Alfred Hitchcock - Vertigo Switch Test

Von ScarryNator · 14. Oktober 2022 ·
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  1. Am 27.09.22 ist Vertigo auf der Switch erschienen, ich bin durch Zufall beim Einkaufen auf das Spiel gestoßen. Da ich ja auch auf den ersten Blick ungewöhnliche Spielen eine Chance gebe, musste ich es mitnehmen. Ein Filmklassiker dient als Inspiration und wir begeben uns tief in die Psyche eines traumatisierten Autors hinein, der womöglich ein düsteres Geheimnis verbirgt. Wie gut mir die dramatische Therapiesitzung gefallen hat, das erfahrt Ihr jetzt im ausführlichen Test.



    Wie Hitchcock... nur ganz anders!


    Eigentlich ärgert mich bei diesem Spiel schon der Titel. Hitchock: Vertigo über ein Game zu schreiben, das einfach mal nicht Vertigo ist, ist schon etwas schräg. "Sehr frei nach einer Neuauflage der Neuauflage von Hitchcocks Thriller-Klassiker" könnte darüber stehen, das wäre irgendwie richtig.

    Mein erster Eindruck: Das Vertigo-Abenteuer wirkt dezent aus der Zeit gefallen, leider ohne dabei zeitlos rüberzukommen. Schon am Anfang musste ich immer wieder inne halten und die Augen rollen, weil ich das wirklich schwer ernst nehmen konnte, was mir da geboten wurde - vor allem, weil es wohl eigentlich spannend sein soll.

    Erste Szene: Rote Farbstimmung, dramatisch verschwommene Umgebung und fertig ist die psychedelische Einleitung um unsere Hauptfigur Ed Miller. Ein verzogenes Filmbild, um den Schwindel darzustellen - das Spiralen-Motiv im Film war ein Geniestreich Hitchcocks und das greift das Spiel eifrig auf.

    Unser Schriftsteller steht schon jetzt kurz vor einem Nervenzusammenbruch, denn er gibt sich die Schuld mehrerer Menschen bei einem Autounfall getötet zu haben - darunter Frau und Tochter, übertrieben schockierter Gesichtsausdruck - SCHNITT! und wir sehen eine Dame im Kino beim Popcorn-Knabbern mit einem Close-up auf ihr Gesicht. Im Hintergrund hört man den Film: natürlich Vertigo.

    Die Dame ist Psychologin und ein besonders schwerer Fall wartet auf sie: unser Ed Miller - SCHNITT! Die Frau fährt Auto. Im Voiceover: Psychologische Gespräche über den neuen Patienten, bei denen man nicht ganz sicher ist, ob Telefonat oder Erinnerung. Klingt bisher alles fast künstlerisch, aber auch ein wenig gewollt.

    In der nächsten Einstellung sind wir bei Ed, der sich nun zum ersten Mal im Gespräch präsentiert, (die alle komplett in Deutsch vertont sind). Doch eines wird schnell klar: Dieser Held ist wirklich hoffnungslos unsympathisch. Ich bin ja echt kein Unmensch. Ich habe es echt versucht, mitfühlend zu sein, aber das Einzige, das ich an unserer ätzend-arroganten "Ich bin übrigens ein melancholischer Künstler"-Hauptfigur mag, ist ihre Liebe zu Katzen. Und nein, das Verhalten liegt nicht am Trauma, unser Ed ist auch schon vorher ein Arsch.

    Eigentlich beginnt der Abstieg unserer Hauptfigur auch deutlich früher, und zwar wie der Untergang eines jeden Mannes (Falls das doch zu subtil war: das war Ironie!): mit einer geheimnisvollen Frau. Okay gut, das passt dann doch zur filmischen Vorlage von vor 60 Jahren.

    Zufällig klingelt nämlich Eds größter Fan bei ihm, angeblich ohne ihn zu erkennen, und dann wird es sehr schnell hochgradig ramontisch. Klar, der schlaue Krimi-Fan wittert eine Finte im Plot... aber warum findet Ed das alles VÖLLIG normal? Ach ja klar, eine junge Frau. Er hat das Gehirn offenbar ausgeschaltet... ich aber nicht.

