Tiny Glade im Test - Ein malerisches Aufbauspiel, in dem sogar ich mich verliere

Selbst Cozy-Games sind für Annika nicht automatisch entspannend. Doch Tiny Glade schafft es tatsächlich, dass sie alles um sich herum vergisst.

Tiny Glade im GamePro-Test. Tiny Glade im GamePro-Test.

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Townscaper, Dorfromantik, Unpacking, A Little To The Left, Lake, Cozy Grove: Ich habe in der Vergangenheit schon einige Cozy-Games gespielt. Doch keines davon hat mich derart mental abschalten und entspannen lassen wie Tiny Glade von Pounce Light für den PC. 

Das malerische kleine Aufbauspiel entwickelte sich während meiner Testphase sogar zu einem Abendritual, das mir half, mich komplett aus dem Alltag auszuklinken. Auch wenn ich dabei auf ein paar Dinge gestoßen bin, die mich ab und an wieder aus dieser Entspannung rausgerissen haben.

Einfach bauen, ganz ohne Druck

Bereits in der Steam-Demo stellte ich fest: Tiny Glade ist mehr Diorama-Baukasten als ein Spiel im klassischen Sinne. Es gibt weder Quests, Feinde, ein Managementsystem noch ein Zeitlimit – nur mich, ein kleines Stück Land und eine Hand voll Tools, mit denen ich frei und intuitiv mittelalterliche Mauern und Gemäuer hochziehe.

Vereinfacht gesagt ist das alles, was Tiny Glade bietet. Trotzdem – oder gerade deswegen – spielt es sich aber auch so entspannend. Es gibt keine Erwartungen oder Druck, weil ich schlicht kein Ziel erreichen muss. Pounce Light stellt mir lediglich ein paar Werkzeuge zur Verfügung, mit denen ich mich frei austoben kann:

Nach der Wahl des Szenarios (eine der vier Jahreszeiten oder “Alte Zeiten”), geht es auf einem Stück Land direkt los. Ich kann Gebäudestrukturen wie Türme, Mauern oder Häuser platzieren, miteinander verbinden und individuell anpassen. 

Wir drehen, ziehen und klicken uns die Form der Gebäude einfach so zurecht, wie wir sie brauchen. Wir drehen, ziehen und klicken uns die Form der Gebäude einfach so zurecht, wie wir sie brauchen.

Von der Wandfarbe über die Mauerstruktur bis hin zur Höhe, Breite oder Dachform lassen sich die Bauten sehr gezielt bearbeiten – was auch ohne ein Raster sehr intuitiv von der Hand geht. Um gezielt Höhenunterschiede einzubauen, können wir sogar Mauern in kleine Einheiten "schneiden" und im Anschluss unabhängig voneinander bearbeiten:

Mauern können wir auch in Einheiten einteilen und so separat bearbeiten. Mauern können wir auch in Einheiten einteilen und so separat bearbeiten.

Sehr gut gefällt mir auch der fließende Übergang bestimmter Aktionen. Ziehe ich das Dach etwa ganz nach unten, wird das Gebäude automatisch zur Burgbauer umfunktioniert. Türen und Tore baue ich dagegen, indem ich einen Weg durch eine Wand oder eine Mauer ziehe. Und einzelne Fenster lassen sich ganz einfach miteinander verbinden, um sie so zu vergrößern.

Abgesehen von Fahnen, Schornsteinen oder Lampen werden kleine dekorative Objekte wie Bänke, Vogelnester und Schaufeln automatisch und prozedural in der Welt platziert. Gleiches gilt auch für Ranken, die etwa die Burgmauern schmücken. Einzelne Bäume und Blumenbeete dürfen wir dagegen selbst platzieren, genauso wie wir auch das Terrain selbständig bearbeiten und verändern dürfen. Hügel, Berge, aber auch Seen und Flüsse sind damit kein Problem.

Meditatives Gameplay

Mit der automatisch erstellten Dekoration und dem intuitiven und sehr simplen Bausystem hilft Tiny Glade so, recht schnell sehr schöne Kreationen quasi aus dem Nichts zu erschaffen. Ich selbst habe mich dabei immer wieder dabei ertappt, wie ich meine Werke am Ende verträumt bestaunt habe, obwohl ich mich selbst nicht unbedingt zu den kreativsten Spieler*innen zählen würde und mit meinen Werken in anderen Aufbauspielen selten zufrieden bin.

In diesem Video könnt ihr euch das Ganze in Aktion ansehen:

Tiny Glade: Neuer Trailer verrät den Release-Termin des heimeligen Mittelalter-Aufbauspiels Video starten 1:08 Tiny Glade: Neuer Trailer verrät den Release-Termin des heimeligen Mittelalter-Aufbauspiels

Dank des Fotomodus lassen sich die Kreationen dann nicht nur für die Nachwelt einfangen, sondern sogar in der First-Person-Sicht erkunden. Und ich habe es fast schon als erhabenes Gefühl empfunden, meine Werke aus der virtuellen Ego-Perspektive zu betrachten.

Was mich aber wirklich überraschte, war, wie gut ich während des Bauprozesses gedanklich abschalten konnte. Ich war so konzentriert und entspannt zugleich, dass es schon etwas Meditatives an sich hatte. Das hat in dieser Form noch kein Spiel bei mir geschafft. Ganz im Gegenteil: Durch meine perfektionistische Ader können bei mir selbst Cozy-Games gerne auch mal in Arbeit, wenn nicht sogar Stress ausarten.

