Wenn ich “Baldur’s Gate 2” höre, habe ich sofort ein Bild vor Augen: Mein Jugendzimmer in einem schwülen Sommer Anfang der 2000er-Jahre, eine große Wasserflasche auf dem Schreibtisch. Daneben heizt der Rechner den Raum immer weiter auf, während die Spiele-Disc von früh bis spät im Laufwerk rotiert.
Dass ich mich kaum losreißen konnte, lag zum Großteil daran, dass meine erste Reise durch Faerun für mich komplett neu ausgelotet hat, was digitale Spiele alles bieten können: Companions, die ganz individuell und “fast wie echte Menschen” (so kam es mir jedenfalls damals vor) auf meine Entscheidungen reagieren? Handlungen, die knallharte Konsequenzen nach sich ziehen?
Das war eine komplett neue Erfahrung für mich, an die andere erste RPG-Playthroughs nur schwerlich rankommen. Larians Nachfolger hat es 2023 aber tatsächlich noch mal geschafft, mich auf eine ganz ähnliche Art zum Staunen zu bringen.
Jemand widerspricht mir in einem Computerspiel?! Na so was!
Als mir Baldur’s Gate 2 in die Hand gedrückt wurde, hatte ich überhaupt keine Ahnung, was mich da eigentlich erwartet. Der Titel war mein allererstes CRPG und ich hatte nur gehört, dass es ein bisschen wie Das Schwarze Auge – ein deutsches Pen & Paper-Rollenspiel – aber eben für den PC sein soll.
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Mittelfinger an die AAA-Industrie: Baldur's Gate 3 war kein Zufall
Die komplexen Menüs, die Iso-Perspektive mit den kleinen Charakteren, die in der detailreichen Welt “verschwanden" – das alles war Neuland, aber ich hatte mich im Nu daran gewöhnt. Schließlich ließ schon das schummrige, blutbesudelte Verließ, in dem meine Heldin zu Beginn aufwachte, mein Horrorherz höher schlagen. Und das sollte im Spielverlauf nicht das letzte Mal sein.
Was mir aber am deutlichsten im Kopf geblieben ist: die Aha-Erlebnisse mit meinen Companions. Bis zu dem Zeitpunkt war ich es gewohnt, dass Videospiele mich an die Hand nehmen und ich einfach ohne nachzudenken alles mache und mitnehme, was das Spiel eben so bietet.
Baldur’s Gate 2 stellte mich dagegen von Anfang an vor knifflige Entscheidungen, beispielsweise, wie ich mit meiner Mitgefangenen Imoen umgehe, nachdem wir beide aus dem Kerker entkommen sind.
Ich glaube, es passierte bereits an dieser Stelle, dass ich eine Rüge von Druidin Jaheira bekam, der mein Verhalten nicht passte. Huch! Ein Anpfiff von einer virtuellen Begleiterin? Als der erste Schreck verflogen war, fand ich es aber extrem spannend zu sehen, wie individuell die Figuren auf meine Entscheidungen reagieren.
Das heißt aber nicht, dass ich dadurch schlauer handelte …
Ich habe auf die harte Tour gelernt, dass manche Gruppenzusammenstellungen nicht ganz so gut harmonieren. Meine Haltung war damals der Inbegriff von chaotisch-neutral. Mit der neutral-bösen Drow Viconia, der neutralen Jaheira und dem neutral-guten Waldläufer Minsk als Teile meiner Party stand Dauer-Beef an der Tagesordnung.
Das ging so weit, dass Jaheira irgendwann damit drohte, mein Team zu verlassen, und ich noch dachte: “ja, ja”. Eigentlich hätte ich an der Stelle bereits wissen müssen, dass mit solchen Ansagen in BG2 nicht zu spaßen ist. Trotzdem war ich völlig baff, als sie uns auf einmal wirklich einfach hinter sich ließ, ohne noch mal zurückzuschauen!
Ich erinnere mich nicht mal mehr an die genaue Spielsituation, aber sehr wohl an das Gefühl! In dem Moment habe ich wohl erst so richtig verstanden, was Rollenspiele sind.
Baldur’s Gate 3 konnte mich noch mal verblüffen
Etwa 20 Jahre und zig RPGs und Action-RPGs später stand der Konsolen-Release von Baldur’s Gate 3 bevor und ich meldete erst mal nur sehr vorsichtiges Interesse an. Mir war klar, dass sich das Erlebnis von damals nicht replizieren lässt. Spiele hatten sich verändert, auch ich ticke inzwischen ganz anders.
Außerdem hatte ich immer wieder gehört, wie kompliziert das Spiel sei und was ich von Menüs und Systemen hörte und sah, konnte mich nicht beruhigen. Ich bin heute längst nicht mehr so geduldig.
Doch dann folgte die Überraschung: Wie schon damals war das alles völlig egal, als ich nach Faerun zurückkehrte. BG3 fesselte mich erneut sofort mit seinen spannenden Figuren und nach allem, was ich im Genre schon gesehen hatte, kam mir erneut immer wieder der Gedanke: “Wie, das geht in diesem Spiel?” Dieses Mal lag das aber an der großen spielerischen Freiheit, dynamisch reagierende Companions sind ja längst nichts Neues mehr.
Begeistert war ich beispielsweise, als ich herausgefunden habe, dass ich einen fiesen Gegner überlisten und praktisch “totquatschen” kann, statt ihn zu bekämpfen. Oder dass ich die Brücke unter einer Widersacherin einstürzen lassen kann, bevor sie Unheil anrichtet, wenn ich im richtigen Moment in den rundenbasierten Modus wechsle.
Die meisten dieser Dinge gab es womöglich auch schon ganz ähnlich in anderen Spielen, aber nicht in der Masse wie in Baldur’s Gate 3. Ich hatte einfach wieder das Gefühl, dass in Faerun einfach ALLES passieren kann. Das macht die Reihe für mich zu etwas ganz Besonderem.
Baldur's Gate 3-Themenwoche
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Habt ihr Baldur's Gate 2 damals gezockt und könnt ihr Samaras Meinung nachvollziehen?
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