Hell is Us wirft uns unvorbereitet in eine düstere und extrem mysteriöse Welt, in der wir Melee-Kämpfe aus der Third-Person-Perspektive bestreiten und an jeder Ecke Geheimnisse entdecken. Wollen wir die ganze kryptische Story verstehen, müssen wir außerdem aufmerksam Dokumente lesen. Moment mal, das klingt doch nach … halt, stopp! Hier erwartet euch kein Soulslike – und nein, trotz vieler Rätsel steckt hier auch kein klassischer Survival-Horror drin.
Vielmehr bekommen wir vom kanadischen Entwickler Rogue Factor ein Action-Adventure, bei dem wir am Anfang wie der Ochs vorm Kultistenberg standen, weil das Spiel auf Orientierungshilfen wie Questmarker und eine Map komplett verzichtet. Als wir uns darauf eingelassen haben, hat uns die grausame Welt mit ihren antiken Bauwerken für uralte Götter und moderner Technologie aber derart fasziniert, dass wir immer weiter spielen wollten.
Triggerwarnung: Hell is Us spielt in einem (fiktiven) Bürgerkrieg und den erleben wir mitsamt schonungsloser Brutalität in allen Facetten. Das beinhaltet unter anderem auch Gewalt gegen Kinder und sexuelle Gewalt.
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Hell is Us: Das dämonische Action Adventure hat ein Release-Date
Die Hölle kommt ohne Bedienungsanleitung
Hell is Us schickt uns in ein kleines, vom Rest der Welt völlig abgeschottetes Land namens Hadea und konfrontiert uns mit den Folgen eines ewig schwelenden Bürgerkriegs zwischen zwei Gruppierungen: den religiös-konservativen Palomisten und den gemäßigten Sabinern, die Technik anstelle von alten Göttern huldigen.
Wir schlüpfen in die Rolle eines Mannes namens Remi, der zu keiner der beiden Fraktionen gehört und schlagen uns durch eine zugleich fremdartige und vertraute Welt. Dabei versuchen wir, verzweifelten Menschen zu helfen, Rätsel zu lösen, um neue Areale freizuschalten und vermöbeln auf dem Weg noch bizarre Nackedei-Monster mit offenen Bäuchen.
Die stärkeren von ihnen spawnen schützende Entitäten, die wir dann zuerst erledigen müssen, bevor wir bei ihnen Schaden verursachen können und das Kampfsystem kommt mit einigen eigenen Kniffen, wie dass wir Waffen statt unserem Charakter leveln.
Zunächst sind wir ganz schön planlos durch Dörfer, Sümpfe und Wälder gestolpert oder haben uns gefragt, warum wir die mysteriösen Zeitschleifenkuppeln, die manche Monster bewachen, einfach nicht betreten dürfen. Allein die Orientierung war eine Herausforderung. Das Menü haben wir nach dem ersten Öffnen ganz schnell wieder geschlossen, weil es uns mit seiner Kleinteiligkeit komplett überfordert hat und mit unserem Inventar ging es uns ähnlich.
Das war nämlich ruckzuck prall gefüllt mit Gegenständen, bei denen wir keinen blassen Schimmer hatten, was wir damit eigentlich anstellen könnten. Und auch auf die Frage, warum wir die Zeitschleifen nicht betreten dürfen, bekamen wir erstmal keine Antwort.
Die Geschichte gibt sich nicht weniger kryptisch: Wir spielen einen Mann namens Remi, der offenbar von einer zwielichtigen Organisation gefangen gehalten wird. In einem Lügendetektor-Verhör muss er einem Typen, dem “Oberfiesling” praktisch ins Gesicht geschrieben steht, Rede und Antwort stehen. Was Remi ihm dabei erzählt, spielen wir auf unserer rund 25- bis 30-stündigen Reise durch Hell is Us nach.
Alles beginnt damit, dass Remi sich in Hadea einschleust, um dort nach seinen Eltern zu suchen. Warum, wissen wir zunächst nicht so genau und was dort eigentlich los ist, gilt es ebenso herauszufinden. Die Frage, was die einzelnen Akteur*innen antreibt und wo sie ihre Finger im Spiel haben, hat uns während der ganzen Zeit gefesselt. Nur das Ende wirkte dann doch etwas gehetzt und kam sehr plötzlich.
Während unseres düsteren Roadtrips wird alles klarer
Auf unserer Reise schalten wir ein Gebiet nach dem anderen frei und jedes hat seinen eigenen Reiz. Ein blumenbewachsenes Seeufer stellt einen krassen Kontrast zum düsteren Marschland dar, ein Areal mit dickem Nebel lässt Silent Hill-Vibes aufkommen und ein gigantischer Bollwerksturm wirkt hingegen eher surreal.
