Als Videospieler der ersten Stunde regt mich so leicht nichts mehr auf. Im Gegenteil: Ich verfolge belustigt endlose, kreisförmige Diskussionen und lache mich über Auflösungsfetischisten kaputt, die behaupten, den Unterschied zwischen 1080p und 900p auf ihrem 32-Zoll-Fernseher deutlich sehen zu können.
Obendrein habe ich gelernt, dass es sinnvoller ist, Wasser beim Verdunsten zuzusehen, als eine ernsthafte Diskussion im Internet führen zu wollen. Diese Grundentspanntheit habe ich mir in knapp 35 Jahren als aktiver Videospieler hart erarbeitet und meine Schlüsse daraus gezogen. Seht es ein, Leute: Die Industrie lügt uns oftmals die Hucke voll, und das nicht erst seit dem Witcher-Grafik-Downgrade-Blödsinn.
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Der Autor
Henry Ernst war über zehn Jahre Redakteur bei der GamePro, seine Testcheck-Videos genießen Kultstatus. Henry lebt in Berlin und schreibt weiterhin regelmäßig für die GamePro - zum Beispiel seine Mal-Ernsthaft-Kolumne, on der er sich mit Themen auseinander setzt, die ihn aktuell bewegen. Wie immer, ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem ich zum ersten Mal einer Videospiel-Lüge aufgesessen bin. Es war der 24.12.1982, der Tag, an dem ich mein CBS ColecoVision bekam. Diese Konsole galt seinerzeit als stärkstes System und war (im Vergleich mit dem müden VCS 2600) in der Lage, durchaus ansehnliche Grafik auf den Bildschirm zu zaubern. Jedem Gerät war damals ein Donkey-Kong-Modul beigelegt, von dem die Fernsehwerbung behauptete, dass es sei (O-Ton) »wie in der Arcade«.
Ich kannte den Donkey-Kong-Automaten aus unzähligen Stunden, die ich als Zwerg in der örtlichen Pommesbude verbracht hatte, um »den Großen« beim Spielen zuzuschauen. Die von meinen Eltern an das Geschenk geknüpften Bedingungen hatte ich ebenfalls erfüllt: Es galt, gute Zensuren nach Hause zu bringen und das Kornfeld hinter dem Haus nicht wieder abzufackeln (andere Geschichte).
Donkey-Downgrade
Nach der Bescherung stöpselte mein Vater die Konsole an unseren Fernseher und ich war der glücklichste kleine pummelige Henry aller Zeiten … bis ich wirklich damit anfing, Donkey Kong zu spielen und bereits in den ersten Sekunden bemerkte, dass hier etwas nicht stimmte. Die Flugbahnen der Fässer waren anders als beim Vorbild, in einem Spielabschnitt fehlten die Sprungfedern und obendrein sogar ein ganzer Spielbildschirm. Und jetzt kommt's: Anstatt mich darüber zu ärgern, fing ich an zu heulen, weil ich dachte, mein Modul sei kaputt.
Leider war dem nicht so, und als ich meinem Vater mit laufender Nase erklären wollte, dass »die im Fernsehen« aber gesagt haben, es sei genauso wie der Automat, winkte er ab und sagte: »Reklame (anderes Wort für Werbung) ist meistens gelogen.« Seit diesem Tag betrachte ich so ziemlich alles in Bezug auf Videospiele mit einer gesunden Skepsis, deswegen werde ich auch selten enttäuscht. Zumal die meisten »Skandale« sich ständig wiederholen.
Aufgehübschte Screenshots? Gab es schon zu Modulzeiten. Sexismus in Videospielen? Gibt's auch schon über 30 Jahre. Konsolen- oder Systemkriege? Gab's wahrscheinlich schon in der Steinzeit. Trotzdem finde ich es bedauerlich, dass diese ollen Kamellen wieder und wieder aufgekocht, aber niemals aufgelöst werden, um wirklich interessanten Themen Platz zu machen.
YouTube-Kanal
Mehr von Henry findet ihr auf seinem YouTube-Kanal Mal Ernsthaft
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vom 31.07.2015, 19:12 Uhr
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vom 31.07.2015, 17:20 Uhr
@ Kai und Henry
Ihr habt natürlich Recht, eine Kolumne soll gerade kurz sein. Aber eben auch entsprechend prägnant. Das kam in meinem Kommentar aber vermutlich negativer rüber, als es gemeint war.
Ich finde es gut, dass ihr Kolumnen bringt und würde mir sogar mehr davon wünschen. In diesem Sinne, euch und allen anderen ein schönes Wochenende!
vom 31.07.2015, 14:44 Uhr
Wie mir mein Hirn einfach den ganzen Text mit Henrys Stimme und Betonungen vorliest....zu geil!
vom 31.07.2015, 14:20 Uhr
Wenn Du das nicht möchtest solltest du evtl. nicht mehr solche Kolumnen schreiben bei denen du ein Problem auf den kleinsten Nenner herunter brichst um damit jedes Ausmaß des Problems zu relativieren.
