Pokémon - Warum das Switch-Debüt auch nach hinten losgehen könnte

Nach 20 Jahren soll die RPG-Reihe Pokémon endlich den Sprung auf die Konsole wagen. Doch die Umstände des HD-Debüts machen Hannes nervös — kann Pokémon Switch dem Druck standhalten?

Pokémon Switch könnte ganz groß werden — oder eben nicht. Pokémon Switch könnte ganz groß werden — oder eben nicht.

Der Überraschungserfolg der Nintendo Switch zahlt sich für Nintendo nicht nur finanziell aus. Nicht nur die Prognosen der Verkaufszahlen müssen immer wieder nach oben korrigiert werden, auch ansonsten hagelt es regelmäßig positive Meldungen. Sei es nun der zweite Frühling altgedienter Indie-Titel, die Rekordwertungen von Exklusiv-Titeln wie Super Mario Odyssey oder die Menge an Spielen, die schon jetzt im eShop verfügbar ist: Die Switch poliert das Image von Nintendo ordentlich auf.

Fan-Service als Geschäftsmodell

Ein wichtiger Bestandteil dieser Erfolgsgeschichte ist die Tatsache, dass Nintendo offenbar endlich die Finger aus den Ohren genommen hat, um auf die Fans zu hören. Wurde das Metroid-Franchise beispielsweise über Jahre hinweg stiefmütterlich behandelt, dürfen wir uns jetzt auf Metroid Prime 4 freuen. Und auch für Pokémon-Fans wird ein Traum wahr. Das Handheld-fokussierte RPG-Franchise soll mit Pokémon Switch noch 2018 sein Konsolendebüt feiern und die Hauptreihe damit erstmals in ein HD-Gewand stecken. Die nächste Erfolgsstory der Nintendo Switch ist quasi garantiert. Oder etwa nicht?

Hannes Rossow
@Treibhausaffekt

In seiner Kindheit war Hannes großer Fan der Pokémon-Spiele, doch mit den Innovationen der Reihe blieb dann auch das Interesse auf der Strecke. Pokémon Switch könnte das Ruder wieder rumreißen, doch statt Vorfreude fühlt Hannes eher Sorge, dass die Entwickler mehr wollen als sie tatsächlich können.

Auf dem Papier scheint ein Pokémon-RPG auf einer Heimkonsole jedenfalls eine sichere Nummer zu sein. Die Leistung der Switch lässt auf detaillierte 3D-Modelle und vielleicht sogar eine offenere Spielwelten hoffen. Endlich bietet sich zudem die Gelegenheit, die Pokémon-Formel etwas stärker aufzubrechen und frische Spielelemente einzubringen. Ein neues Kampfsystem ist in den Augen vieler Fans längst überfällig. Die Erwartungen an Pokémon Switch sind hoch, aber genau dieser Umstand könnte für die erste ganz große Enttäuschung auf der Nintendo Switch sorgen.

Die Inselprüfungen aus Pokémon Sonne & Mond sollten die Arenen ersetzen, funktionieren letztlich aber nicht viel anders. Die Inselprüfungen aus Pokémon Sonne & Mond sollten die Arenen ersetzen, funktionieren letztlich aber nicht viel anders.

Große Spiele, große Sorgen

Junichi Masuda, Mitbegründer von Pokémon-Entwickler Game Freak, warnte schon im August des letzten Jahres vor allzu hohen Erwartungen an Pokémon Switch. Die fehlende Erfahrung in Sachen stationärer Konsole stelle das Team vor eine große Herausforderung, plötzlich stünde nämlich die Spielerfahrung von Fans im Vordergrund, die vor allem daheim spielen. Pokémon Sonne & Mond-Director Shigeru Ohmari pflichtete bei und sprach von einem enormen Druck auf die Entwickler.

