CoD: Modern Warfare - Warum Weißer Phosphor kein Spaß ist

Modern Warfare steht, ganz in der Tradition seiner Vorgänger, in der Kritik. Nach dem Story-Modus sorgt nun auch der Multiplayer für Diskussionen. Warum, erfahrt ihr hier.

Activision schafft es erneut mit Call of Duty für Kontroversen zu sorgen. Wir fassen für euch zusammen, worum es dieses Mal geht. Activision schafft es erneut mit Call of Duty für Kontroversen zu sorgen. Wir fassen für euch zusammen, worum es dieses Mal geht.

Activision möchte im Herbst mit Call of Duty: Modern Warfare das beliebte Shooter-Franchise mit einem Reboot wiederbeleben. Wie bei CoD fast schon üblich, kommt der Release nicht ohne Kontroversen aus.

Nachdem die ersten Präsentationen der Einzelspieler-Kampagne bereits für viele Diskussionen gesorgt haben, steht jetzt auch der Multiplayer in der Kritik. Wir fassen für euch zusammen, warum der Mehrspielermodus gerade für Diskussionen sorgt.

Was ist das Problem mit Modern Warfare?

Entwickler Infinity Ward hat schon zur Enthüllung des neuen Shooters bekannt gegeben, dass das Spiel nicht vor harten Themen zurückschrecken wird. Die Schrecken des Krieges sollen authentisch dargestellt werden. Der oft verwendete Claim "Going Dark" ist also nicht nur im Hinblick auf Nachtsichtgeräte zu verstehen, sondern auch thematisch.

Deswegen wird es zum Beispiel einen Level geben, in dem wir aus der Perspektive eines kleinen Kindes zuerst miterleben müssen, wie wir im Krieg unsere Eltern verlieren, um dann während eines Giftgas-Angriffes auf uns allein gestellt zu sein. Das ist nichts für schwache Nerven, aber die Entwickler haben immer wieder beteuert, dass sie sich bemühen den richtigen Ton zu treffen und respektvoll mit entsprechenden Themen umgehen werden.

Modern Warfare will ein erwachsenes, authentisches Spiel werden. Der Multiplayer ist jedoch auf Spaß und Action getrimmt. Modern Warfare will ein erwachsenes, authentisches Spiel werden. Der Multiplayer ist jedoch auf Spaß und Action getrimmt.

Hier liegt schon das erste Problem, denn Call of Duty ist bei Kontroversen nicht für seine Feinfühligkeit bekannt. Szenen wie das Flughafen-Level aus Modern Warfare 2 wurden oft als reine Provokation gesehen, genauso wie der Giftgas-Angriff auf eine Familie in London in Modern Warfare 3.

Mit einem neuen Teil hat Call of Duty nun aber natürlich auch eine neue Chance, diese Vergangenheit hinter sich zu lassen und das Blatt zu wenden. Vielleicht schafft es Infinity Ward mit Modern Warfare tatsächlich, emotionale wie realistische Geschichten vom Krieg zu erzählen.

Die Diskrepanz zwischen Single- und Multiplayer

Doch genau das führt uns direkt zum aktuellen Multiplayer-Reveal, mit dem Activision neue Spielmodi, Features und die wiederkehrenden Killstreaks vorgestellt hat. Schauen wir uns den zugehörigen Trailer an, dann ist dort nicht mehr viel zu sehen von "respektvollem" Umgang. Stattdessen wirkt das mit Metallica unterlegte Video eher, als würde der Krieg gefeiert werden.

Separat betrachtet ist es ein stimmungsvoller Trailer, der Lust auf packende und bombastische Multiplayer-Matches im typischen Call of Duty-Stil macht. Er steht aber im harten Kontrast zu dem, was die Entwickler in der Vergangenheit immer wieder beteuerten, mit Modern Warfare erreichen und aussagen zu wollen.

Eine Sache steht aktuell ganz besonders in der Kritik: In Modern Warfare wird es Weißen Phosphor als Killstreak geben. Killstreak bedeutet, dass wir nach einer gewissen Anzahl an Abschüssen als Belohnung Weißen Phosphor gegen unsere Gegner einsetzen können. Das ist jedoch nicht unproblematisch, wie die aktuelle Diskussion online beweist.

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Warum ist Weißer Phosphor ein Problem?

Erstmal kurz zur Einordnung: Was ist bzw. was macht Weißer Phosphor eigentlich? Ihr könnt euch die Waffe bei der Freisetzung als weißes Pulver bzw. Rauch vorstellen, das sich überall verteilt und hoch entzündlich ist. Die Waffe ist nicht per se verboten und wurde in den vergangenen Jahren mehrfach eingesetzt, auch von den USA (via Mintpress).

Weißer Phosphor kann extrem starke Verbrennungen bis auf die Knochen verursachen, die mit Napalm vergleichbar sind. Das Pulver macht eine Behandlung nach einem Angriff nahezu unmöglich, da es sich auch Tage später noch entzünden kann, wenn z.B. angelegte Bandagen abgenommen werden, oder versucht wird, das Pulver von der Haut zu lösen. Mit anderen Worten: Wer von weißem Phosphor getroffen wird, stirbt einen langsamen und qualvollen Tod (via Human Rights Watch).

Die Beschreibung des Killstreaks macht deutlich, dass die Waffe explizit zum Verbrennen von Gegnern eingesetzt werden soll und nicht nur als Rauchwand. Die Beschreibung des Killstreaks macht deutlich, dass die Waffe explizit zum Verbrennen von Gegnern eingesetzt werden soll und nicht nur als Rauchwand.

