden abwehren?

Mit diesen Eindrücken saß ich am nächsten Tag im Büro und plötzlich redeten gefühlt 20 neue Leute ebenfalls konstant über The Division. Ab diesem Moment war ich mir sicher: Irgendwas habe ich beim Spielen verpasst! Normalerweise bin ich kein Zyniker - ich kann mich je nach Situation sogar für Spider-Man 3 begeistern, obwohl es ein schlechter Film ist. Wie kann's also sein, dass meine Meinung hier so abweicht? Ich bleibe an der Sache dran, setze mich abends noch mal vor den Bildschirm. Und merke, wo mein Fehler lag: Ich habe The Division solo gespielt.

Wo entstehen die Geschichten?

Und jetzt bitte nicht schreiben: Ja Dimi, das ist ein MMO-Shooter, was bist du auch so blöd und spielst den allein?! Dass Ubisoft The Division mit Fokus auf Mehrspieler entwickelt hat, war mir schon klar. Von meinen Freunden war am Starttag schlicht keiner verfügbar. Darum geht's mir auch gar nicht. Mein Punkt ist eher, dass The Division ein extrem gutes Beispiel dafür ist, wie grundlegend sich der Eindruck von meinem Spiel ändern kann, wenn man gemeinsam mit Kumpels loszieht.

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Wenn ich ein Spiel spiele, dann will ich ein tolles Abenteuer erleben. Ich möchte, dass in meinem Kopf eine packende Geschichte entsteht über das, was ich gerade in dieser virtuellen Welt angestellt habe. Und genau hier enttäuscht mich die reine Oberfläche von The Division: Für packendes Action-Kopfkino sind die Kämpfe zu eintönig und gleichförmig. Für einen Spionagethriller ist die Story zu lahm. Und das Looten entfesselt in mir auch keine grandiose Dramatik. Die wirklich guten Geschichten von The Division verbergen sich im Koop.

Und das kennt wahrscheinlich jeder, der mal mit Kumpels eine Kampagne durchgespielt hat. Ich ziehe abends mit den Kollegen Clape (Medienproduktion), Yassin (Projektmanagement) und Stefan (Candyland) um die New Yorker Häuser - und wo ich vorher als Solist nur stupide auf einen Boss geballert habe, spreche ich jetzt mit den Männern komplizierte Flankierungsmanöver ab. Plötzlich kommen von hinten sechs Typen mit Baseballschlägern und hauen Stefan die Rübe ein. Allein hätte ich mich wahrscheinlich über den doofen Spawn geärgert, gemeinsam lachen wir laut auf, weil so ein heilloses Chaos losbricht.

Anekdoten würzen die Suppe

An anderer Stelle müssen wir uns zu viert in einem Subway-Tunnel gegen eine ganze Horde von Flammenwerfer-Feinden wehren, sind auf einmal umstellt, die Situation schaukelt sich richtig hoch. Mitten in diesem Gefecht tapsen sowohl bei Yassin als auch bei Clape die Kleinkinder ins heimische Wohnzimmer und die beiden müssen wie so viele altgediente Soldaten die Waffen niederlegen, um für ihre Familie da zu sein. Leider ist das den Flammenwerfer-Typen ziemlich wumpe und Stefan und ich nehmen heroisch die Herausforderung an, unsere beiden Kollegen bis in den Tod zu verteidigen.

Anekdoten wie diese sind für mich mit das Beste an The Division. Und das geht scheinbar nicht nur mir so - ich frage in der Redaktion nach ähnlichen Erlebnissen. Andre Peschke: »Das Lustigste gestern war eigentlich, dass ich in einen Aufzug gerannt bin und dachte, Sebastian und Julius kommen auch ohne mich klar. Die sind aber mir nachgerannt, weil sie sieben bis zehn Level unter mir waren und das Gegnerniveau sich meiner eigenen hohen Stufe angepasst hat. Das habe ich aber erst durch die sich schließende Aufzugtür gesehen und als es im Headset plötzlich hieß: Du Sack, wir werden hier umgebracht!«

The Division - Die ersten 15 Minuten Gameplay Video starten 16:02 The Division - Die ersten 15 Minuten Gameplay

Tobi Veltin: »Ich war Samariter und habe dem Kollegen Low-Level-Sandro zu seinem ersten blauen Item verholfen - auf eine ganz unkonventionelle Weise. Ich bin allein durch ein kontaminiertes Haus durch das er wegen zu geringer Filterstufe nicht durch kam, rauf aufs Dach und hab die Item-Kiste gelootet. Er teleportiert sich zu mir, macht die Kiste auf und sackt das Item ein. Dafür steht er bis an sein Lebensende in meiner Schuld

Da steckt der Zauber

Und plötzlich merke ich, dass es vor allem solche Storys sind, über die die Kollegen den ganzen Tag reden. Welche Geschichten wir in einem Spiel wirklich erleben, hat nicht immer mit der Story, dem Gameplay, der Deckungsmechanik oder dem nächsten Waffen-Upgrade zu tun. Es muss nicht mal damit zu tun haben, ob ein Spiel gut oder schlecht ist. Am Ende des Tages werden die Kollegen Mirco und Johannes The Division eine faire und kritische Wertung geben - genauso wie das alle anderen Leute hier tagtäglich bei Spielen tun.

Aber nach Feierabend sind wir alle nun mal auch von ganzem Herzen Gamer. Und da spielen die harten Fakten und die nackte Spielmechanik oft gar keine Rolle: Wenn ich mit Yassin, Clape und Stefan nach zwei Stunden diesen bescheuerten Endgegner gelegt habe, dann kann das ruhig repetitiv gewesen sein - ich fühle mich trotzdem großartig. Und noch wichtiger: Ich hatte eine bombastische Zeit.

The Division erinnert mich mit seinem Koop wieder daran, dass die eigentliche Magie beim Spielen in meiner Vorstellung stattfindet. Der heroischen Story, die nach diesen Ingame-Erlebnissen in meinem Kopf existiert, ist völlig egal, wie genau sie dahingekommen ist - Hauptsache, es fühlt sich großartig an. Bei einem Assassin's Creed 4: Black Flag mag das am Piratensetting liegen, bei Dark Souls an der irren Herausforderung, bei Star Wars: Battlefront an den atmosphärischen Soundeffekten. Und The Division schafft es mit seinem tollen Koop.

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