Seite 2: Aufstieg und Niedergang eines Publishers - Die THQ-Story

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Jump&Run und irgendwas mit Battlefield

Doch Mitte der 2000er geht’s THQ noch prima und der Publisher kauft weiter ein. 2004 stößt auch das australische Blue Tongue Studio zur Firma, zu Beginn noch mit der Herstellung von eher preiswerten, weil kleineren Lizenzumsetzungen beschäftigt. Dann aber soll Blue Tongue für eine neue und weltweit erfolgreiche Jump&Run-Marke sorgen. De Blobfür die Wii von 2008 (basiert auf einem Projekt niederländischer Studenten) bekommt zwar durchaus gute Kritiken, bleibt aber unter der Marke von einer Million verkaufter Exemplare. Der zweite Teil von 2011 bleibt noch weit dahinter. Blue Tongue wird geschlossen.

Homefront: Test-Video Video starten 12:31 Homefront: Test-Video

2006 gründet THQ die Kaos Studios (ehemals Trauma Studios, Macher der Battlefield-Mod Desert Combat). Kaos, mit teurem Sitz in New York City, schraubt in gerade mal zwei Jahren den konzeptionell spannenden, in der Ausführung aber nur mittelprächtigen Ego-Shooter Frontlines: Fuel of Warzusammen, der sich mit weltweit etwas über einer halben Million verkaufter Einheiten als Ladenhüter entpuppt. Ein noch größeres Finanzloch reißt die Produktion des zweiten Kaos-Spiels in die Kassen. Das groß angekündigte und mit reichlich Vorschusslorbeeren überschüttete Homefrontsieht nach einem sicheren Erfolg aus, es verzeichnet sogar einen Vorbestellungsrekord. Bei Erscheinen 2011 entpuppt sich der Titel aber als veraltet und wenig inspiriert, von dem sehr spannenden Konzept ist am Ende wieder fast nichts übriggeblieben. Homefront ist mit plattformübergreifend 2,4 Millionen verkauften Exemplaren zwar kein Totalausfall, kann den anvisierten und nötigen Erfolg aber nicht einmal ansatzweise erreichen. Zum Vergleich: Electronic Arts’ neues Medal of Honor(2010), ungefähr im gleichen Wertungsspektrum, erreicht über fünf Millionen verkaufte Exemplare. Kaos wird 2011 von THQ geschlossen. Man gibt eine strategische Neuausrichtung als Grund an.

Fette Jahre, magere Jahre

2006 ersteht beziehungsweise gründet THQ auch Vigil Games, ein Studio, das außer dem halbwegs bekannten Comiczeichner Joe Madureira wenig vorzuweisen hat. Vigil Games bastelt satte vier Jahre (auf über 3.000 Quadratmeter Bürofläche in Austin, Texas) am Erstling Darksiders. Das Spiel, das 2010 erscheint, wird von Fachpublikationen weltweit mit Lob überhäuft (GamePro: 91 Punkte), verkauft sich trotzdem im Vergleich nur schleppend. Auch der 2012 erschienene, wiederum sehr gute zweite Teil macht sich nicht viel besser an den Kassen. Insgesamt kommen beide Spiele zusammen auf gerade mal knapp 2,5 Millionen abgesetzte Exemplare. Zum Vergleich: Das relativ frisch erschienene Assassin’s Creed 3, das hauptsächlich im kostengünstigeren Kanada entstanden ist, hat schon fast neun Millionen erreicht.

Anfang 2007 vermeldet THQ trotz der vielen neuen Investments die bisher besten Zahlen der Firmengeschichte. Im auslaufenden Geschäftsjahr habe man über eine Milliarde Dollar Umsatz verbuchen können, nicht zuletzt wegen der Wrestling-Spiele. Die sind nämlich damals noch eine gute Geldquelle. Doch THQs großes Versäumnis, die Spiele weiterzuentwickeln und grafisch an aktuelle Standards anzupassen (man nutzt noch immer das Grafikgerüst von 2006), schlägt sich in den Verkäufen der neuesten Teile nieder.

Während sich die WWE SmackDown vs. Raw-Spiele von 2008 und 2009 noch knapp fünf Millionen Mal verkaufen und es der 2010er-Teil auf immerhin noch 3,26 Millionen abgesetzte Exemplare bringt, erreicht der Nachfolger WWE ’12nur noch 2,46 Millionen. Und WWE ’13(das allerdings auch erst seit Ende Oktober, Anfang November 2012 erhältlich ist) hat’s bisher nur 1,7 Millionen auf dem Zähler. Für sich genommen sind das respektable Zahlen – wenn man die eingangs schon erwähnten hohen Lizenzkosten für die WWE außen vor lässt. Vom zweiten Kampfsportstandbein UFC (Ultimate Fighting Championship) hat sich THQ inzwischen getrennt, die teure Lizenz wurde an Electronic Arts übertragen, nachdem sie sich als Dollargrab entpuppte.

Patrice Désilets, ehemals Ubisoft, jetzt wieder Ubisoft. Patrice Désilets, ehemals Ubisoft, jetzt wieder Ubisoft.

