Mafia 3 im Test - A History of Violence

Mafia 3 erweist sich im Test als ungemein zwiespältiges Erlebnis: Erzählerische Ambitionen wechseln sich ständig mit monotonem Missionsdesign und vielen Bugs ab.

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Mafia 3 im Test: großartige Inszenierung trifft auf Open-World-Fleißarbeit. Mafia 3 im Test: großartige Inszenierung trifft auf Open-World-Fleißarbeit.

Ich war noch niemals in New York. Was im echten Leben durchaus zutrifft, stimmt für meine zahlreichen Videospielabenteuer mal so gar nicht. Ob nun GTA IV, Der Pate oder Mafia 2 – gerade Open-World-Titel, die mich ins Gangster-Milieu hineinziehen, servieren mir den Big Apple (oder zumindest ein fiktives Abbild) immer wieder auf dem Silbertablett. Mafia 3 bildet endlich eine Ausnahme und sucht sich einen ungewöhnlichen Handlungsort.

Anstelle des Times Squares oder der Freiheitsstatue lädt das Erstlingswerk von Hangar 13 nach New Bordeaux: eine Südstaaten-Metropole, die sich das kulturell so vielfältige New Orleans zum Vorbild nimmt und dementsprechend die unterschiedlichsten Schauplätze bietet. Während ich im einen Moment noch die europäischen Einflüsse der Kolonialzeit an jeder Ecke der Altstadt sehe, erspähe ich im nächsten die Spuren der kreolischen Kultur im Armenviertel – oder begegne offen ausgelebtem Rassismus.

Denn Mafia 3 greift nicht nur einen ganz speziellen Ort, sondern mit den 60ern auch eine ganz spezielle Zeit auf. Das Jahrzehnt, in dem US-Präsident Kennedy und Bürgerrechtsikone Martin Luther King getötet wurden, aber auch das Jahrzehnt des Civil Rights Movements, des Protests gegen den Vietnamkrieg und der 68er-Bewegung.

Mafia 3 spricht Rassismus immer wieder an und verwendet dabei auch rassistische Beleidigungen oder eindeutige Symbole. Mafia 3 spricht Rassismus immer wieder an und verwendet dabei auch rassistische Beleidigungen oder eindeutige Symbole.

Es ist eine Zeit der Gewalt und des Umbruchs, von der Mafia 3 aus der Sicht einer schwarzen Hauptfigur erzählt. Aber so ambitioniert dieser Ansatz ist, so sehr bremsen ihn die immer selben Open-World-Einsätze und technischen Fehler aus.

Shit Goes South

Wie gleichförmig sich Mafia 3 in den kommenden 30 bis 40 Stunden spielt, zeichnet sich im Prolog aber in keiner Weise ab. Stattdessen erinnert der ans erste Mafia. Es wechseln sich spannende Story-Missionen mit fantastisch inszenierten Cutscenes und geschliffenen Dialogen ab, durch die ich die Hauptfigur Lincoln Clay und sein Umfeld kennenlerne.

Aufgewachsen in einem Waisenhaus, findet Lincoln als Jugendlicher ein Zuhause in der Familie von Sammy Robinson, der den sogenannten Black Mob in New Bordeaux anführt. Doch seinen Platz in der Welt sucht er weiterhin und so zieht es ihn in den Vietnam-Krieg. Am 20. Februar 1968 kehrt er schließlich zurück. Eine Woche später ist seine »Familie« tot. Sie fällt Sal Marcano, dem skrupellosen Don der Stadt, zum Opfer. Von nun an hat Lincoln nur noch einen Antrieb: Rache.

Wenn ich mich an Gegner heranschleiche, erledige ich sie mit einem Knopfdruck. Ob ich sie dabei töte oder nur betäube, ist meine Wahl. Wenn ich mich an Gegner heranschleiche, erledige ich sie mit einem Knopfdruck. Ob ich sie dabei töte oder nur betäube, ist meine Wahl.