Zwischen den Gebieten, die mal offener, mal Dungeon-artiger sind, reisen wir mit einem militärischen Fahrzeug hin und her. Nachdem wir die Journalistin Tania in Akt 1 aufgabeln, begleitet sie uns auf unserer Reise. Mit ihr bekommen wir dann auch ganz neue Möglichkeiten:
Sie kann nämlich mysteriöse Items identifizieren und endlich ihren Nutzen enthüllen. Damit löst sich das Inventar-Rätsel! Auf ähnliche Weise klären sich nach und nach viele Dinge, die uns anfangs verwirrt haben, beispielsweise, wie wir Zutritt zu Zeitschleifen bekommen.
Technik: Im von uns getesteten 60 fps-Modus (Leistungsmodus) sind uns in Version 1.004 besonders beim Sprinten durch offene Gebiete immer wieder kleinere Framerateeinbrüche aufgefallen. Das hat aber nur optisch gestört und uns nicht etwa bei den Kämpfen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Hinzu kommen allerdings in einigen Arealen starke Pop-Ins, die schon mal die Atmosphäre brechen können.
Leichen so weit das Auge reicht
Der Name von Hell is Us kommt nicht von ungefähr, denn auf jedem Meter stolpern wir über Leichen, NPCs berichten von Verzweiflung, Hass und Gräueltaten. Palomisten und Sabiner gehen in ihrem Konflikt gleichermaßen blutrünstig vor und machen auch vor Kindern nicht Halt.
Wir kommen zwar immer erst im Nachhinein an den Schauplatz der Taten, sie werden uns aber sowohl von Überlebenden geschildert als auch durch Environmental Storytelling schonungslos vor Augen geführt. An einigen Stellen sind die Darstellungen aber auch mal etwas drüber, das Spiel lässt alle Subtilität hinter sich und packt zu sehr den Vorschlaghammer aus.
Um die Gewaltspirale zu rechtfertigen, sprechen sich beide Fraktionen gegenseitig komplett ihre Menschlichkeit ab. “Diese Monster”, heißt es dann. Dabei hat Hadea ja auch noch sein Monsterproblem im klassischen Sinne. Wo diese Kreaturen herkommen – darüber gibt es nur Theorien.
Das gilt übrigens für die gesamte Hintergrundgeschichte: Diese wird nicht vollständig vor uns ausgebreitet, sondern lässt sich nur zusammenpuzzlen, indem wir Dokumente lesen und Charaktere zu einzelnen Gruppierungen, Orten und Geschehnissen befragen. Die vertreten dann logischerweise sehr unterschiedliche und oft konträre Sichtweisen.
Die gute Tat im Heuhaufen
Die Überlebenden haben aber nicht nur nützliche Informationen, sondern auch eigene Anliegen. Diese “Gute Tat” genannten Nebenaufgaben gilt es aber auch erst einmal zu durchschauen.
Da Hell is Us auf Questmarker verzichtet und sich die Figuren nicht immer ganz klar ausdrücken, sondern manchmal auch mehr Geschichten erzählen als Wünsche äußern, müssen wir stets aufmerksam sein und mitdenken.
Was wir wie erledigen, hat außerdem große Auswirkungen: Das versteckt gehaltene Baby verhungert einfach, wenn wir nicht rechtzeitig darauf kommen, wo Milch zu finden ist, der in Kriegsgefangenschaft lebende Musiker wird aufgehängt, wenn wir ihm nur eins statt zwei Notenblätter bringen. Das Stöbern nach den richtigen Objekten gleicht teilweise der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Als wir uns jedoch darauf eingestellt hatten, dass uns das Spiel nichts vorkaut, wurde der anfängliche Stolperstein zur größten Stärke: Wir haben nach markanten Landmarken Ausschau gehalten, zugehört, Notizen gelesen und sogar im echten Leben selbst in ein Büchlein geschrieben. Das gilt nicht nur für die Guten Taten, sondern für das ganze Spielerlebnis.
