Das neue Assassin's Creed braucht bessere Inhalte & keine größere Welt

Linda empfand Odysseys Open World als viel zu riesig und vollgestopft mit Aufgaben. Mit dem nächsten Assassin’s Creed sollte Ubisoft lieber auf kreative Nebenaktivitäten statt auf pure Masse setzen.

Der Nachfolger von Assassin's Creed: Odyssey braucht Klasse statt Masse. Der Nachfolger von Assassin's Creed: Odyssey braucht Klasse statt Masse.

Eine ganze Weile lang hatte ich wirklich sehr großen Spaß mit Assassin's Creed: Odyssey. Mit Spannung verfolgte ich die emotionale Hauptgeschichte, befreite Militärlager wie im Rausch und führte der Reihe nach charmante Nebenfiguren aus.

Ich liebe Odyssey, aber...

Das aktuelle AC gehört zu meinen Top-Spielen der vergangenen Dekade und ist neben AC 2 definitiv mein liebster Serienableger – Diese Kolumne ist also Meckern auf hohem Niveau. Denn wenn ich mir eines für die Reihe wünsche, dann ist es eine Open World mit vielen originellen Aufgaben, die dem Setting und Assassinen-Fähigkeiten vollkommen gerecht werden.

Nach circa 40 Stunden im Antiken Griechenland verging mir aber die Lust, weil meine ellenlange Aufgabenliste einfach nicht kleiner werden wollte. Ein Blick auf die Map zeigte mir, dass ich noch mindestens genauso viele Spielstunden vor mir hatte. Ich fühlte mich fast schon erschlagen von der Größe der Open World, von all den Gebieten, die ich noch nicht entdeckt habe und all den Quests, die dort auf mich warteten.

Demotiviert beendete ich meine Reise durchs antike Griechenland vorzeitig. Mittlerweile bin ich allerdings froh, dass ich mir nicht jede Nebenquest aufgebürdet habe. Denn im Endeffekt bin ich einer nie enden wollenden Tretmühle entkommen.

Odyssey ist groß – und belanglos

Linda nimmt Assassin's Creed: Odyssey bei aller Liebe jetzt mal ein bisschen in den Schwitzkasten. Linda nimmt Assassin's Creed: Odyssey bei aller Liebe jetzt mal ein bisschen in den Schwitzkasten.

Jage den legendären Löwen auf der nächsten Insel, finde einen versunkenen Schatz in einer Bucht, befreie das Lager im Norden. Ubisoft versteht es verdammt gut, Spieler zu in Assassin's Creed: Odyssey beschäftigen.

Beschäftigung bedeutet hier aber nicht Einzigartigkeit, sondern viel mehr Monotonie. Anstatt uns Aktivitäten erledigen zu lassen, die spielerisch einfallsreich sind wie beispielsweise die kniffligen wie kreativen Riddler-Rätsel in Batman: Arkham City, verstrickt uns Ubisoft lieber in einen Loop aus immer gleichen Aufgaben, verteilt auf 256 bis 260 Quadratkilometer Open World.

Im Laufe des Spiels jagen wir hunderte Löwen auf Inseln, bergen hunderte versunkene Schätze, befreien hunderte Militärlager, und meistens läuft alles auf einen Kampf hinaus.

In Assassin's Creed: Odyssey wollen Abertausende Lager befreit werden, spannend ist das auf Dauer nicht gerade. In Assassin's Creed: Odyssey wollen Abertausende Lager befreit werden, spannend ist das auf Dauer nicht gerade.

Weil wir hiernach immer wertvolle Belohnungen wie eine schicke neue Rüstung oder ein stärkeres Schwert erhalten, motiviert Ubisofts Aktivitäten-Karussell natürlich trotzdem. Ich selbst ließ mich ja ebenfalls mehrere Stunden davon in Beschlag nehmen.

Odyssey zu spielen, fühlte sich für mich nicht anders an, als mich nach Feierabend von einer seichten Serie berieseln zu lassen. Unterhaltung ohne jeglichen Anspruch und ohne große Emotionen. Gut zum Abschalten, gut zum Runterkommen. Bis ich mich dann irgendwann langweilte und mich selbst die mächtigste Goldaxt nicht mehr dazu bewegen konnte, mir weitere Nebenquests aufzuladen.

Linda Sprenger
@lindalomaniac

Linda ist seit dem ersten Teil großer Assassin's Creed-Fan und spielt seit dem jeden Ableger der Reihe mit großer Leidenschaft. Seit dem Release von Unity kritisiert sie allerdings mit mindestens genauso großer Leidenschaft regelmäßig Ubisofts Herangehensweise an Open Worlds. Die unbeliebten Türme und Minimaps haben die Macher schon eliminiert, und demnächst sollte es belanglosen Open World-Aktivitäten an den Kragen gehen!

Hinzu kommt, dass Odysseys Antikes Griechenland vergleichsweise leer ist. Natürlich streifen wir hier durch etliche Dörfer und Städte mit ansehnlichen Tempeln und Häfen. Athen, Kephallonia, Sparta und Co. sind allesamt wunderschön anzusehen, kommen jedoch an den Detailgrad und der Wahrzeichen-Dichte von Paris aus Unity oder London aus Syndicate einfach nicht heran.