2008 schließt THQ gleich mehrere kleinere Studios (Renn- und Kinderspiele), um mehr Geld für die in der Entwicklung befindlichen Triple-A-Projekte zu haben. Trotz der Schließungen wird’s 2009 dann erstmals ernst beim Publisher. Gerade die viel zu hohen laufenden Produktionskosten und die einsetzende Rezession treffen die Firma so hart, dass sie ihre Jahresausgaben um 220 Millionen Dollar kürzen muss. Im Folgejahr will man sich auf weniger, aber bessere Projekte konzentrieren, so THQ. Man gliedert zwei Studios aus und verkauft den erst 2008 erstandenen Entwickler Big Huge Games (Rise of Nations) wieder, ohne dass das Studio einen Titel für THQ hätte produzieren können. Der Wert von THQ sinkt auf 173 Millionen Dollar, man läuft Gefahr, übernommen zu werden.

Obwohl’s der Firma alles andere als gut geht, hält sie stur am eingeschlagenen Weg fest: Hardcore-Spiele im traditionellen Sinne sollen weiterhin die Lösung sein, ungeachtet der immensen Produktionskosten. Man gründet 2011 im immerhin etwas kostengünstigeren Montreal ein neues Studio und setzt Assassin’s Creed-Erfinder Patrice Désilets an dessen Spitze, nachdem der sich 2010 mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Ubisoft überworfen hatte. Fast schon eine Ironie des Schicksals, dass Ubisoft sich ausgerechnet THQ Montreal unter den Nagel gerissen hat.

uFail

Ebenfalls 2011 trifft THQ die bisher größte Katastrophe in der Firmengeschichte. Die hat erst mal gar nichts direkt mit Spielen zu tun. Bei »uDraw« handelt es sich um Peripherie für Konsolen. Das Mal-Tablet, das THQ 2010 zunächst nur für Nintendos Wii auf den Markt bringt, verkauft sich so gut, dass man sich entschließt, es auch für die Playstation 3 und die Xbox 360 anzubieten – ungeachtet der Tatsache, dass Besitzer der beiden letztgenannten Konsolen nicht unbedingt zur Zielgruppe für Mal-Tablets gehören. Das Resultat: 1,4 Millionen hergestellte, aber unverkaufte uDraws, die in 100 Millionen Dollar Einnahmeausfall für THQ gipfeln. Im Mai 2012 meldet THQ für das ausgelaufene Geschäftsjahr einen Reinverlust von knapp 240 Millionen Dollar.

uDraw für Wii Das Maltablet verkaufte sich für die Wii sehr gut.

uDraw für Xbox 360 Die Xbox-Variante allerdings war weniger erfolgreich.

uDraw für Playstation 3 Auch die PS3-Version war mehr Ladenhüter als Kassenschlager.

Der Aktienkurs von THQ fällt auf einen halben Dollar, nachdem er schon durch das Homefront-Debakel 26 Prozent an Wert eingebüßt hat. Um nicht aus dem NASDAQ-Index geworfen zu werden, bittet man die Teilhaber Mitte des Jahres um Erlaubnis, die Aktien zusammenlegen zu dürfen. Aus zehn Aktien wird eine, mit einer entsprechenden Wertsteigerung. Doch der Börsencoup bleibt ohne Langzeitwirkung.

Anfang November gibt THQ bekannt, dass die Firma mit 50 Millionen Dollar bei der Wells-Fargo-Bank in der Kreide stehe und die Schulden nicht bezahlen könne. In einem letzten Versuch, schnell dringend notwendiges Geld zu machen, bietet THQ sieben Spiele in einem »Humble Bundle« an. Der Erlös der Aktion, bei der die Käufer selbst entscheiden können, wie viel sie zahlen wollen, kann sich eigentlich sehen lassen: Fast 900.000 Spielepakete werden für insgesamt über fünf Millionen Dollar verkauft, ein Tropfen auf den heißen Stein. Am 19. Dezember meldet THQ Insolvenz an. Anfang 2013 wird der Handel mit THQ-Aktien eingestellt.

Es fehlte: die Strahlkraft

Die Idee, ausgerechnet die im teuren New York ansässigen Kaos Studios nach dem Frontlines-Fiasko mit Homefront zu beauftragen, darf man noch unter Blauäugigkeit durchgehen lassen. Dem komplett unbeschriebenen Blatt Vigil Games ein Mammutprojekt wie Darksiders über vier Jahre hinweg zu finanzieren, grenzt schon an latente Verblendung. Und das aktive Verbrennen von Millionen Dollar im uDraw-Projekt beweist nicht unbedingt strategische Weitsicht. Gleiches gilt für das Festhalten an der viel zu teuren WWE-Lizenz – trotz rückläufiger Absätze.

Was THQ in den letzten Jahren dringend gebraucht hätte: mindestens eine Strahlkraftmarke. Stattdessen hat man viel zu oft auf unerfahrene Pferde gesetzt, die im Rennen mit Assassin’s Creed, Mass Effect oder Call of Duty auf der Strecke blieben. Wieso THQ obendrein die mächtige Warhammer 40k-Lizenz lange Zeit nur auf dem PC und obendrein zu selten genutzt hat, bleibt ein Geheimnis. Einziger Hoffnungsträger: das von Vigil entwickelte und 2010 angekündigte MMO Dark Millenium Online. Doch das wurde Anfang 2012 erst überraschend zum Solo-Titel erklärt (unter dem Namen Warhammer Online: Dark Millenium) und verschwand dann im Nirwana. Status: so unklar, wie der des Studios. Vigil hat bisher noch keinen Käufer gefunden.

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