Spiele-Mythen entlarvt - Bringt Modulpusten wirklich etwas?

Videospielmodule wirken heute wie ein Relikt aus der Vergangenheit. Doch die Erinnerung an sie ist noch sehr lebendig. Vor allem an das Pusten in Game-Boy-, NES- und Mega-Drive-Kassetten, die den Dienst verweigerten. Doch hat das überhaupt etwas gebracht?

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Spiel läuft nicht? Kräftig reinpusten! Wir klären, ob das wirklich stimmt. Spiel läuft nicht? Kräftig reinpusten! Wir klären, ob das wirklich stimmt.

Es gibt Rituale, die einfach jeder kennt. Nimmt ein Automat eine Münze nicht an, dann wird sie kräftig an der Metalloberfläche gerubbelt. Meist dort, wo das sichtlich schon Hunderte Leute vorher getan haben. Wenn der Fahrstuhl nicht kommt oder das Signal an der Fußgängerampel? Dann wird auf die Taste gehämmert.

Funktioniert der Rechner nicht richtig? An- und wieder ausschalten. Ob's was bringt? Eine gute Frage, die kaum einer stellt oder genau zu beantworten weiß. Genauso ist's auch bei einem Ritual, das vor allem viele der heute schon … sagen wir, reiferen Gamer durch ihre Jugend begleitete - und heute noch ein fester Teil der Gaming- und Popkultur ist. Nämlich das Modulpusten!

Wollte in der Zeit von Nintendo Entertainment System, Super Nintendo, Sega Mega Drive, N64 und Game Boy ein Spielmodul nach dem Einstecken nicht gleich laden, wurde einfach kräftig über den Schlitz mit den Steckverbindungen gepustet. Irgendwie lief es dann immer.

Spiele-Mythen entlarvt
Hier die bisherigen Teile der GameStar Plus-Reihe, in der wir mal mehr, mal weniger bekannten Spielemythen auf den Grund gehen. Denn in jeder Legende steckt immer auch ein Körnchen Wahrheit.
Mythos Sonic 3 - Hat Michael Jackson am Jump&Run mitgearbeitet?
Mythos erstes Videospiel - Pong war nur geklaut
Mythos Pokémon-Selbstmorde - Gibt es einen Taschenmonster-Fluch?
Mythos Evermore - Das dunkle Geheimnis des NES-Rollenspiels
Mythos Super Mario Bros. 3 - Ist der Jump&Run-Klassiker nur ein Theaterstück?
Mythos viereckige Augen - Schaden Videospiele unserem Sehvermögen?
Mythos Saddam Hussein - Baute er einen Supercomputer aus PS2-Konsolen?
Mythos Modulpusten - Bringt das Anpusten von Uraltspielen wirklich etwas?
Mythos Killswitch - Das Spiel, das sich selbst zerstörte
Mythos Nude Raider - Gab es einen Nackt-Cheat für Tomb Raider?
Mythos Polybius - Der Automat, der Menschen tötete

Mein Freund, das Modul

Heutzutage sind sie selten, die sogenannten ROM-Cartridges oder Steckmodule. Auch wirken sie gegenüber DVDs, Blu-rays, dem Download auf die Festplatte oder gar Streaming regelrecht anachronistisch. Doch als in den 1970ern Videospielkonsolen wie das Fairchild Channel F, der Atari 2600 und in den 1980ern das Nintendo Entertainment System erschienen, waren sie die perfekte (und einzig wirklich praktikable) Methode, schnelle Videospiele-Unterhaltung in die Wohnzimmer zu bringen.

Das Pusten in die Module oder gar auf die Steckplätze der Konsole bringt nichts. Stattdessen ist es das pure Ein- und Ausstecken, das alte Cartridges wieder zum Laufen bringt. Das Pusten in die Module oder gar auf die Steckplätze der Konsole bringt nichts. Stattdessen ist es das pure Ein- und Ausstecken, das alte Cartridges wieder zum Laufen bringt.

Das Spiel ist dabei elektrisch auf einer Platine gespeichert. Durch eine umschließende Plastikhülle ist die Technik vor Umwelteinflüssen wie Feuchtigkeit, Dreck und ungelenken Kinderhänden geschützt. Deren stets eigenes Design lässt zudem sofort erkennen, zu welcher Konsole es gehört. Die greift über kleine Metallkontakte aus Kupfer und Nickel, die aus der Plastikhülle herausragen und an den Gegenstücken im Modulschacht anliegen, auf die Daten im Inneren zu.

Das so typische "Ratsch-Klack"-Geräusch beim Einstecken lässt Retrofans auch heute noch das Herz aufgehen! Allerdings: So gut die Daten abgekapselt sind, so frei liegen die flachen Metallverbindungstücke. Mit der Zeit sammeln sich darauf Staubpartikel ab, sodass die Konsole nur noch hinderlich auf das Modul zugreifen kann. Resultat? Irre Versatzstücke von Code auf dem Schirm oder ein gar nicht erst startendes Spiel.

Wie bekommt man Dreck von einer glatten Oberfläche wie den Kontakt-Pins ab? Kräftig pusten! Genau wie bei einem eingestaubten Buchdeckel. Das scheint logisch. Also wird das Modul aus der Konsole gezogen und mit einem kräftigen "Pffffffft" über den Schlitz geblasen. Sofort … oder spätestens beim zehnten Mal … funktioniert es wieder. Ursache und Wirkung! Also alles klar? Eigentlich nicht.

Das Erscheinen des NES in den USA hat die Verbreitung des Mythos befeuert. Auch heute noch finden sich auf Youtube aktuelle Videos, die zeigen, wie’s »richtig« geht. Das Erscheinen des NES in den USA hat die Verbreitung des Mythos befeuert. Auch heute noch finden sich auf Youtube aktuelle Videos, die zeigen, wie’s »richtig« geht.

"Unser Gehirn ist eine Mustererkennungsmaschine", sagt Psychologe Joe Hanson dazu. "Es ist so darauf trainiert, Muster zu erkennen, dass es auch dort welche sieht, wo eigentlich keine sind." In Wahrheit hat das Pusten nämlich keine Auswirkung. Denn vielfach ist nicht Staub der Auslöser für das fehlerhafte Laden der Spiele.

"Die Pins des NES, Super NES und anderer Konsolen sind echt breit", erklärt nämlich Frankie Viturello, Retro-Experte des Digital Press Webcast. "Ein bisschen Staub machte da nichts. Es war viel öfter das Problem, dass Modul und Konsole aufgrund von Verschleiß und Abnutzung nicht richtig ineinandersteckten oder die Pins nicht ganz auflagen." Nicht das Pusten sorgte also für das Funktionieren, sondern das erneute Ein- und Ausstecken. Die Kausalität wurden falsch erkannt; Bestätigungsfehler nennt das die Psychologie. Wie etwa auch beim weit verbreiteten Klopfen auf den Deckel einer geschlossenen Getränkedose, der bewirken soll, dass die Flüssigkeit beim Öffnen nicht heraussprudelt. "Es funktioniert", so Hanson. "Aber nicht aus dem Grund, den wir annehmen."

1 von 2

nächste Seite


zu den Kommentaren (8)

Kommentare(8)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.