God of War - Meinung: Atreus ist der beste KI-Begleiter, den ich je hatte

Im neuen God of War sind wir nicht allein unterwegs, sondern bekommen mit Atreus einen KI-Begleiter an die Seite gestellt. Das haben schon andere Videospiele vorgemacht, aber kein Gefährte war je so gut in das Gameplay eingebunden wie der Sohnemann von Kratos.

Atreus ist ein Neuzugang in der God of War-Reihe, aber schon jetzt nicht mehr wegzudenken. Atreus ist ein Neuzugang in der God of War-Reihe, aber schon jetzt nicht mehr wegzudenken.

Ich bin nicht gern allein. Was nach einem unvermittelten und auch leicht peinlichen Geständnis klingt, soll euch nur eine Sache deutlich machen: Ich mag es, wenn ich in Videospielen von KI-Begleitern umgeben bin. Und damit meine ich nicht etwa die Mitglieder meiner JRPG-Party, die nur im Kampfbildschirm zum Leben erwachen. Sondern ich meine all die Charaktere, mit denen ich gemeinsam die Spielwelt erkunde und die selbstständig kämpfen, klettern und Hindernisse überwinden. Mit Atreus, dem Sohnemann von Kratos, bekommen wir jetzt den meiner Meinung nach besten Vertreter seiner Art spendiert.

God of War im Test
Eine göttliche Rückkehr

Wie der Vater, so der Sohn

In God of War, dem großen Comeback der kultigen Action-Reihe, ist der wütende Spartaner im nordischen Exil nicht mehr allein unterwegs, sondern hat einen Sohn. Der etwa 12-jährige Atreus ist nach dem Tod seiner Mutter ganz auf Kratos angewiesen und im Zuge der Trauerverarbeitung begleitet er seinen Gott-Vater auf den Gipfel des höchsten Berges, um dort die Asche der Verstorbenen zu verstreuen. Und jeder kann sich denken, dass ein Ausflug mit Kratos nur Gewalt, Blut und Tod beinhalten kann. Also war die Sorge anfangs groß, Atreus könne ein Klotz am Bein sein und God of War eine einzige Escort-Mission.

God of War ist voll von Momenten, in denen Atreus den Weg vorgibt und Mythen erklärt. God of War ist voll von Momenten, in denen Atreus den Weg vorgibt und Mythen erklärt.

Und ja, auch in der nordischen Mythologie gibt es genug Sagengestalten und Monster, denen wir mit blutigen Fäusten den Garaus machen müssen. Atreus steht uns dabei nicht nur nicht im Wege, ohne den kleinen Burschen wäre Kratos auch vollkommen aufgeschmissen. Sowohl in erzählerischer Hinsicht als auch im Gameplay sind wir auf unseren Begleiter angewiesen. Kratos, der den Olymp aus dem Effeff kennt, weiß von den Götterverwandschaften in Midgard so gut wie nichts, kann die nordischen Runen nicht lesen und kommt trotz magischer Axt an vielen Hindernissen nicht vorbei.

Scharfschütze & Klassenbester

Atreus ergänzt den Spartaner hier perfekt, denn der Junge ist nicht nur neugierig, sondern wurde von seiner Mutter Faye auch intensiv über die nordische Mythologie aufgeklärt. Ähnlich wie Elizabeth aus BioShock: Infinite, weiß er alles über die Standard-Gegner, die NPCs und auch die Endbosse, denen wir im Spielverlauf begegnen. Ohne seinen Sohn hätte Kratos keine Möglichkeit, all die verrückten Dinge, die ihm widerfahren, in einen Kontext zu setzen und abstrakte Tatsachen wie beispielsweise den Yggdrasil-Weltenbaum zu verstehen. Und diese Dynamik passt perfekt zu fast jedem Vater-Sohn-Verhältnis, nur dass Kratos seine Probleme damit hat, Asgard zu begreifen und nicht das Internet.

Hannes Rossow
@Treibhausaffekt

Ich mag es sehr, wenn ich mit einer Gruppe von KI-Begleitern eine detaillierte Spielwelt erkunde und immer wieder Dialoge stattfinden, die Beziehungsverhältnisse aufzeigen oder Hintergrundwissen darbieten. Oftmals störe ich mich aber sehr an Gefährten, die Gameplay-technisch nur am Rande zu existieren scheinen und deren Anwesenheit ich fast vergesse, bis sie wieder ihren Mund aufmachen. In diese Falle tappt Atreus glücklicherweise zu keiner Zeit.