In Tiny Glade kann ich mich ohne Zeitlimit und Ziel dagegen recht einfach dem reinen Bauprozess hingeben. Dass es prozedurale Dekoration sowie kein festes Bauraster gibt, verhindert zudem jeglichen aufkommenden Optimierungsdrang. Ich kann in Tiny Glade ganz entspannt auch mal die sprichwörtliche fünf gerade sein lassen, also beispielsweise Fenster nicht ganz symmetrisch anordnen. Denn am Ende sieht dann doch alles irgendwie sehr charmant und gewollt aus.

Unterstützt wird das zwanglose Gameplay von einem minimalistischen und ungezwungenen, dafür aber auch sehr angenehmen Soundtrack. Die Umgebungsgeräusche wie das Pfeifen des Windes, Zwitschern der Vögel oder Blöken der Schafe (die man sogar streicheln kann!) tragen dazu bei.

Läuft Tiny Glade auf dem Steam Deck?

Eine gute Nachricht für alle, die gemütlich im Bett oder unterwegs bauen wollen: Tiny Glade funktioniert auch auf dem Steam Deck.

Zum Release wird die Steam Deck-Kompatibilität zwar noch als “Unbekannt” eingestuft, ich hatte auf dem Handheld aber keine Probleme mit dem Spiel. Es bedarf keiner komplizierten Installation oder Einstellung. Tatsächlich funktioniert die Steuerung ähnlich intuitiv wie mit der Maus auf dem PC. Das einzige Manko: Tiny Glade nagt ordentlich am Akku des Steam Decks.

Stärken, die gleichzeitig Schwächen sind

Experimentieren ist angesagt

So intuitiv sich die Objekte beim Bauvorgang auch in der Welt einfügen mögen, so unklar sind hier einige Möglichkeiten. Es kam immer wieder mal vor, dass ich eine Idee hatte, aber nicht wusste, wie ich sie umsetzen sollte.

Ich wusste etwa, dass ich einen Weg durch eine Wand ziehen kann, um eine Tür zu erzeugen. Dass das aber so nicht auf einer Burgmauer in einen Turm hinein funktioniert, irritierte mich dann allerdings. Die Lösung des Problems: Durch das Platzieren eines Fensters wird eine Tür erzeugt. Und dass ich ein Hausmodul zu einer Brücke verwandeln kann, wurde mir erst klar, nachdem ich es gegoogelt hatte. Hier wäre ich über eine Texteinblendung froh gewesen, die mich auf diese Möglichkeit hinweist.

Einerseits haben mich diese nicht immer offensichtlichen Transformationen und Kombinationen hier und da an eine Grenze stoßen lassen oder aus dem Fluss gerissen, da ich erst im Internet danach suchen musste. Andererseits macht eben das Experimentieren und Herausfinden dieser Möglichkeiten einen Teil des Reizes von Tiny Glade aus.

Der Wunsch nach mehr

Tiny Glade ist kein komplexes und umfangreiches Aufbauspiel. Trotzdem – oder gerade deswegen – hätte ich mir aber an einigen Stellen noch mehr Inhalte, Flexibilität und Optimierung gewünscht.

Der begrenzte Bauplatz lässt kleine Städte wie diese zu, mehr aber auch nicht. Der begrenzte Bauplatz lässt kleine Städte wie diese zu, mehr aber auch nicht.

Neben den offensichtlichen, zusätzlichen Objekten wie weiteren Lampen, Zäunen oder Weg-Texturen wäre auch eine Kopierfunktion praktisch, um etwa einen zweiten, identischen Turm nicht mühsam händisch nachbauen zu müssen. Außerdem wäre es praktisch, wenn Farbeinstellungen sich einfacher übertragen lassen. 

Zudem wäre ein größerer Baugrund angenehm, um auch mal aufwendigere Kreationen umzusetzen. Irgendwann stößt man sonst nämlich unweigerlich an seine Grenzen. Aber das Spiel heißt ja nicht ohne Grund Tiny Glade, also “winzige Lichtung”. Trotzdem gibt es noch reichlich Luft nach oben. 

Kaum Langzeitmotivation – aber schöne Inspirationen

Zugegeben: Nach ein paar Bauten hat man alles einmal gesehen und die eigenen Ideen neigen sich dem Ende. Eine wirkliche Langzeitmotivation bietet Tiny Glade deshalb nicht.

Ein wenig Abhilfe schaffen da zum Glück zwei Dinge: Zum einen die Community, die etwa auf X (ehemals Twitter) oder Reddit ihre Werke präsentiert. Zum anderen bietet uns das Spiel mit dem Modus “Heutiges Thema“ täglich eine neue Bauidee an, von der wir uns dann inspirieren lassen können.

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Ich wäre nie darauf gekommen, ein Vampirschloss zu bauen.

Ich bekam beispielsweise “Cozy Bakery”, “Vampire Castle” oder “House in a Hill” als tägliches Bauthema im Hauptmenü vorgeschlagen. Im Grunde bauen und gestalten wir in dem Level wie gehabt, nur dass wir uns an einem Thema orientieren und die Umgebung fest vorgegeben ist. Sowas ist ideal für alle, die bauen wollen, aber nicht wissen, was genau.

So oder so lohnt es sich, sich im Internet nach den Kreationen anderer umzusehen. Von einer gemütlichen Stadt über einen Nachbau des Louvre bis hin zu Attack on Titan – Es ist fantastisch, was Spieler*innen auf der ganzen Welt alles erschaffen:

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