Denn das erinnert eher an inhaltsleeres Stammtischgerede als an eine vernünftige Ausernandersetzung des Problems.
vom 31.07.2015, 13:35 Uhr
Ich verfolge dieses Nichtverstehen des Kolumnenprinzips nun schon eine ganze Weile und bin recht sprachlos. Bitte, liebe Leute: Schlagt doch einfach mal auf Wikipedia nach, was eine Kolumne ist und wie sie sich von anderen Artikelarten unterscheidet.
Henrys Vorschlag mit der Leseanleitung war auch nicht schlecht. Besteht Interesse an so etwas? (Man denke sich an dieser Stelle einen Smiley)
vom 31.07.2015, 13:20 Uhr
Also, es handelt sich hierbei um eine subjektive Kolumne, ein Erlebnis aus meiner Kindheit. Natürlich ist die Feststellung "Werbung lügt" weder neu noch kontrovers. Allerdings müssen Kolumnen auch nicht zwangsläufig kontrovers sein. Mir ging es darum zu erzählen, wie das bei mir damals war. Natürlich darf man das Schwachsinnig finden und für Experten wie Kn8ck werde ich demnächst auch noch eine Leseanleitung beilegen, dennoch möchte ich mir nicht vorwerfen lassen, ich wäre blind für meine Umwelt. Und ob ein Mensch, der aus einer reinen Unterhaltungsgeschichte so tiefschürfende Rückschlüsse auf den Verfasser zu ziehen vermag wirklich zu den Sehenden gehört, liegt sicher im Auge des Betrachters.
vom 31.07.2015, 12:02 Uhr
Ein 2x3cm großer Screenshot ist für dich also das Gleiche wie eine mehrere Jahre anhaltende und millionen Dollar schwere Werbekampagne?
Genau so eine bekloppte Logik wie vom Kolumnisten....
Bricht man alles auf den kleinsten gemeinsamen Nenner runter ohne Diesem eine Gewichtung zu verleihen kann man sich alles schön reden.
-Amokläufe an Schulen... gabs auch schon vor 20 Jahren (egal dass es immer mehr werden)
-BurnOuts durch Überarbeitung und steigendem Druck der Gesellschaft.. gabs auch schon vor 20 Jahren (egal dass es immer mehr trifft und schlimmer wird)
- usw. usf.
Mit solch einer Einstellung gibt man offen zu, dass man eigentlich Blind ist für seine Umwelt.
vom 31.07.2015, 11:28 Uhr
ja freilich ..werbung is halt werbung ..aber weil es zu einem gewissen grad überall gemacht wird muss man es ja nicht akzeptieren ^^ bei lebensmitteln wird ja auch andauern ei nfass auf gemacht wenn was nicht ganz so stimmt wie angegeben
und gerade in der spielebranche ist es die lezten jahre schon teilweise recht übertrieben worden.. siehe zetts kommentar
vom 31.07.2015, 11:16 Uhr
Dann sieh dir z.B. mal die Screenshots auf der Packungsrückseite von Command & Conquer Tiberian Sun an. Die waren gnadenlos geschönt und in dieser Qualität nie im Spiel zu sehen.
Das war anno '98. Soviel also dazu...
vom 31.07.2015, 11:12 Uhr
Stimmt, Konsolenkrieg gab es auch zu meiner Anfängerzeit.
NES & Mastersystem oder N64 & Playstation... Kann mich noch gut erinnern, dass jeder das bessere Gerät daheim hatte.
Nur früher war der Konsolenkrieg lokal unter Freunden.
Alle waren halt der Meinung, dass der eigene Kasten der bessere war und wenn das Thema ausdiskutiert war hat man sich zusammen gesetzt und auf den Konsolen gezockt.
Heut treffen die Leute in Foren aufeinander, Fremde die sich nicht kennen und auch hier ist jeder der Meinung, dass die eigene Konsole die bessere ist.
Und eben weil die sich nicht kennen habe ich schon Texte gelesen, die bezogen auf das Thema schon krass sind.
Ich meine wenn die sich schon echt an die Wäsche wollen...
Und zwar nicht so wie es bei Mann und Frau üblich ist :-)
Ich finde das ziemlich überzogen und wegen ein paar Konzernmarken so einen Aufriss zu machen...
Und das allgemein in der Industrie Produkte geschönt werden, dass sie sich besser verkaufen sollte doch jedem klar sein.
Bestes Beispiel sind Schokoladen mit Vitaminzusätzen...
So eine Kalorienbombe ist mit eben diesen Vitaminbomben viel Gesünder als ohne, drum werden die Kinder hier alle immer dicker!!!
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