Mein Herz für Klassiker - Ich, Metal Gear Solid 2 & mein Abschied von der Kindheit

Am 13. Juli feierte das allererste Metal Gear seinen 30. Geburtstag. Grund für mich, auf mein erstes Stealth (und Schieß)-Abenteuer von Hideo Kojima zurückzublicken.

Metal Gear Solid 2 war mein erstes "Schießspiel". Metal Gear Solid 2 war mein erstes "Schießspiel".

Metal Gear Solid genießt mittlerweile einen unangefochtenen Klassiker-Status im Genre des Stealth. Seinen ersten Auftritt zelebrierte Solid Snake, der grummelige, selbsternannte Nicht-Held der Geschichte, nicht aber mit diesem vielzitierten Titel, sondern mit Metal Gear, dem oftmals verschmähten und jetzt sogar schon 30 Jahre alten Urgroßvater der Reihe.

Das bereits 1987 auf dem MSX2-Heimcomputer erschienene 2D-Schleich-Action-Spiel legte zusammen mit seinem direkten NES-Nachfolger aus dem Jahr 1990, Metal Gear 2: Solid Snake, den Grundstein für eine der bekanntesten und am längsten währenden Videospielserien überhaupt.

Mit Metal Gear Solid verband Hideo Kojima (damals) beeindruckende 3D-Grafik und cineastische Zwischensequenzen mit einer ernsten wie völlig abstrusen Agentengeschichte und erschuf Meilenstein des Stealth-Genres. Zusammen mit Dark Project: Der Meisterdieb machte Metal Gear Solid in den Jahren 1998 und 1999 ein Genre salonfähig, das vor seiner Blütezeit in einer stockdusteren Nische hockte.

Solid Snake konnte in MGS2 nur während einer kurzen Mission auf einem Tanker gespielt werden. Solid Snake konnte in MGS2 nur während einer kurzen Mission auf einem Tanker gespielt werden.

Ich selbst tauchte erst später in Kojimas Agentenwelt ein. Zwar kannte ich Metal Gear Solid aus einigen Nachmittagsbesuchen bei einem Schulfreund, jedoch erlaubten mir meine auf Jugendschutz bedachten Eltern zunächst nicht, mich selbst in das gewalttätige Abenteuer auf Shadow Moses zu stürzen.

Erwachsenwerden mit den Sons of Liberty

Mein Einstieg ins Universum ging stattdessen etwas rumpelig vonstatten und war das Ergebnis einer quängeligen Kinderseele, die sich nicht mehr mit freundlichen Spielen wie Pokémon und The Legend of Zelda zufrieden geben wollte.

Ich startete nicht bei der Eins, sondern bei der Zwei: Am 8. März 2002 erschien die langersehnte Fortsetzung des PlayStation-Klassikers, Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty für die PS2. Mittlerweile selbst im Besitz der zweiten Sony-Konsole sehnte ich mich plötzlich nach angesagten, "erwachseneren" Videospiel-Erfahrungen. Als ich das Spiele-Cover von Metal Gear Solid 2, verziert von der künstlerischen Hand Yoji Shinkawas, im Laden entdeckte, musste ich es haben: Zu sehen war die Zentralfigur Solid Snake, bärtig, langhaarig und mit einer schallgedämpften Waffe in der Hand.

Das Symbol meiner ganz eigenen Rebellion gegen die Kindheit hing einige Zentimeter über mir im Regal und ich brauchte nur einen Erwachsenen der mir das Spiel herunterholt und in die aufgeregten Händchen drückt.

In Metal Gear Solid 2 müssen wir uns unter anderem mit "Metal Gear Ray" anlegen. In Metal Gear Solid 2 müssen wir uns unter anderem mit "Metal Gear Ray" anlegen.

Mit Tränen und einem Schwall von sich wiederholenden Gegenargumenten gewann ich die anschließende lange Diskussion mit meinem Vater und bekam mit zwölf Jahren mein erstes "Schießspiel". Das, was eigentlich ein Stealth-Titel ist, modelte ich in meiner Begeisterung, in einem Spiel endlich einmal kräftig herumballern zu dürfen, einen Third Person-Shooter um.

Die Möglichkeit, mit Schusswaffen - ob betäubende M9 oder tödliche Ak47 - auf (zuweilen in ihrer Wahrnehmung etwas beschränkte) feindliche Soldaten zu schießen, nutze ich konsequent aus. Die eigentliche Essenz des Spiels, das Schleichen, ignorierte ich während meiner ersten zwei Spieldurchläufe gekonnt. Den Reiz des Stealth-Gameplays lernte ich erst später zu schätzen.

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Neben Final Fantasy X ist Metal Gear Solid 2 eines der Spiele, die ich bis heute wohl am meisten durchgespielt habe. Damals besaß ich nicht viele PS2-Titel und musste eben zwischen diesen beiden wählen. Das hatte in der Retrospektive aber durchaus Vorteile.

Nach meinen vielen Durchläufen, in denen ich ausschließlich wild umhergeballert habe, erprobte ich jede noch so abwegige Schleich-Strategie, entdeckte viele Easter Eggs wie Kojimas Cameo-Auftritte, schimpfende Papageien und rachsüchtige Möwen. Dass ich aufgrund mangelnder Spiele-Alternativen im Regal gezwungen war, Metal Gear Solid 2 vollkommen auszureizen, ist letztendlich der Grund, warum mir der Titel heute so am Herzen liegt.

Genialer Wahnsinn

Zur Überraschung Vieler beginnt Metal Gear Solid 2 nicht mit dem Zigaretten rauchenden Bandana-Träger, der das Cover des Spiels ziert. Die Eröffnungssequenz startet mit Raiden, einem grazilen Jüngling mit mittellangem blonden Haar, den wir für die meiste Zeit des Spiels steuern.

Weil ich Snake nur sporadisch kannte, akzeptierte Raiden hingegen schnell und begab mich auf die Meeresreinigungsanlage Big Shell, um nicht nur eine Handvoll Geiseln, sondern auch den US-amerikanischen Präsident höchstpersönlich aus den Fängen einer terroristischen Organisation zu befreien. Den titelgebenden Sons of Liberty.

Der fast unsterbliche Vamp ist wohl einer der markantesten Bösewichte des Spiels. Der fast unsterbliche Vamp ist wohl einer der markantesten Bösewichte des Spiels.

Aber wie von den Spielen der Metal Gear Solid-Reihe gewohnt, ist das nur der winzige Aufhänger einer so komplexen Geschichte, die so wuchtig und verwirrend ist, dass ich sie als Zwölfjährige eigentlich nur halb verstand. Hideo Kojimas genialer Wahnsinn wirbelte wie ein Schwarm Heringe durch meinen Kopf. Manchen konnte ich fassen, manch Anderer entglitt mir vollends.

Letztendlich spielte das aber keine Rolle. Ich hatte meinen Spaß an Metal Gear Solid 2, ob ich die Geschichte nun greifen konnte oder nicht. Das, was ich verstand und erlebte, reichte aus, um mir bis heute in Erinnerung zu bleiben und mich nachhaltig zu prägen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 15. September 2015 auf gamespilot.de und wurde für die Neuveröffentlichung überarbeitet.

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