Seite 2: Overwatch im Test - Kriegt Overwatch die 90?

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Alles eine Frage der Perspektive

Denn wenn man gemeinsam mit fünf Freunden an den Start geht, sich abspricht und gemeinsam Siege erringt, dann brilliert Overwatch als einer der besten und motivierendsten Team-Shooter der letzten Jahre. Zu Beginn jeder Partie wählen wir aus 21 komplett unterschiedlichen Helden aus, die sich grob den Kategorien Angriff, Verteidigung, Tank und Support zuordnen lassen. Riesenritter Reinhardt geht beispielsweise mit einem gigantischen Schild an den Start und schützt alle Team-Mitglieder dahinter - wenn die nicht ungeduldig vorpreschen. Dafür hat er im Fernkampf quasi nichts zu melden.

Hier punktet dann ein Offensiv-Held wie Pharah, die mit ihrem Exoskelett über die Karte fliegt und Raketen verschießt. Ganz anders spielt sich wiederum Tracer, die dank Mini-Teleport in Windeseile durch die feindlichen Reihen warpt und auf Wunsch sogar für sich selbst die Zeit zurückdrehen kann. Das Ausprobieren und Einsetzen der Helden macht immens viel Spaß, weil sich die Fähigkeiten so drastisch unterscheiden, aber unterm Strich allesamt gut spielen.

Jeder Held kann durch die Fertigkeiten anderer Helden ausgekontert werden. Beispielsweise verfügt Soldat 76 über eine Spezialfähigkeit, die ähnlich funktioniert wie ein Aimbot in Unreal Tournament und automatisch Gegner anvisiert - da kann Tracer rumflitzen, wie sie möchte. Das Meistern von Overwatch findet auf mehreren Ebenen statt: Erst übt man mit seinem Lieblingscharakter, lernt dessen Spezialmanöver, nur um in bestimmten Situationen die Grenzen der eigenen Figur kennenzulernen. Langfristig macht man sich jedoch mit allen 21 Figuren vertraut, wechselt sie im laufenden Match durch, nutzt sie wie Waffen, um gegnerische Konstellationen auszukontern. Das Team leidet unter feindlichen Damage Dealern? Schnell zum Heiler wechseln!

Für »Casuals«?

Die nächste Hürde baut sich dann auf, wenn man beim Angriff auf Tank Reinhardt und den mobilen Geschützturm Bastion trifft - spätestens hier kann man als Solo-Spieler nichts mehr ausrichten, denn dieses Verteidigungsbollwerk schmettert jeden Frontalangriff gnadenlos ab. Hinzu kommen in solchen Momenten noch einige Unstimmigkeiten im Karten-Design - einige Nadelöhre wirken nahezu uneinnehmbar, der Sieg geht hier meist an die Verteidiger. Gerade in solchen Situationen muss das Team zusammenarbeiten. Und hier werden die meisten »Casual«-Konsumenten langfristig aussteigen.

Overwatch ist kein MOBA-Shooter! - Schluss mit Halbwissen! Video starten 3:10 Overwatch ist kein MOBA-Shooter! - Schluss mit Halbwissen!

Overwatch kränkelt unter ähnlichen Matchmaking-Problemen wie bereits Blizzards Heroes of the Storm: In öffentlichen Spielen wird man mit Leuten zusammengewürfelt, die viele Siege unmöglich machen, weil sie nicht im Team agieren. Angreifer, die mit Scharfschützin Widowmaker an der Frontlinie gegen Tanks antreten, kommen da leider häufiger vor. Aber auch abseits davon hat man mit »Randoms«, also zufällig zugewiesenen Mitspielern, in der Regel kaum eine Chance gegen ein kommunikatives Gegner-Team. Umso ärgerlicher, dass das Matchmaking das nicht berücksichtigt.

Unterm Strich sind die Helden in den richtigen Händen allerdings sehr gut ausbalanciert, sofern man von zwei eingespielten Teams ausgeht. Overwatch richtet sich (vielleicht teilweise ungewollt) vor allem an ambitionierte Spezialisten und macht auch wirklich nur denen langfristig Spaß, solange das Matchmaking nicht für Solisten optimiert wird, die sich privat kein Team zusammenstellen und lieber auf gute zufällige Zusammenstellungen verlassen.

Zuletzt: Die Trumpfkarte

Wir könnten jetzt noch über diverse Einzelteile in der Spielmaschinerie von Overwatch reden: Dass die Server bereits zum Launch sehr rund laufen, der Echtgeld-Shop zwar einen schalen Beigeschmack hat, aber zum Glück absolut optional ist. Dass die technische Performance auf PS4 und Xbox One voll in Ordnung geht, die zeitlose Comic-Grafik stilsicher ins Ziel trifft. Und dass die Entstehungsgeschichte der Waffensounds uns selbst jetzt noch zum Schmunzeln bringt.

Aber stattdessen wollen wir zum Schluss noch auf den besten Aspekt eingehen: das grandiose Spielgefühl, das bereits ab der ersten Minute punktet. Die Lernkurve bleibt angenehm niedrig - nachdem Tutorial fühlen wir uns instinktiv wohl in den Overwatch-Arenen und lernen peu á peu immer komplexere Manöver dazu. Außerdem bemüht sich das Spiel, das Team zu belohnen und nicht den einzelnen: Assists sind wichtiger als Abschüsse, am Ende wählen beide Teams übergreifend, wer die besten Aktionen hingelegt hat.

Dass so viele Spieler bereits in der Beta komplett begeistert waren, liegt an dem packenden »Flow«: Jeder Held spielt sich spannend, das Treffergefühl funktioniert, Overwatch steuert sich unheimlich griffig, egal auf welcher Plattform. Blizzard hat das Kunststück vollbracht, aus all den Einzelteilen ein Spielgefühl zu basteln, das sich direkt und befriedigend anfühlt. Oder kurz: Overwatch ist in jeder Hinsicht ein runder Shooter.

Reicht das für Platin?

Reicht das jetzt für den Platin-Award? Wir finden: Nein, nicht ganz. In den zig Partien, die wir seit Release gespielt haben, wurden wir durchweg sehr gut unterhalten. Overwatch verdient einen Gold Award, keine Frage. Aber für die 90 setzt das Spiel gerade im Vergleich zu Team Fortress 2 einfach zu wenig wirklich neue Akzente, geschweige denn Meilensteine, die für jeden eine uneingeschränkte Kaufempfehlung rechtfertigen. Die 21 Helden sind die große Leistung des Spiels und selbst gegenüber Team Fortress 2 ein hervorragender Sprung - in vielen anderen Bereichen bleibt das Spiel (und das kennen wir von Blizzard) bei Release allerdings noch zu sehr »work in progress«. Hier werden Community und Updates zeigen, was man aus der grundlegenden Mechanik alles herausholen kann.

Gegenwärtig ist es ein Spiel für Fans von Team-Shootern, bietet allerdings auch interessierten Neulingen einen fantastischen Einstiegspunkt. Wir können Overwatch allen Enthusiasten empfehlen, die sich in einer dieser beiden Gruppen wiederfinden - für den ganz großen Fang muss Blizzard allerdings noch Content nachreichen, zum Beispiel neue Karten. Dann reden wir nochmal über eine Aufwertung.

Overwatch - Einsteiger-Guide: 7 Anfänger-Tipps für den Start ins Spiel Video starten 5:08 Overwatch - Einsteiger-Guide: 7 Anfänger-Tipps für den Start ins Spiel

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