Grow Up im Test - Ubisoft in der Sequel-Falle

Mit Grow Up bringt Ubisoft das kreative Plattformer-Gameplay des Vorgängers und seinen Helden, den quirligen Roboter BUD, zurück. Der hat seit seinem letzten Abenteuer fleißig das Sequel-Einmaleins geübt und schneidet im Test gerade deshalb schlechter ab.

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Grow Up im Test. Grow Up im Test.

Ubisoft. Kein anderer Spielehersteller steht so sehr für virtuelle Welten, die nach ganz bestimmten Mustern aufgebaut und bis zum wirklich allerletzten Pixel mit Nebenaufgaben befüllt sind. Dabei existiert natürlich noch ein Ubisoft fernab von Assassin's Creed oder Far Cry. Eines, das immer wieder mit außergewöhnlichen Projekten wie beispielsweise Grow Home überrascht.

Eben diesen Titel hat sich der Publisher aber nun geschnappt, um ihn fortzusetzen – und zwar brav nach dem oftmals aufgesagten Sequel-Einmaleins: Mehr Fähigkeiten, mehr Spielzeit, mehr Open World. Dadurch quetschen die Macher den sympathisch-quirligen Plattformer zugegebenermaßen noch lange nicht in die viel zitierte Ubisoft-Formel. Trotzdem verliert sich die Faszination des Vorgängers streckenweise in den Höhen, die ich in Grow Up erklimme.

Feierabend – Das Spiel

Wenn ich die Reise in moderne Open World-Titel antreten will, muss ich mich in den meisten Fällen darauf gefasst machen, alle paar Meter von irgendwelchen Fortschrittsbalken oder Markern zu diversen Nebentätigkeiten oder Sammelgegenständen gelotst zu werden. Einerseits schicken mich Spiele so häufig auf eine Schnitzeljagd, an deren Ende ich kurzweilige Zerstreuung finde. Andererseits erinnern sie mich jedoch auch gerne mal an einen Chef, der mir permanent vorhält, was es noch alles zu erledigen gibt. Grow Home hingegen verbreitete vor rund einem Jahr bei mir eher das Gefühl, nach einem langen Tag nach Hause zu kommen, die Tasche in die Ecke zu werfen und sich in Jogginghose auf die Couch zu fläzen.

Im Vergleich zum Vorgänger fällt die Welt schlicht riesig aus. Im Vergleich zum Vorgänger fällt die Welt schlicht riesig aus.

Seinen Anfang nahm das Spiel als Tech-Demo, die letztlich von einem achtköpfigen Team bei Ubisoft Reflections zum ursprünglich nie geplanten Release begleitet wurde. Entsprechend übersichtlich fiel das erste Abenteuer des Roboters BUD aus, der im Grunde nur eine Sache machen musste, und das war klettern. Sein Raumschiff warf ihn vom All aus auf einer Insel ab, auf der er eine sogenannte Star Plant zum Blühen bringen sollte. Gelingen würde ihm das, indem ich mit ihm auf die Triebe der riesigen Pflanze kraxel und sie anschließend zu energiegeladenen Felsen manövriere. Auf diese Weise sollte ich nach und nach liebevoll gestaltete Felsplateaus erforschen, die wie die übrigen Teile der Spielwelt über- oder nebeneinander in der Luft schwebten. Dieses fast aufs Minimum heruntergedampfte Spielprinzip war unheimlich befreiend.

Es lenkte meine Aufmerksamkeit weg von irgendeinem Sammeltrieb und hin zum völlig unverbindlichen Spaß am Erkunden, der in Grow Home zusammen mit einer kindlichen Freude am Bewegen durch die Gegend stolperte. Denn BUDs Animationen wurden prozedural generiert. Der Druck auf einen Button löste also eine bestimmte Aktion wie einen Sprung aus, die Bewegung selbst war aber nicht vorgefertigt, vielmehr ergab sie sich dynamisch aus Faktoren wie der Umgebung oder der Physik. Deshalb torkelte, tappste und taumelte BUD durch das Spiel, als würde Slapstick-Legende Charlie Chaplin ihn an Fäden über eine Bühne und auch meine Mundwinkel gleich mit nach oben ziehen.

Mit einfachen Mitteln zaubert Grow Up immer wieder malerische Bilder auf euren Monitor. Mit einfachen Mitteln zaubert Grow Up immer wieder malerische Bilder auf euren Monitor.

Zudem fühlte sich das Klettern an sich ungemein befriedigend an, schließlich forderte es mich auch. Mit einem der Analog-Sticks steuerte ich je einen Arm von BUD, während ich mich mithilfe der Trigger an den verschiedensten Oberflächen festhielt. Immer und immer wieder, bis ich oben ankam. Das spielte sich anfangs ganz schön ungewohnt. Aber dafür ließ mich der Blick nach unten eben mit einem umso breiteren Grinsen zurück, weil ich wirklich etwas leisten und nicht nur durchautomastisierte Sprungpassagen abarbeiten musste.

Mehr Spiel, weniger Faszination

Auch Grow Up hält sich an diese grundlegenden Spielregeln, die es lediglich auf neue Inhalte ausweitet. Statt einer einzelnen Insel-Kette, die vom Himmel hängt, walzt die Fortsetzung einen kompletten Planeten inklusive mehrerer Klima-Zonen vor mir aus und streckt mir allgemein mehr Möglichkeiten entgegen. Genau hier liegt jedoch das Problem, da deshalb die Grundidee des Vorgängers im Laufe der rund fünf Stunden langen Kampagne zusehends zerfasert.

BUD verträgt kein Wasser. Da ist der Gleitschirm natürlich besonders nützlich. BUD verträgt kein Wasser. Da ist der Gleitschirm natürlich besonders nützlich.

Neu hinzugekommen ist zum Beispiel die Drohne POD, mit der ich den gesamten Planeten abscanne. Währenddessen erkunde ich nicht nur die gesamte Welt im Schnelldurchlauf, sondern sehe direkt, wo Teleport-Stationen, Upgrades oder für die Story relevante Objekte stecken – eigentlich nützlich, allerdings nimmt mir Grow Up so viele Gründe aus der Hand, das Spiel auf eigene Faust zu erkunden. Einige der neuen Fähigkeiten ersetzen wiederum das Klettern, ohne ein vergleichbares Erlebnis zu bieten. Das Negativbeispiel überhaupt bildet hier eine Pflanze namens Flightbulb. Die erzeugt eine Art Seifenblase, an der ich auf Wunsch gefühlt mehrere Minuten in die Höhe steige. Und da ich viele Pflanzen klonen darf, steht mir dieser "Cheat" fast überall zur Verfügung.

Natürlich könnte ich einfach auf solche Hilfsmittel verzichten. Doch dann würde sich das ohnehin repetitive Gameplay in der nun großen, weiten Welt völlig verlaufen, was doppelt unterstreicht, dass es die gar nicht gebraucht hätte. Denn damit hat Ubisoft aus dem ehemals mutigen Experiment eine ganze Versuchsreihe gemacht, die nur noch zum Teil erfolgreich ist.

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