Zumal wir in Odyssey oft nur über weite Wiesen oder durch Wälder rennen, die nur wenig spannende Entdeckungen für uns bereit halten. Das Virtuelle Griechenland ist riesig, "erschummelt" sich allerdings viel Landmasse durch weitläufige aber leblose Gebiete, die wir eigentlich gar nicht bräuchten.

Auf die Inhalte kommt es an

In Sachen Open World-Größe hat Ubisoft für die Zukunft bereits klare Vorstellungen: Yves Guillemot verriet vor einigen Wochen in einem Interview, dass Assassin's Creed wohl nie wieder so werden wird wie es früher war, die Entwickler streben noch größere Spielwelten an. Serienableger im Stile von Assassin's Creed Unity oder Syndicate, die sich auf nur eine Stadt fokussieren, können wir uns damit also abschminken.

Die Welten kommender AC-Teile sollen noch größer werden - Maps, die nur aus einer einzelnen Stadt bestehen , erwarten uns wohl nicht mehr. Die Welten kommender AC-Teile sollen noch größer werden - Maps, die nur aus einer einzelnen Stadt bestehen , erwarten uns wohl nicht mehr.

Doch wem nützt eine riesige Spielwelt, wenn deren Inhalte belanglos sind? Die Größe einer Open World ist nicht entscheidend, erläutert Kollege Tobi wunderbar in seiner Kolumne. Für einen kommenden Assassin's Creed-Ableger wünsche ich mir deshalb am liebsten eine überschaubare Welt zurück. Gefüllt mit spannenden Orten und Geschichten. Und mit weniger Nebenaufträgen, die dafür bedeutungsvoll sind.

Ich möchte mich Aufgaben stellen, die mich spielerisch auf die Probe stellen, die mehr sind als nur reines Kämpfen oder Suchen verschwundener Gegenstände.

Ich will spielerisch gefordert werden

Dabei bietet Odyssey ja durchaus gute Ansätze. Im Laufe des Abenteuers müssen wir beispielsweise 20 Gräber erforschen, die meistens nur kleinere Schieberätsel für uns bereit halten. Das könnten die Entwickler in einem neuen Assassin's Creed-Spiel weiter ausbauen, indem sie uns vor knifflige Kopfnüsse stellen.

Klettern spielt in Assassin's Creed eine mindestens genauso große Rolle wie das Kämpfen. Warum gibt es also nicht mehr Gräber im Stile Tomb Raider von Crystal Dynamics, die clevere Puzzles mit halsbrecherischen Kraxeleinlagen kombinieren?

Die Gräber in Shadow of the Tomb Raider leben von einem unterhaltsamen Mix aus Puzzles und Kletterei. Die Gräber in Shadow of the Tomb Raider leben von einem unterhaltsamen Mix aus Puzzles und Kletterei.

Und apropos Kämpfen: Warum müssen es denn primär immer nur Lagerbefreiungen sein, die unsere Meuchelmörder- (oder Spartaner)-Fähigkeiten auf die Probe stellen? Wie wäre es stattdessen mit mehr komplexen Assassinen-Aufträgen, die Geduld und jede Menge Planungsgeschick erfordern?

Odyssey hat hier mit dem Kultistensystem schon den richtigen Riecher. Hier müssen wir der Reihe nach meistens einzelne Persönlichkeiten zur Strecke bringen, entweder indem wir uns einfach wild in den Kampf stürzen, oder indem wir vorher einen Plan schmieden.

Unitys Attentatsmissionen sind da allerdings um einiges pfiffiger. Ihr Ablauf erinnerte fast schon Hitman. Ungestümes Vorgehen beim Meucheln zog hier wesentlich härtere Strafen nach sich als im Spartaner-Abenteuer. Und schließlich war Köpfchen war gefragt: Vergiften oder erschießen? Von einem Kirchturm auf das Ziel herabstürzen oder sich lieber Weg durch eine Menschenmenge bahnen? Genau das ließe sich in einem neuen Serienteil doch wunderbar auf Nebenaufträge ummünzen, und jeder davon würde sich im besten Falle komplett anders spielen.

Wer in Assassin's Creed Unity planlos drauflos meuchelte, zog hier oft den Kürzeren. Wer in Assassin's Creed Unity planlos drauflos meuchelte, zog hier oft den Kürzeren.

Wenn Ubisoft in Zukunft schon auf weiter wachsende Open Worlds setzt, dann hoffe ich zumindest, dass ein kommendes Assassin's Creed spielerisch mehr Kreativität und Komplexität bieten wird. Immerhin: Mit dem Level-Editor können wir uns in Odyssey eigene Quests bauen, womit das Action-Adventure zumindest dank eines separaten Modus mehr Spieltiefe bietet als das eigentliche Abenteuer in Griechenland.

Für die Zukunft fordere ich aber mehr originelle Ideen innerhalb der Open World. Ich fordere Nebenaktivitäten, die die ewige Tretmühle brechen. Die mehr als nur eine Fleißarbeit sind. Und wenn ich neben der Hauptgeschichte das Richtige zu tun bekomme, dann könnte ich mich vielleicht sogar wieder mit gigantischen Spielwelten anfreunden. Zumindest hätte ich dann das Gefühl, keine Zeit verschwendet, sondern hunderte von Spielstunden sinnvoll investiert zu haben.

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