Seine Nützlichkeit beweist Atreus aber nicht nur als wandelndes Lexikon, sondern auch als fähiger Bogenschütze und Schlüssel für zahlreiche versteckte Ebenen. Die Sehne seines Bogens kann nämlich magisch aufgeladen werden und Atreus' Pfeile öffnen dadurch versperrte Passagen oder zerstören Blockaden. Es kommt oft genug vor, dass uns Atreus im Kampf wortwörtlich das Leben rettet oder eben zu Geheimnissen führt, die Kratos allein niemals erreicht hätte. Und selbst in den ärgsten Kämpfen müssen wir nicht auf Atreus aufpassen, wie die Begleiter der Uncharted-Reihe ist der Junge nämlich unsterblich. Die Frage danach, ob Atreus nun eigentlich nerviges Beiwerk ist oder nicht, stellt sich anders als in vielen anderen Spielen mit Begleiter gar nicht erst.

Ein Spieler, zwei Charaktere

Das Besondere an God of War und der Einbindung von Atreus ist aber, dass der kleine Mann eben nicht gänzlich eigenständig agiert. Wir spielen nicht nur Kratos allein und hoffen dann darauf, dass der Sohnemann keine Dummheiten macht. Über den Bogen von Atreus verfügen nämlich wir selbst und dieser kleine Kniff sorgt dafür, dass wir viele Vorzüge des KI-Begleiters selbst dosieren können. Das führt letztlich dazu, dass Vater und Sohn auch in Sachen Spielgefühl als Einheit wahrgenommen werden. Das habe ich so noch bei keinem anderen Spiel gesehen.

Atreus schießt nur, wenn wir es sagen und damit gehört sein Bogen quasi uns. Atreus schießt nur, wenn wir es sagen und damit gehört sein Bogen quasi uns.

Egal, ob es nun meine Kameraden aus den ersten Call of Duty-Titeln sind, die mit mir Stalingrad gegen die Wehrmacht verteidigen, Elizabeth aus BioShock: Infinite, die mit nützlichen Items nur so um sich wirft, oder eben Naughty Dog-Charaktere wie Ellie, Sam, Sully und Nadine, sie alle agieren losgelöst von mir. In God of War wird es so erzählt, dass Kratos nur die Befehle gibt, wann Atreus feuern soll und darf. Sowohl im Kampf als auch beim Lösen von Rätseln. Doch die Aktion erfolgt stets unmittelbar, egal wo Atreus sich gerade befindet. Das hebt Atreus von anderen Begleitern ab.

Eine echte Familiengeschichte

Die Pfeile von Atreus, die mir dabei helfen, Gegner abzulenken und Raum für blitzschnelle Angriffe zu schaffen, sind im Kampfsystem ein wichtiger Bestandteil der Kombo-Mechanik. Daher ist es so wichtig, dass alles augenblicklich passiert und ich die volle Kontrolle über den Bogen habe. Gleiches gilt für den Nebeneffekt, dass die Pfeile auch die Feinde betäuben und ich dann besonders mächtige Gore-Attacken ausführen kann. Atreus ist kein passiver Begleiter, der hier und da Hilfestellung leistet. In der Logik des Spiels sind die beiden Charaktere gleichgestellt.

Es gibt auch andere KI-Begleiter, die gut geschrieben sind, eine hervorragende Wegfindung besitzen und in Gameplay-Momenten nützlich sind. Wäre es nur die Summe dieser Elemente, dann wäre Atreus zwar noch immer ein toller Kompagnon aber auch nicht wirklich etwas Besonderes. Die Tatsache, dass es Sony Santa Monica aber schafft, die gegenseitige Abhängigkeit von Kratos und Atreus auch in das tatsächliche Spielgefühl zu übertragen, schafft die perfekte Illusion, Kratos und Atreus gleichzeitig auf ihren Abenteuern zu begleiten. Und das macht den brutalen Trauermarsch von God of War noch einmal emotionaler.

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