Hitman im Test - Episode 3 - Hitman massiert Marokko

Auf nach Marrakesch! Im Test zu Episode 3 von Hitman bewahren wir Marokko vor einem gewaltsamen Putsch. Und massieren Männer.

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Unter jedem Hitman-Artikel spalten sich die Lager. Von der einen Seite ertönen die Unkenrufe: »Bescheuertes Episodenformat! Square veräppelt die Leute! Wie dreist kann man bitte sein, ein Sechstel des Spiels für ein Sechstel des Preises zu veröffentlichen?!« Und dann gibt's die Leute, die sich wirklich drauf eingelassen haben und das sechste Hitman spielen. Episode 3 fühlt sich wie ein Dankeschön an diese Spieler an, die IO Interactive schon so früh in der Entwicklung ihr Vertrauen schenken.

Denn man muss zugeben: In der allerersten Paris-Episode und den Wochen nach Veröffentlichung blieb das spannende Konzept rund um Sandbox-Level und Online-Live-Features noch eher im Prototypen-Zustand - zumindest, wenn man es mit Episode 2 vergleicht. Erst mit Sapienza und den allmählich eintreffenden Elusive Targets gelang Hitman (6) ein Qualitäts-Statement: So beeindruckenden Sandbox-Missionen gab es im Killer-Universum bisher nicht.

Episode 3 setzt das mit der Reise nach Marrakesch (oder Marrakesh oder Marrakech, je nach Wunschschreibweise) nicht nur fort, sondern zeigt auch eindrucksvoll, was IO Interactive unter der »Abwechslung« verstehen, die sind uns schon zum Jahreswechsel in einem Interview versprochen haben. Für den Episoden-Test haben wir uns vom bunten Basar über eine besetzte Schule direkt in den Massage-Sessel der schwedischen Botschaft geschlichen. Und dabei natürlich einen Haufen Leichen hinterlassen.

Marrakesch: Größer, dreckiger, tödlicher

Einen größeren Kontrast zum Urlaubsparadies Sapienza aus Episode 2 könnte es kaum geben: Marrakesch im Herzen von Marroko gleicht einem Pulverfass, ist zerrütet von inneren Spannungen, Militär patrouilliert in den Straßen, die Leute wagen vorsichtig, aber entschlossen den Protest. Und mitten in diesen Spannungen muss Agent 47 zwei Leute um die Ecke bringen.

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Der Bankier und Hobby-Schmierlappen Claus Strandberg hat sich durch unmoralische Aktionen den Zorn der marokkanischen Bevölkerung eingefangen, konnte aber in letzter Sekunde den lokalen Behörden entkommen und verkriecht sich jetzt in der schwedischen Botschaft. Draußen versammelt sich die Protestbewegung und fordert seine Übergabe - der dubiose General Reta Zaydan will das als Ursache nutzen, einen Militärputsch einzuleiten. Dazu verschanzt er sich in einer alten Schule um die Ecke. Und 47? Der mischt sich im neuen Sommeranzug unters Volk und grübelt, wie er die beiden schwerbewachten Ziele am besten ausschalten kann.

Wie schon bei Sapienza unterteilt sich auch die neue Open-World-Location Marrakesch in viele kleinere Gebiete, die stufenlos miteinander verbunden sind. Am Anfang landen wir in einem Gewimmel aus Basaren, Straßenhändlern, Cafes und Passanten - dort unbemerkt Leute auszuknocken, um an ihre Klamotten zu bekommen, wird zur größten Herausforderung. Zum Glück können wir alternativ durch diverse Läden auf Dächer schlüpfen und vielleicht dort heimlich jemanden abgreifen.

Ein Level, zig Areale

Schaffen wir es hingegen in den Schulbezirk von General Zaydan, ändert sich der Umgebungston schlagartig. Hier parken Militärfahrzeuge, zig Soldaten brüten über Besatzungsplänen, das umfunktionierte Schulgebäude gleicht einer Ruine. Wenn wir eine Offiziersuniform in die Hände bekommen, salutieren die Untergebenen vor uns - im Erdgeschoss werden heimlich Propaganda-Papiere gedruckt, anderswo verhört man eine Geisel.

In der schwedischen Botschaft kriegt man von all der Gewalt wiederum gar nichts mit. Hier treiben sich vor allem wichtige Persönlichkeiten rum, alles wirkt edel, verchromt und professionell - ein Flecken High Tech in einer Low-Tech-Welt. Und egal, wo man sich herumtreibt: Hitman bekommt überall genug Spielzeuge in die Hand, um kreative Wege ans Ziel zu erproben.

