The Last Guardian im Test - Eine Hassliebe mit Happy End

Im Test zu The Last Guardian für die PS4 klären wir, warum Uedas neuestes Werk eines der meistdiskutierten Spiele des Jahres werden wird.

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Wenn mich in fünf Jahren jemand fragt, was mir von The Last Guardian für die PS4 am meisten im Gedächtnis geblieben ist, dann wird wohl wie aus der Pistole geschossen »Trico« kommen. Keine Frage, das seltsame Hund-Katze-Vogel-Mischwesen ist DIE prägende Figur in Fumito Uedas neustem Werk, das jetzt nach quälend langer Entwicklungszeit von knapp zehn Jahren endlich erscheint.

Aber ich werde mich nicht an Trico erinnern, weil er so kurios aussieht, oder so hübsche Augen hat. Nein, Trico steht für mich stellvertretend für die Hassliebe, die mich seit diesem Test mit The Last Guardian verbindet. An vielen Stellen wunderschön, wollte ich es im nächsten Moment wütend an die Wand klatschen. The Last Guardian wird deshalb garantiert zu den polarisierendsten Spielen des Jahres 2016 gehören. Verpassen solltet ihr es trotzdem nicht.

Fragen über Fragen

Die Hintergrundgeschichte des Spiels ist zu Beginn noch völlig unklar und äußerst mysteriös. Ich erwache als kleiner Junge in einer dunklen Höhle, mein ganzer Körper ist mit merkwürdigen Symbolen übersät. Neben mir der greifenähnliche Trico, wimmernd und schwer verletzt, ein halbes Dutzend Speere in seinem Körper. Nachdem die entfernt sind und ich dem Vieh zudem ein paar blau leuchtende Fässer zu fressen gegeben habe, gewinne ich langsam das Vertrauen des riesigen Tieres und gemeinsam versuchen wir, einem Gewirr aus tempelähnlichen überwucherten Bauten, gähnenden Abgründen und anderen gigantischen Bauten zu entfliehen.

Trico wirkt durch seine tollen Animationen und sein Verhalten unglaublich echt. Trico wirkt durch seine tollen Animationen und sein Verhalten unglaublich echt.

Dass mich das Spiel von Beginn an im Unklaren lässt und mir immer wieder neue Mysterien vor die Füße wirft, funktioniert dabei hervorragend. Warum verfolgen mich die unheimlichen Rüstungen mit den blauen Augen? Was hat es mit den riesigen Käfigen auf sich? Und ist Trico wirklich der letzte seiner Art, wie es anfangs den Anschein hat?

Ohne zu viel spoilern zu wollen, werden überraschend viele dieser Fragen zufriedenstellend beantwortet, die Geschichte von The Last Guardian gelangt nach etwa zehn Stunden (in normalem Tempo) zu einem guten und emotionalen Ende. Ueda-typisch lässt sich darüber hinaus noch eine ganze Menge interpretieren. Die erzählerische Wucht eines Shadow of the Colossus erreicht The Last Guardian aber nicht, auch wenn es in der zweiten Spielhälfte noch einmal deutlich anzieht, mehr erzählerisches Tempo aufnimmt und auch an Dramatik gewinnt.

Der Weg ist das Rätselziel

Spielmechanisch bewegt sich The Last Guardian irgendwo zwischen Action-Adventure und Rätselspiel. Ich muss zum Beispiel Gittertore mit Schaltern öffnen, Gefäße an Haken hängen, an Efeuranken emporkraxeln oder mit einem Spiegelschild zerbrechliche Durchgänge finden, die Trico dann mit Blitzen, die er aus seinem Schweif verschießt (ja, das kann er), in Schutt und Asche legt.

Die meist einfachen, stellenweise aber auch durchaus kniffligen Rätsel wiederholen sich über den Spielverlauf zwar mehrfach, nutzen sich aber nicht ab, da The Last Guardian sie geschickt variiert. Das Entdecken des weiteren Weges ist generell die größte Aufgabe des Spiels, das riesige Tier ist dabei elementarer Bestandteil, denn ich kann an Trico herumklettern, um zum Beispiel über seinen Kopf auf einen höhergelegenen Vorsprung zu gelangen oder mich an seinem Schwanz auf eine tiefere Etage herab zu lassen.

So ein Dickkopf!

Dafür ist allerdings eine ganze Menge Geduld erforderlich, denn Trico hat seinen eigenen Kopf. Ab etwa einem Viertel des Spiels kann ich dem Mischwesen unterschiedliche Befehle geben, wovon ich einige (Männchen machen an bestimmten Stellen) aber deutlich häufiger brauche als andere (mit den Füßen trampeln). Doch selbst wenn ich weiß, wo genau es weiter geht und ich mich auf dem Tier richtig positioniert habe, versagt das zickige Biest hin und wieder trotzdem seinen Dienst und braucht mehrere Minuten, bis es den Befehl endlich wie gewünscht ausführt.

Die Augensymbole hindern Trico am Weitergehen. Also müsst ihr sie zerstören. Die Augensymbole hindern Trico am Weitergehen. Also müsst ihr sie zerstören.