Doku trifft auf Rache-Thriller

Eingerahmt wird die Geschichte des Kriegsheimkehrers von einer Dokumentation, die Jahrzehnte nach der eigentlichen Handlung ansetzt. In den Zwischensequenzen lässt Mafia 3 deshalb häufig Zeitzeugen zu Wort kommen, die die Geschehnisse um Lincoln aus ihrer Perspektive aufarbeiten. Der Kniff daran: Die Zeitzeugen wissen meist mehr als ich. Ein Umstand, mit dem Mafia 3 geschickt spielt. Ein ums andere Mal wecken die Interview-Szenen meine Neugierde, indem sie bestimmte Ereignisse vorausnehmen oder auch nur andeuten. Zum Beispiel erklärt einer von Lincolns früheren Weggefährten bereits im Intro:

"Als er aus dem Krieg heimkehrte, zog es Lincoln wieder zurück zu Sammy. Sammy schuldete der italienischen Mafia 'ne ganze Stange Geld. Und er brauchte Lincolns Hilfe. Eine Schande, was da passiert ist. Das bricht mir das Herz."

Mit wenigen Worten verleiht Mafia 3 dem Wiedersehen von Lincoln und seiner Familie einen tragischen Unterton, da ich schon ahne, dass ihr Glück nicht allzu lange andauern soll.

Einzelne Körperregionen reagieren realistisch bis überzogen auf Schüsse. Seine 18er-Freigabe trägt Mafia 3 zurecht. Einzelne Körperregionen reagieren realistisch bis überzogen auf Schüsse. Seine 18er-Freigabe trägt Mafia 3 zurecht.

Umso bedrückender ist es am Anfang, wie gekonnt das Spiel seine Figuren zeichnet. Es gibt ihnen den nötigen Raum, um ihre Beziehungen zueinander auszuleben, um miteinander zu feiern, zu lachen oder zu streiten. Auch die Schauspieler leisten große Arbeit. Sie transportieren eine ganze Bandbreite an Emotionen über ihre Stimme und Mimik sowie Gestik. Eine hochgezogene Augenbraue oder ein leerer Blick verraten in Mafia 3 schon viel.

Dass Lincoln als brutaler Antiheld keinen typischen Sympathieträger abgibt, ist da völlig egal. Die Verbundenheit, die er für seine Liebsten empfindet, seine Wut über ihren Verlust und seinen Drang nach Vergeltung – all das breitet Mafia 3 sorgsam vor mir aus. Allein dadurch wird seine Hauptfigur für mich greifbar und vor allem glaubwürdig.

In Gesichtern lassen sich zahlreiche Emotionen ablesen. In Gesichtern lassen sich zahlreiche Emotionen ablesen.

Der Plot wiederum fällt im Vergleich zur Inszenierung und Charakterzeichnung ab. Auf dem Papier spinnt Mafia 3 eine klassische Rache-Story, verlagert sie aber in eine Umgebung, in der Lincoln im wahrsten Sinne mit rassistischen Strukturen aufräumt. Im Verlauf der Handlung kämpft er etwa gegen Sklavenhändler, eine fiktive Variante des Ku Klux Klan oder tötet einen rassistischen Richter. Dieses Motiv baut Mafia 3 aber nicht weiter aus. Die im Grunde selbe Geschichte könnte dadurch überall spielen, das detailreich ausgearbeitete Szenario mit seinen vielen historischen Bezügen bleibt eine Kulisse. Und das ist schade.

Wiederholungstäter

Sich zu rächen, bedeutet für Lincoln nicht einfach, Sal Marcano nur zu töten. Er will, dass der Mafiosi dabei zusehen muss, wie er ihm alles nimmt. Und erst, wenn kein bisschen mehr davon übrig ist, lässt er ihn sterben. Dafür arbeitet sich Lincoln vom untersten Handlanger bis ganz nach oben durch, wobei ich »durcharbeiten« im Hinblick auf das Missionsdesign durchaus wörtlich meine.