Auch The Pokémon Company-CEO Tsunekazu Ishihara betonte, dass ein Konsolen-Ableger der Pokémon-Hauptreihe grundsätzlich anders funktionieren müsse als es die mobilen Editionen tun. Auf der Game Boy- und der Nintendo DS-Familie seien die Pokémon-Spiele traditionell auf das Kämpfen und Tauschen mit Freunden ausgelegt, die man draußen trifft. Der starke Heimkonsolen-Ansatz der Switch fordere hingegen, dass die bisherige Kernformel der Reihe überdacht werden muss. Das schafft zwar Möglichkeiten, aber eben auch Fallstricke.

Pokémon Switch als Schnellschuss?

Die Gelegenheit, das RPG für eine klassische Nintendo-Konsole umzusetzen, hätte es in den letzten 20 Jahren immer wieder gegeben. Doch das Hauptfranchise blieb nicht ohne Grund Handheld-exklusiv, während Spinoffs wie Pokémon Snap, Pokémon Stadium oder Pokémon Tekken DX für Konsolen erschienen.

Auf dem Handheld hatten sich die Entwickler ihre Expertise aufgebaut und hier schien das Sammel- und Erkundungs-Konzept der Reihe am ehesten aufzugehen. Angesichts der Unsicherheit der Entwickler, drängt sich die Vermutung auf, dass der Wechsel auf die Nintendo Switch nicht unbedingt dem Willen der Macher folgt. Der verwirrenden Gerüchte um Pokémon Stars scheinen den Verdacht zu bestätigen.

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Im November 2016 berichtete Eurogamer, dass eine Nintendo Switch-Version von Pokémon Sonne & Mond in Arbeit sei. Die neue Edition solle Pokémon Stars heißen und eine überarbeitete, leicht erweiterte Fassung der 3DS-Vorlagen sein. Letztlich wurde daraus aber nichts und mit Ultramond und Ultrasonne wurde das Projekt doch wieder auf den Handheld verlagert. Dafür wurde aber Pokémon Switch angekündigt, ein klassischer "Sammeln, Kämpfen, Trainieren"-Ableger, der losgelöst von den 3DS-Editionen existiert.

Selbstgemachter Druck

Nun erwartet uns mit Pokémon Switch also der allererste Pokémon-Titel, der nicht mehr auf die erfolgreichen Konventionen der Vorgänger setzen kann und zugleich von Entwicklern umgesetzt wird, die sich in ihrer Handheld-Blase nie allzu große Gedanken um die technischen Möglichkeiten einer HD-Konsole machen mussten. Und wenn wir uns jetzt noch den zeitlichen Druck seitens Nintendo dazu denken, auch das zweite Jahr der Switch mit hochkarätigen Exklusivtiteln füllen zu wollen, scheint das Projekt nicht unter dem besten Stern zu stehen.

Und auch The Pokémon Company hat mit Pokémon GO bewiesen, dass der Konzern nicht davor zurückschreckt, Projekte auch etwas zu früh auf den Markt zu schicken, um wichtige Features (hoffentlich) nachzuliefern. Anders als bei The Legend of Zelda: Breath of the Wild, bei dem ebenfalls das Kernkonzept einer traditionsbewussten Reihe umgeworfen wurde, scheint das bei Pokémon Switch nicht unbedingt aus dem Eigenantrieb der Macher zu geschehen.

Die ungewisse Zukunft von Nintendos Handheldsparte sowie die Goldgräberstimmung auf der Switch drängen das Pokémon-Franchise auf die neue Plattform und es bleibt die Frage, ob Game Freak dieses Umdenken mit den richtigen Ideen kompensieren kann. Das Potenzial der Pokémon-Reihe ist noch immer nicht erschöpft, doch mit dem Sprung auf die Konsole werden die Karten neu gemischt und eine neue Region und 100 neue Taschenmonster werden wohl nicht mehr ausreichen, um Fans zufrieden zu stellen.

Weitere Artikel zum Thema Pokémon findet ihr in unserem Sammelartikel zur großen Pokémon-Themenwoche.

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