Deswegen wird schon länger darüber diskutiert, ob und wann der Einsatz dieser Waffe als Kriegsverbrechen eingestuft werden sollte (via Human Rights Watch). Eigentlich dient Weißer Phosphor zur Erzeugung einer Nebelwand, die undurchsichtig ist und den Feind damit verwirrt. Solange die Waffe nicht direkt gegen Menschen eingesetzt wird, ist sie daher nicht verboten. In Modern Warfare kann, bzw. soll sie jedoch direkt zum Verbrennen von Gegnern eingesetzt werden und nicht nur als Rauchwand, wie die Killstreak-Beschreibung zeigt. Also quasi im kompletten Gegenteil zu der "offiziellen" Anwendung in der Realität.

Was sagt Activision dazu?

Gegenüber GameSpot hat sich der Publisher nun zur Einbindung von Weißem Phosphor geäußert. Wirklich einsichtig bezüglich der Kritik zeigten sich Art Director Joel Emslie und Audio Director Stephen Miller nicht. Stattdessen verweisen sie auf andere Killstreaks wie Atombomben, die schon länger Teil der CoD-Killstreaks sind:

"Im Endeffekt ist es ein realistisches Spiel. Es ist für Erwachsene freigegeben und, naja, am Ende des Trailers hat man eine Atombombe bei der Explosion gesehen."

Über den Widerspruch zwischen dem angestrebten, respektvollem Ton des Einzelspielers und dem auf Action und "Coolness" getrimmten Multiplayer, sagt Emslie, dass es sich um zwei getrennte Modi handelt, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Während sich die Story um Charaktere und deren Schicksale dreht, gehe es im Multiplayer vor allem um Spaß.

Atombomben & Weißer Phosphor: Was ist der Unterschied?

Call of Duty hat schon andere Waffen wie Atombomben und Napalm dargestellt. Call of Duty hat schon andere Waffen wie Atombomben und Napalm dargestellt.

Die Aussage bezüglich der Atombombe ist natürlich korrekt, Waffen dieser Art sind tatsächlich ein fester Bestandteil der CoD-Multiplayer-Vergangenheit und natürlich sind Atombomben in der Realität grauenvoll. Auch Napalm, das genau wie Weißer Phosphor für extreme Verbrennungen sorgt, war beispielsweise in Black Ops vertreten. Allerdings ist Weißer Phosphor eben gerade jetzt, in der aktuellen Zeit, ein viel diskutiertes Thema und wird im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen erwähnt.

Im Falle von Atombomben oder Napalm sorgt der historische Abstand zum Zweiten Weltkrieg oder dem Vietnamkrieg in den Augen vieler Kritiker für eine emotionale Distanz, die die Darstellung moralisch vertretbarer macht. Beide Waffen sind leider nicht aus der Welt geschafft, aber aktiv eingesetzt werden sie aktuell nicht. Verschiedene internationale Verträge sollen den zukünftigen Einsatz von Atomwaffen zudem verhindern (via UN).

Es geht auch anders. Dabei hat sogar schon ein anderes Videospiel vorgemacht, wie ein Shooter Weißen Phosphor einbauen kann, ohne dass es zu einer "spaßigen Belohnung" verkommt. Wer Spec Ops: The Line gespielt hat, wird sich noch daran erinnern, wie dort die Auswirkungen der Waffe dargestellt wurden. Entwickler Yager hat die Spieler ebenfalls Weißen Phosphor einsetzen lassen, allerdings zeigte das Spiel auch eindrücklich die Konsequenzen dieser Entscheidung, die sich bis zum emotionalen Finale von Spec Ops durchzogen.

In Spec Ops: The Line musste der Spieler gezwungener Maßen Weißen Phosphor einsetzen. Der Rest des Spiels handelte eindrucksvoll von den Konsequenzen. In Spec Ops: The Line musste der Spieler gezwungener Maßen Weißen Phosphor einsetzen. Der Rest des Spiels handelte eindrucksvoll von den Konsequenzen.

Eine Frage der Herangehensweise

Doch inwieweit lassen sich Einzel- und Mehrspielermodus inhaltlich voneinander trennen, so wie es Emslie andeutet? Mit dieser Aussage widerspricht er sogar seinem Kollegen Jacob Minkoff, Gameplay Director bei Infinity Ward. Dieser beschrieb die drei Teile Einzelspieler, Mehrspieler und Koop in der Vergangenheit als Elemente eines großen Ganzen, die sowohl im Gameplay, als auch inhaltlich nahtlos ineinander übergehen.

Bisherige Call of Dutys konzentrierten sich in der Kampagne auf Hollywood-Bombast-Action und setzten diese, auf ihre überspitzte Art und Weise, im Multiplayer fort. Ob ein starker Bruch zwischen einer emotionalen, ernsten Erzählung über die Grausamkeiten des Krieges, und einem auf "coole Action" getrimmten Multiplayer wirklich aufgeht, ist fraglich.

Eine jetzt im Moment wegen ihrer Grausamkeit stark umstrittene Waffe als Belohnung für gutes Spielen einzuführen, in einem Shooter, der sich selbst respektvollen Umgang mit schwierigen Kriegs-Situationen auf die Fahne schreibt, wirft viele Fragen auf. Es ist grundsätzlich kein Problem, solche umstrittenen Waffen und Thematiken in einem Medium zu verbauen. Das haben etliche Filme, Bücher oder Spiele wie Spec Ops: The Line bereits bewiesen. Bei Modern Warfare ist es vor allem das "Wie", das in der Kritik steht.

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