Fußball von gestern - Warum gibt es eigentlich kein Retro-FIFA?

Jeder FIFA-Ableger wartet mit unzähligen Lizenzen und offiziellen Namen auf, damit wir das aktuelle Geschehen nachspielen können. Aber was ist mit Paul Breitner, Preußen Münster und dem Libero?

"War damals alles besser?" "Glaube schon, ja." "War damals alles besser?" "Glaube schon, ja."

Das vergangene Jahr hat so einige Überraschungen für uns bereitgehalten, doch dass FIFA 17 einen waschechten Story-Modus spendiert bekommen hat, dürfte selbst die weltoffensten Menschen aus den Latschen gehauen haben.

Dabei ist "The Journey" vom FIFA-Gedanken gar nicht so weit weg, immerhin haben wir nun die Möglichkeit noch viel tiefer in all die lizenzierten Klubs, Stadien und Kader einzutauchen, die EA Sports jährlich aktualisiert und gewissenhaft pflegt.

Der Kick der Vergangenheit

Denn seien wir doch einmal ehrlich: Am Ende geht es in der Geschichte um den aufstrebenden Alex Hunter ja doch nur darum, das Manchester United-Emblem noch etwas öfter auf den Bildschirm zu zerren. Und daran ist ja auch nichts verkehrt, der Fußball-Zirkus lebt schließlich von der Werbung und vom Prestige.

Leider interessiert mich die aktuelle Kickerwelt aber nur bedingt, irgendwie bietet der übermenschliche Hochleistungssport kaum noch Persönlichkeiten, die sich nicht über Torstatistiken und blitzschnelle Sprints definieren.

FIFA 17 - Trailer zum Story-Modus Video starten 1:53 FIFA 17 - Trailer zum Story-Modus

Wie wäre es denn eigentlich - und jetzt kommt mein ganz persönlicher Wunschzettel -, wenn es FIFA-Ableger gäbe, die sich auf ein ganz bestimmtes Fußballjahrzehnt konzentrieren. Ja, natürlich gab es hin und wieder schon klassische Bonus-Mannschaften, deren Trikots mit den Namen der Altvorderen beflockt wurden. Aber ich will mehr, damit gebe ich mich nicht zufrieden. Ich will nicht nur die deutsche Nationalmannschaft von 1974, ich will die 1. und 2. Bundesliga von 1970 bis 1979. Mindestens.

Ich mag Lizenzen eigentlich nicht, eben weil es oft einfach nur um bloßes Namedropping geht, das den Kult um diverse Traditionsvereine weiter befeuern und die Merchandise-Einnahmen der nächsten Jahre sichern soll. Aber offizielle Namen, Trikots und Gesichter werden plötzlich spannend, wenn sie es mir ermöglichen, in eine andere Zeit einzutauchen. Stellt euch doch nur vor, regelmäßig mit Günter Netzer, Berti Vogts und Jupp Heynckes aufzulaufen, um Borussia Mönchengladbach an die Tabellenspitze zu schießen.

Wer Recken wie den Schotten Ally McCoist spielen will, muss zu alten FIFA-Versionen greifen. Wer Recken wie den Schotten Ally McCoist spielen will, muss zu alten FIFA-Versionen greifen.

Es müssen ja auch nicht die 1970er Jahre sein. Jedes Jahrzehnt hatte seine ganz eigenen Stars, Liga-Dynamiken und vor allem hatte jedes Jahrzehnt seinen ganz eigenen Fußball. Wer sich auch nur ein bisschen mit der Geschichte des Volkssports auskennt, weiß, dass Fußball eben nicht einfach nur Fußball ist, sondern seit jeher Veränderungen unterworfen ist. Wo heute gehechelt und gerannt wird, wurden die Pässe damals fast ausschließlich aus dem Stand geschlagen. Ein Retro-FIFA sähe also nicht nur anders aus, es würde sich auch ganz anders spielen.

Fußball und das ganze Drumherum

Anstatt kleiner Detailanpassungen an den Spielmechaniken würden wir einen FIFA-Ableger bekommen, der sich selbst vollkommen neu erfinden muss. Immerhin heißt es ja nicht, dass der schnelle Fußball von heute grundlegend mehr Spaß macht als die bedachten Bananenflanken von 1982.

Aber schon allein die Paarungen der 1960er Jahre würden mich auf eine ganz besondere Art glücklich machen. Wir hätten den Meidericher SV gegen Borussia Neunkirchen und es wäre ein Bundesligaspiel. In einem fiktiven FIFA 1965 gibt es dann auch keinen Schwierigkeitsgrad "Legende", sondern die ganz harten Amateur-Kicker spielen einfach mit dem SC Tasmania 1900 Berlin.

Der entscheidende Punkt kommt aber erst noch. Denn ein FIFA-Ableger, der in der Vergangenheit angelegt ist, hat etwas viel spannenderes zu bieten als Fußballer, Vereine oder antiquierte Taktiken: Fußballkultur.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber der Gedanke wirklich in eine andere Zeit einzutauchen und zu erleben, wie der Fußballsport wahrgenommen wurde und welchen Stellenwert er hatte, würde mich enorm faszinieren. Wie war der Presserummel aus? Welche Werbedeals wurden geschlossen? Darf ich meine Profis auch "Fußball ist unser Leben" im ZDF singen lassen?

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Natürlich gibt es hier ein kleines Problem, das mitten im Strafraum steht. Wer die Fußball-Vergangenheit will, bekommt auch bereits absolvierte Spielpläne und jedes Liga-Spiel, das wir starten, wäre schon im Vorfeld entschieden. Aber gibt es nicht auch hier die Möglichkeit für, sagen wir mal, alternative Zeitlinien? Vielleicht war in der Saison 1992/93 ja doch Dieter Eilts der Torschützenkönig, wer weiß das schon so genau?

Muss hier nicht irgendein Bedarf bestehen? Gibt es nicht ausreichend Fußballfanatiker, die sich die gute alte Zeit zurückwünschen? Ein FIFA-Spiel, das vor einer historischen Kulisse Fußballwelten auferstehen lässt, die längst vom Platz gegangen sind, kann doch nur ein Kassenschlager werden. Wenn ich den aufstrebenden Rudi Völler spielen darf, wie er auf dem Höhepunkt seiner Karriere von einem Holländer angespuckt wird, dann freue ich mich schon jetzt auf den Story-Modus.

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