    Ist die geheimnisvolle Frau wirklich, wer sie vorgab zu sein? Kannte sie Ed tatsächlich nicht? Warum war sie bei Eds Haus? Fragen über Fragen und die Saat der Neugier ist gesetzt... okay, dieser Setzling war bei mir wie ein Mammutbaum und hat voll ins schwarze getroffen. Auch wenn Ed ein absolut unsympathischer Charakter ist, wollte ich unbedingt wissen wie es weiter geht. Dann gibt es da noch das Gameplay.



    Quick-Time, Quick-Time, Quick-Time

    Im Vergleich zu den Quick-Time-Events im Spiel erscheint die Handlung nämlich fast unverkrampft. Vielleicht ist es Beschäftigungstherapie in den Story-Blöcken oder ein Stilmittel, das ich nicht verstehe, aber in Vertigo gibt es zusammenhanglose Quick-Time-Events oder Button-Mashing für so ziemlich alles. Egal, ob ihr den Kater füttert, Popcorn mampft oder euch einfach nur auf eine Couch setzen wollt, immer wieder will das Spiel die Bestätigung, dass ihr überhaupt noch an der Tastatur seid. Dafür müsst ihr nicht einmal schnell sein, sondern einfach nur Knöpfe drücken.

    Echte Quick-Time-Events, in denen ihr Entscheidungen fällen müsst, gibt es auch. Diese haben aber ein wenig das alte Telltale-Problem: Sind Entscheidungen wirklich Entscheidungen, wenn man nicht einmal Zeit hat, sich die Wahlmöglichkeiten durchzulesen und nur zufällig auf irgendwas klickt, bis die Sanduhr abläuft? Gut ganz so schlimm ist es nicht, aber man sollte schnell lesen können.

    Der kreative Pluspunkt: eine gezielte Inszenierung mit Kamerafahrten, Lichtstimmungen, Überblenden und Musik knüpft an den künstlerischen Anspruch des Suspense-Großmeisters an. Der einzigartige Comiclook gibt sich auch immerhin Mühe, den Figuren Mimik, Gestik und Details in den Gesichtern einzuhauchen - mit Betonung auf "gibt sich Mühe", denn so ganz überzeugendes Minenspiel sollte man nicht erwarten. Die leicht überzogenen Mimik-Versuche sind manchmal eher unfreiwillig komisch.


    Hat das Spiel eine Chance verdient

    Der Anfang von Vertigo eröffnet trotzdem ein grundsolides Mysterium, ein Herz für Point-and-click, Detektivspiele und Co. hilft aber, einige Ecken und Kanten zu verzeihen. Tatsächlich ist man als Krimi-Fan unter den Gamern gerne sowieso etwas genügsam.

    Irgendwie kennt man das ja aus vielen kleineren Story-Adventures: Grafisch eher ausbaufähig, leichte Längen und wenig stimmige Gameplay-Ideen, alles zugunsten der Story - als Mysterien-hungriger Hobby-Detektiv nimmt man das dann mangels neuer Alternativen in Kauf.

    Ich selbst konnte den Controller nicht aus der Hand legen, ja das Spiel hat Macken und Ecken und auch so einige Kanten. Ich wollte aber ab einem gewissen Punkt, ich glaube so nach etwa 2 Stunden, wissen wie es weiter geht. Ich wollte wissen wie die losen Story - Stränge zusammen finden, oder ob sie überhaupt zusammen finden. Eins kann ich euch sagen ja sie tun es und zwar so gut das ich das Spiel am liebsten noch einmal gespielt hätte. Denn der Spass ist nach ca. 8-9 Stunden vorbei. Für mich hat das Spiel definitiv eine Chance verdient.

    Die Switch Version schlägt sich in sachen Technik gut, was aber auch daran liegt das der Comic Look nicht all zu viel von der Hardware abverlangt. Ich habe leider kein Vergleich zu andern Systemen da ich nur die Version für die Switch besitze.

    Wenn euch die Spiele von Telltale oder Quantic Dream gefallen, könnte euch auch diese Spiel gefallen.

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