An anderer Stelle soll Trico zum Beispiel automatisch zum nächsten Vorsprung hüpfen, ich habe mich schon in seinem Gefieder festgekrallt, aber das Vieh guckt erst gemütlich nach links, dann nach rechts, kratzt sich am Hals, nur um dann nach zäher Pause endlich die Aktion auszuführen. Ungeduldige Spieler seinen an dieser Stelle gewarnt: Auf das gemächliche Tempo von The Last Guardian muss man sich definitiv einlassen.

Aber so sehr ich Trico während meines Tests oft seinen gefiederten Hals umdrehen wollte, so sehr habe ich die kuriose Tiermischung auch ins Herz geschlossen. Oft habe ich einfach ein paar Minuten damit verbracht, Trico einfach nur zuzuschauen. Die gigantische Kreatur ist nämlich fantastisch animiert und wirkt an vielen Stellen verblüffend echt. Wenn es mich neugierig anschaut und mit seinen Ohren wackelt zum Beispiel. Oder es sich im Wasser wälzt und fröhlich durch die Gegend hüpft. Oder neugierig an einem Metallkessel schnuppert und kratzt, den ich für die Lösung eines Rätsels brauche.

The Last Guardian - Neuer Trailer + Infos zur Spielzeit Video starten 2:17 The Last Guardian - Neuer Trailer & Infos zur Spielzeit

Gepaart mit den Geräuschen, die vom verletzten Jaulen beim Entfernen eines Speeres aus seinem Körper bis hin zum T-Rex-artigen Knurren reichen, haben Ueda und sein Team einen fantastischen Charakter mit virtueller Seele erschaffen, wegen dem es sich allein lohnt, The Last Guardian zu spielen. Das ging bei mir sogar so weit, dass ich ganz panisch wurde, als Trico mal nicht in meiner Nähe war - denn nur das Tier kann Gegner erledigen, der Junge selbst ist absolut hilflos.

Technisch veraltet, geniale Details

Überhaupt sind die Atmosphäre und die damit verbundenen Emotionen die größte Stärke des Spiels. Beispielsweise wird das Gefühl der Isolation, das sich wie ein roter Faden durch Uedas bisherige Spiele zieht, in den riesigen Gewölben und Bauten sehr gut vermittelt. Es gibt nur sehr reduzierten klassischen Musikeinsatz, der passt aber gerade bei den gefühlvollen und dramatischen Ereignissen in der Story auf den Punkt und kündigt teilweise schon kurz vorher einen solchen Moment an - großartig. Über allem stehen aber die übergreifenden Motive der Freundschaft und des Vertrauens.

Trico ist sehr agil, an vielen Stellen aber auch ziemlich dickköpfig und langsam. Trico ist sehr agil, an vielen Stellen aber auch ziemlich dickköpfig und langsam.

Dass The Last Guardian die vielen kleinen Momente der Aufopferung und des Verständnisses zwischen seinen Protagonisten so nebensächlich und gleichermaßen glaubwürdig ins Spiel integriert, dürfte die größte Leistung von Ueda und seinem Team sein. Der Optik merkt man dagegen ihre lange Entwicklungsgeschichte an. Ich will nicht sagen, dass mich die überwucherten und verlassenen Bauten nach zehn Stunden angeödet haben, etwas mehr Variation wäre aber trotzdem schön gewesen, auch wenn die immer wieder wunderschöne Lichtstimmung da einiges rausreißt. Außerdem gibt es einige technische Probleme, es kommt teilweise zu heftigen Clipping-Fehlern und sogar Framerate-Einbrüchen, auf der PS4 Pro läuft The Last Guardian dagegen etwas flüssiger.

Das mit Abstand nervigste Problem von The Last Guardian ist aber nicht die überholte Optik - die übrigens auch auf der PS3 schon angestaubt gewirkt hätte - sondern Steuerung und Kameraführung. Die Kontrolle des Jungen ist oft ein Graus, der Übergang vom langsamen Laufen zum schnellen Rennen passiert zum Beispiel viel zu abrupt, Sprünge von einem Seil oder einer Kette in eine andere Richtung funktionieren so gut wie nie beim ersten Versuch, weil der Junge extrem träge auf Gamepad-Befehle reagiert. Die Kamera hakt vor allem in Innenräumen extrem, wenn ich gerade an Trico herumkraxele. An einigen Stellen gibt's nicht mal freies Drehen, was immer mal wieder zu einem ungewollten und entsprechend frustrierenden Ableben führt hat. Die Checkpoints sind zwar einigermaßen fair gesetzt, teilweise muss man aber trotzdem ein paar Hindernisse erneut überwinden - das nervt.

Nach dem Durchspielen gibt es übrigens keinen wirklichen Anreiz, noch einen Durchlauf zu starten, denn die meisten Fragen sind beantwortet, auf Sammelgegenstände verzichtet der Titel bewusst. Höchstens die Trophäe für einen Durchgang unter fünf Stunden könnte den einen oder anderen reizen - für mich ist The Last Guardian aber im wahrsten Sinne des Wortes ein einmaliges Erlebnis, das in Ruhe genossen werden will.

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