Ich spoilere hier nur mal die beiden offensichtlichsten Signature Kills, die wahrscheinlich fast jeder in seinen ersten Durchläufen angehen wird. Und die haben mit Massage zu tun:

Warnung: der folgende Absatz enthält Spoiler

Um in die Schule zu kommen, verkleiden wir uns als Propaganda-Aktivist. Denn die arbeiten in den Gassen von Marrakesch heimlich für General Zaydan, um Unruhe in den Köpfen der Leute zu säen. Wir schließen uns also einem Trupp dieser vermummten Demagogen an, während sie in der verbarrikadierten Schule neue Hass-Plakate abholen. Danach suchen wir heimlich einen Raum auf, in dem Zaydans Geisel festgehalten wird, schicken (als Offizier verkleidet) die Soldaten raus, tauschen uns selbst mit der Geisel aus und warten auf den ahnungslosen General, der uns verhöhnen will. Blöd nur, dass wir natürlich gar nicht so gefesselt sind, wie der achtlose Putschist vermutet. Nach erledigter Arbeit schleichen wir uns über die Mauer in die Botschaft und geben uns dort als Masseur aus, um den reichen Bankier in unsere Kabine zu locken. Und während wir ihm den Rücken durchwalken, erzählt er uns von seiner verschrobenen Sicht auf Moral und die Welt. Ist uns in dem Moment auch egal, denn wir brechen ihm am Ende der Behandlung schmerzlos das Genick. Mission erfüllt.

Besser als Sapienza?

Marrakesch ist eine beeindruckende neue Location, die direkt am Niveau von Sapienza anknüpft. Die Areale sind so weitläufig wie die möglichen Lösungswege, es gibt Dutzende Herausforderungen, Geheimnisse und Abkürzungen, mit denen man herumexperimentieren kann und sollte (wenn man wirklich Spaß mit Hitman haben will). Wir reden hier also von einer sehr guten dritten Episode. In einigen Aspekten behält Episode 2 aber knapp die Nase vorn - zum Beispiel in den abgedrehten Signature Kills. Die beiden Zielpersonen in Italien mit einer früh-neuzeitlichen Piratenkanone abzuschießen, hat schon extremen Schauwert. Marrakesch gibt sich hier bodenständiger, allerdings mag das auch mit dem Setting zu tun haben.

Denn - und das ist die positive Kehrseite - Episode 3 fühlt sich wirklich wie eine Abwechslung zur vorherigen Folge an. Wenn wir durch den Militärkomplex schleichen, erinnert uns das Spielgefühl eher an Splinter Cell: Blacklist als an die vorher veröffentlichten Kapitel des sechsten Hitmans. Und das ist eine tolle Sache: Wenn sich jede Location, die in der Zukunft erscheint, so einzigartig ausfällt wie Marrakesch gegenüber Sapienza, dann blicken Fans von 47 einer großartigen Zeit entgegen.

Und zum Schluss wollen wir noch auf den gegenwärtigen Stand des Gesamtprojekts Hitman eingehen: Mit dem neuesten Update feilt IO Interactive unter anderem ein wenig am Trefferfeedback der Feuerwaffen. Und das ist auch bitter nötig - das Zielen und Schießen fühlt sich nach wie vor merkwürdig ungelenk an. Daran feilt der Patch ein wenig, er sorgt aber nicht dafür, dass offene Gewalt in Hitman auf einmal wirklich Spaß macht.

Hitman - Das »Intro Pack« im Testvideo Video starten 5:08 Hitman - Das »Intro Pack« im Testvideo

Abseits davon befindet sich das Episoden-Spiel aber gegenüber der Release-Fassung auf einem guten Weg. Die Probleme mit den Item-Darstellungen im Hauptmenü gehören der Vergangenheit an, die Ladezeiten wurden verbessert und die versprochenen Elusive Targets (für deren Kill man nur einen einzigen Versuch hat) trudeln jetzt im zweiwöchentlichen Takt ein - und sie machen enorm viel Spaß. Auch die Escalation Missions erhöhen die Spielzeit durch clevere neue Aufträge, die stets einen Kniff mitbringen: Wie erledigt man zum Beispiel unbemerkt eine Zielperson mit einer gigantischen Kampfaxt, wenn man dafür die Pariser Modenschau durchqueren muss?

Klar, es bleibt noch einiges zu tun: Die Texturen laden regelmäßig bei Start der Mission zu spät, das Ladezeiten dauern unterm Strich noch immer ein wenig zu lang und hier und da stolpert man auch mal über einen Bug. Aber wenn die kommenden Episoden das Niveau der bisherigen halten und der Update-Trend so forgesetzt wird, dann kann Hitman ein richtig rundes und herausragendes Gesamtpaket werden.

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