Zelda - Breath of the Wild zeigt, dass die Ubisoft-Formel aussterben muss

Open World geht auch anders. The Legend of Zelda: Breath of the Wild ließ Linda wieder Spaß an offenen Spielwelten haben und zeigte ihr umso deutlicher, dass sie mit Symbolen vollgestopfte Maps in Zukunft nicht mehr haben will.

The Legend of Zelda: Breath of the Wild zeigt, wie Open Worlds am besten funktionieren. The Legend of Zelda: Breath of the Wild zeigt, wie Open Worlds am besten funktionieren.

Ich hatte einen besonderen Moment in The Legend of Zelda: Breath of the Wild, der mir vor Augen führte, dass ich doch noch Spaß an Open Worlds finden kann. Ich stand auf einem Turm auf dem Vergessenen Plateau, aktivierte ihn, blickte auf meine Karte im Sheikah-Stein und sah nichts.

Weder Symbol noch Satzzeichen. Kein Blümchen, das unbedingt gepflückt und kein NPC, der unbedingt angesprochen werden wollte. Die Karte blieb leer. Und damit fiel mir ein gewaltiger Stein vom Herzen. Statt einer ellenlangen Aufgabenliste hatte ich mein Abenteuer selbst in der Hand.

Die "Ubisoft-Formel"

Seit ein paar Monaten stolpern wir regelmäßig über den Begriff "Ubisoft-Formel", der sich nicht nur auf Spiele des französischen Entwicklerstudios bezieht, sondern mittlerweile für eine ganze Reihe von Open World-Titeln verwendet werden kann. Die Spielwelten von Assassin's Creed Syndicate, Far Cry Primal, The Witcher 3 oder Final Fantasy 15 stecken bis zum letzten Pflasterstein und Grasbüschel voller Nebentätigkeiten. Da ist Immer eine Beschäftigung, immer eine Ablenkung.

Mit dem Vorhaben, mich mit Open Worlds voller nichtiger Sidequests und Sammelgegenstände unentwegt auf Trab halten zu wollen, schießen Entwickler aber in den meisten Fällen ins Leere. Die Welten von Assassin's Creed Syndicate und Co. fühlten sich für mich wie einförmige Raster an, die ich Punkt für Punkt abklapperte. Vollkommen mechanisch, ohne den Entdeckergeist zu wecken - und das ist für mich und meine Beziehung zu Open World-Spielen seit geraumer Zeit ein gewaltiges Problem.

Linda Sprenger @lindalomaniac

Lindas allererstes Open World-Spiel war GTA: San Andreas, das ihr auf einen Schlag so viel Freiheit gewährte, dass sie nach der Intro-Sequenz mit dem Bike vollkommen überfordert in den Großstadtdschungel von Los Santos trudelte. Erst nach zwei Stunden unkontrolliertem Schabernack verstand sie, dass sie in rote Kreise laufen muss, um eine Mission zu starten und in der Geschichte voranschreiten zu können. Mittlerweile ist sie durch so viele offene Spielwelten gewandert, dass ihr jegliches grelles Bling-Bling in der Welt selbst und auf den Maps wie ein Dorn im Auge vorkommt.

Assassin's Creed: Overload

Das allererste Assassin's Creed hat im Vergleich zu seinen vielen Geschwistern einen entscheidenden Vorteil: Es erschlug mich nicht. Die Map sah noch nicht aus wie eine umgekippte Lego-Kiste, die mich in einem Meer aus bunten Sprenkel ertränkte. Da waren zwar einige Icons für Leute, die ich bespitzeln, und arme Seelen, die ich verdreschen musste. Sonst aber nichts. Der anfängliche Minimalismus schlug allerdings in den nachfolgenden Ablegern allmählich ins Gegenteil um.

Assassin's Creed: Unitys Map Assassin's Creed: Unitys Map

Mit Assassin's Creed: Unity erreichte das rasante Icon-Wachstum seinen Höhepunkt. Die Map platzte aus allen Nähten, Symbole überlappten sich und schienen aus den Stadtgrenzen des virtuellen Paris geradezu ausbrechen zu wollen. Der aktuelle Teil Assassin's Creed: Syndicate entschlackte seine Karte immerhin wieder um einige Symbole, mein Spielgefühl aus Unity blieb dagegen erhalten. Ich fühlte mich, als sei ich in einem Loop aus sich ständig wiederholenden Tätigkeiten gefangen, der mich vollkommen zerstreute. Truhen öffnen, Kinder befreien, Banden bekriegen und noch einmal von vorn.

Mein Ausflug in die Open World von Assassin's Creed: Syndicate verschaffte mir nicht einen Moment, von dem ich Jahre später noch begeistert berichten könnte (lediglich Evie Frye blieb mir im Gedächtnis, die ist cool). Stattdessen hangelte ich mich von einer kleinen Aufgabe zur anderen, deren Inhalt ich kurz nach dem Abschluss schon wieder vergessen hatte, weil sie mir die kleine, unbedeutende Erleichterung verschaffte, einen weiteren Haken auf einer To-Do-Liste gesetzt zu haben. Und hatte ich ein Gebiet der Spielwelt vollständig abgearbeitet, drückte mir der nächstgelegene Aussichtspunkt nach der Synchronisation eine neue Liste mit den gleichen Aufgaben ins Auge.

Den Kopf voller Fragezeichen

Ähnlich erging es mir in CD Projekt REDs RPG The Witcher 3. Viele Stunden, bevor ich die Hauptquests ernsthaft verfolgte und alles andere links liegen ließ, durchlebte ich den gleichen geistlosen Arbeitsrausch wie in den Assassinen-Spielen.