Wer das Fahrgefühl zu arcadelastig findet, darf im Menü zu einem etwas simulationsähnlicherem wechseln. Wer das Fahrgefühl zu arcadelastig findet, darf im Menü zu einem etwas simulationsähnlicherem wechseln.

Um den Dunstkreis rund um Marcano aufzuwirbeln, muss ich nämlich zuerst seine Geschäftszweige zurechtstutzen. Davon gibt es pro Stadtviertel zwei Stück, insgesamt also eine ganze Menge. Das Problem: Sie unterliegen alle demselben Muster.

Bei einer Kontaktperson hole ich erste Details ein, anschließend stehen mir mehrere Ziele zur Auswahl. Dort quetsche ich Informanten aus, erledige sogenannte Vollstrecker und zerstöre oder stehle zum Beispiel manipulierte Glücksspielautomaten oder Schmuggelware. Sobald ich eine bestimmte Schadenssumme erreiche, lockt das den jeweiligen Boss des illegalen Geschäfts hervor. Habe ich mich wiederum um die Bosse eines Viertels gekümmert, ruft das letztlich die höher gestellten Capos und Lieutenants auf den Plan.

Einer der Grafikfehler, die uns auf der Xbox One untergekommen sind. Einer der Grafikfehler, die uns auf der Xbox One untergekommen sind.

Mafia 3: Fragwürdige Technik
Mafia 3 zählt nicht zu den allerschönsten Spielen. Immer wieder ploppen beispielsweise Fahrzeuge nur einige Meter vor uns auf. Auch sonst leidet das Spiel unter einer geringen Sichtweite. Und während der Farbfilter mit seinem Vintage-Look noch als Geschmackssache durchgeht, raubt der Unschärfefilter dem Spiel einfach unnötigerweise Details. Einen erheblichen Einfluss auf das Gesamterlebnis haben diese grafischen Schwächen jedoch nicht. Mafia 3 aufgrund seiner bloßen Optik abzuwerten, halten wir daher für ungerechtfertigt. Beim technischen Gesamtzustand sieht das allerdings anders aus. Auf einer PS4 produzierte das Spiel in den letzten Stunden vor dem Finale mehr als 10 Abstürze, oder wechselte munter die Tageszeiten innerhalb weniger Augenblicke. Auf einer anderen PS4 kam es hingegen zu Fehlern, durch die sich eine Mission nicht mehr lösen ließ oder Lincoln nicht mehr aus dem Auto aussteigen wollte. Erst ein Neustart der Konsole half hier. Mit ähnlichen, aber häufiger auftretenden Problemen kämpft auch die Xbox-One-Fassung. Außerdem mussten wir uns auf beiden System mit einer völlig fehlerbehafteten KI herumschlagen. Aus diesem Grund werten wir wir die PS4-Fassung um 4 Punkte und die Xbox-One-Version um 5 Punkte ab.

Zudem gibt mir Mafia 3 die heute schon fast obligatorische Wahl, ob ich schleichen oder brachial vorgehen will. Doch diese Anflüge spielerischer Freiheit verwischen irgendwann in einer Open World, die neben ihren gleichförmigen Auftragsketten kaum etwas bereithält. Meine Mühen entlohnt der dritte Mafia-Teil dafür ab und zu mit aufwendig gestalteten Missionen. Die treiben die eigentliche Geschichte voran und führen mich zu abwechslungsreichen Locations wie einem überfluteten Freizeitpark oder einem sinkenden Raddampfer. Immerhin.

Meine Mühen entlohnt der dritte Mafia-Teil dafür ab und zu mit aufwendig gestalteten Missionen. Die treiben die eigentliche Geschichte voran und führen mich zu abwechslungsreichen Locations wie einem überfluteten Freizeitpark oder einem sinkenden Raddampfer. Immerhin.

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