Barrierefreiheit und Sprache:
Hell is Us verfügt über ein separates Barrierefreiheits-Menü mit folgenden Optionen:
- Wackeln der Kamera: ein/aus
- Bewegungsunschärfe: voll/reduziert/minimal
- Farbenblindheits-Einstellungen: Typ, Kompensation von 0-10
- Direktionales Audio: ein/aus (grafische Darstellung der Entfernung und Richtung von Geräuschen)
Zusätzlich finden sich einige weitere Optionen in anderen Reitern, hier einige Beispiele:
- Für Sprint (unter Steuerung): umschalten/halten
- 3 Schwierigkeitsgrade (unter Gameplay) und separate Anpassung zu Feind-Leben, -Schaden und -Verhalten
- Größe und Stil von Untertiteln anpassen
Sprache: englische Vertonung mit deutschen Untertiteln und Bildschirmtexten
Von einem Geheimnis zum nächsten knobeln
Die Erkundung in Hell is Us wirkt organisch und wieder etwas Neues zu entschlüsseln, löst immer ein Glücksgefühl aus, eben gerade, weil uns das Spiel zutraut, selbstständig zu denken. In kleinen Geheimräumen, für die wir manchmal erst in nachfolgenden Arealen Schlüssel oder Codes finden, winken aber auch stets nützliche Ressourcen.
Vor komplexe Rätsel stellen uns Story-Dungeons: Hier verrät beispielsweise eine Notiz das Passwort eines Computers, die darauf gespeicherten Forschungsdokumente geben vage Hinweise darauf, wie wir die Symbole in den umliegenden Räumen interpretieren müssen – oder aber, welche Aufzeichnung weitere Infos enthalten. Schließlich müssen wir alles richtig interpretieren, um dann Ornamente an ganz bestimmten Stellen in den Wänden einzusetzen.
Ein paar Souls-Zutaten, aber in einem anderen Rezept
Auch bei den Kämpfen gegen die Nackedei-Monster kommen immer wieder kleine Neuerungen dazu, für die Spieldauer aber viel zu wenig, sodass sich die Scharmützel ganz schön abnutzen - und das, obwohl Hell is Us spannende Ideen hat.
Die Nahkampfgefechte bedienen sich am typischen Souls-Repertoire, funktionieren dieses aber ein wenig um: Wir haben ein paar unterschiedliche Waffen, leichte, schwere und aufgeladene Angriffe, eine Ausweichtaste, Blocks und Paraden. Zusätzlich kann unsere Drohne Monster ablenken und zusätzliche Spezialangriffe auslösen.
Auf unsere Waffe, die automatisch beim Kämpfen levelt, können wir außerdem mittels eingesetzter Glyphen noch Spezialangriffe und Passives obendrauf packen.
Fürs Sterben gibt es in Hell is Us keine Bestrafung, wenn wir das nicht explizit in den Einstellungen aktivieren. Wir starten sonst einfach beim letzten der großzügig gesetzten Checkpoints. Und verlassen wir ein Gebiet nicht, stehen getötete Monster in dem Fall auch nicht wieder auf.
Die Heilmechanik kommt mit einem besonderen Kniff: Haben wir Treffer kassiert, können wir erst mal nur LP zurückgewinnen, wenn wir Monster mehrmals treffen, ohne selbst getroffen zu werden. Unsere Lebensleiste, beziehungsweise ein Kreis um Remi gibt dann einen Heil-Impuls und um den zu nutzen, müssen wir innerhalb eines knappen Zeitfensters eine Schultertaste drücken.
Das erinnert ein wenig an den KI-Puls aus Nioh, mit dem wir aber Ausdauer statt Leben regenerieren. Diese Heil-Mechanik in Hell is Us wird allerdings schnell obsolet, weil wir Alternativen bekommen, beispielsweise durch Glyphen-Passives, die bei Gegnertod automatisch heilen. Auch klassische Heilitems wie Medi-Packs gibt es im Spiel zu finden.
Ein bisschen wie mit Kanonen auf Spatzen schießen
Wir haben also zahlreiche Möglichkeiten, Feinde anzugehen, während die Monster nicht so viele Kniffe auf Lager haben. Neben klassischen Nah-, Fern- und Flächenangriffen entfesseln die stärkeren eine schützende Entität, die wir zuerst beseitigen müssen, um sie erledigen zu können.
Diese Wesen gehören unterschiedlichen Elementen wie “Wut”, “Ekstase” oder “Terror” an, auf die wir auch unsere Waffen einstimmen können, um die jeweils passenden Glyphen zu nutzen. Zwingend notwendig ist das aber nicht. Die “Elemente” spielen aber auch in der Story eine Rolle.
Anfangs treffen wir immer wieder auf neue Monster-Variationen, aber nach rund sieben bis acht Stunden haben wir eigentlich alles gesehen – und gerade da die Angriffsmuster so wenig variieren, sind die Kämpfe auf dem normalen Schwierigkeitsgrad nicht sonderlich fordernd.
Versteht uns nicht falsch: Die Gefechte sind nicht mies designt und ein bisschen Action tut dem Spiel generell gut. Sie sind aber im Gesamtpaket mit Abstand der schwächste Baustein, vor allem in Sachen Umfang und Abwechslung.
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