Eine Welt, die ich irgendwann gar nicht mehr als solche wahrnahm. Eine Welt, die ich irgendwann gar nicht mehr als solche wahrnahm.

Ich begann mein Abenteuer in den Nördlichen Königreichen als gemütlichen Trip in den Sonnenuntergang, bei dem ich mich mit jedem Schritt neu in den purpurnen Himmel verliebte. Nach einigen Stunden waren es aber nur noch Fragezeichen, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekam. Nachdem ich den Greif in Weißgarten erledigte, kam ich vom Weg ab und löschte Symbole von der Map wie Schmutz, den ich zu Hause von der Fensterbank wische.

Mit den vielen noch unerledigten Aufgaben im Fokus, blendete ich nicht nur die bezaubernde Fantasy-Romantik der Nördlichen Königreiche aus, sondern machte mir letztendlich mein Abenteuer-Gefühl kaputt. Monsternester und Schatztruhen waren keine vielversprechenden Fleckchen mehr, die ich vom Rücken meines Pferdes irgendwo in der Ferne erblickte, sondern leblose Zeichen auf der Karte. Ich befand mich in einer Tretmühle, arbeitete nur noch ab, aber entdeckte nicht mehr.

Nur dahin, wo es leuchtet

Nicht nur in The Witcher 3 sondern auch in Assassin's Creed: Syndicate, Far Cry: Primal und Final Fantasy 15 machte ich mir nach einer gewissen Zeit im Nebenbeschäftigungs-Strudel gar nicht mehr die Mühe, Nischen und Höhlen in der Spielwelt aufzusuchen, auf denen meine Map kein Icon geklebt hat. Ein Blick auf die Karte und mir war oftmals sofort klar, welcher Ort sich für einen Besuch lohnt und welcher nicht.

In The Witcher 3 traute ich mich anfangs zwar noch in dunkle Ecken, die mir die Map nicht sofort offenlegte, um mir seltenes Loot in die Taschen zu stopfen - die waren aber irgendwann so voll, dass ich mir die Truhenjagd ersparte. Zumal ich nach einigen Spielstunden mit dem Katzenrüstungs- und Waffenset ohnehin mein Traum-Equipment beisammen hatte und gar nichts anderes mehr benötigte.

BOTW, mein Erlöser

In The Legend of Zelda: Breath of the Wild bin ich beinahe komplett auf mich allein gestellt. Als ich alle Schreine auf dem Vergessenen Plateau enträtselte und mit meinem Gleiter in den Horizont einer saftig grünen Landschaft segelte, hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich nach dem Landen tun sollte. Es gab zwar einen gelb blinkenden Punkt, der mir sagte, dass mein nächstes Ziel Kakariko ist. Das lag aber in kilometerweiter Ferne.

Hinein ins Abenteuer! Hinein ins Abenteuer!

Mit dem Abschluss des Startgebietes öffneten sich mir plötzlich die Pforten einer gigantischen offenen Spielwelt. Und darin Link. Ein kleiner, schmächtiger Hylianer mit einem rostigen Schwert, vier mickrigen Herzcontainern und der Stamina eines Holzblocks. Bis zum Dorf war es ein langer, steiniger Weg, auf dem mich Bokblins verkloppen und altertümliche Spinnenbeinroboter mit Laserstrahlen grillen wollten. Ich musste meine Reise also genau vorbereiten. Das Waffenarsenal aufstocken, Leben und Ausdauer erhöhen. Wie ich das genau anstellen sollte, wollte mir das Spiel gar nicht genau verraten.

Mein Sheikah-Stein zeigte mir nach dem Erklimmen eines Turms weder an, wo ich Bokblin-Posten aufsuchen konnte, die ich um nützliche Ausrüstungsgegenstände erleichtern kann, noch wo ich Schreine finden würde, die mir überlebenswichtige Zeichen der Bewährung bescherten. Stattdessen stand ich auf der Kante des Turms und markierte meine nächsten Ziele mithilfe meines Fernglases selbst. Meine Reise durch Hyrule fühlte sich im Gegensatz zu den vielen anderen Open Worlds-Trips wie ein echtes Abenteuer an, weil ich Orte und Schätze nicht am Fließband abfrühstückte sondern auf eigene Faust entdeckte.

Anstatt von Symbolen ließ ich mich Breath of the Wild von meiner Neugier leiten. In jedem Busch, hinter jedem Hügel und auf jeder Bergspitze könnte sich ein Geheimnis verbergen - auch wenn es nur ein Krog ist. Jedes Fleckchen Hyrules war einen Besuch wert, weil es nicht im Vorhinein von fehlenden Icons auf der Map entwertet wurde.

Mut zur Lücke

Ich hatte lange nicht mehr so viel Freude mit einem Open World-Spiel wie in The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Die Spielwelt des Action-Adventures kam mir im Vergleich zu den mit Attraktionen aufgeblähten Freizeitparks von Assassin's Creed und Co. wie eine unberührte Insel vor, die irgendwo seelenruhig vor sich hin schwimmt. Ich war ungebunden, stand vor keinem Schwall voller Aufgaben, die mich gängelten. Nur vor denen, die ich mir selbst gab. Hyrule zeigte mir was Freiheit und Erkundung in offenen Spielwelten wirklich bedeuten - und ich hoffe, dass zukünftige Open World-Abenteuer von dieser Erkenntnis ebenfalls profitieren.

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