Seite 2: Das Piepen im Ohr - Wie Spiele & Spieler mit Tinnitus umgehen

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Hoffnungsträger White Noises

Zurück auf meiner Couch lagen mittlerweile Kortisonpackungen und homöopathische Wundermittel um mich herum ausgebreitet: Mein Ohrgeräusch hatte mich in der Nacht kaum schlafen lassen und ließ sich weder mit Kopfhörern und Musik, noch absoluter Stille lindern. Tatsächlich stellten sich ruhige Spielabschnitte als besonders qualvoll heraus, wenn das Piepen des Tinnitus die gesamte Geräuschkulisse übertönte.

Ein vielfach ausgesprochener Tipp für Betroffene sind White Noises, also aufgenommene Umgebungsgeräusche wie Regenschauer oder Meeresrauschen, die sich unter die fast stillen Szenen auf dem Bildschirm legen und den Tinnitus ein wenig verschleiern. Auf Spotify und YouTube gibt es mittlerweile hunderte White Noise-Alben, die vom Akustik-Ausflug in den Amazonas bis zum Rundgang durch die Maschinenräume der Normandy, des Raumschiffs aus Mass Effect, fast jedes nur erdenkliche Hintergrundrauschen auf Abruf verfügbar machen.

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Allerdings helfen diese White Noises nicht bei der Heilung. Sie überdecken lediglich die Symptome des Ohrenrauschens und scheinen bei einigen Spielen und Soundeffekten je nach Tinnitus-Frequenz gar keine Erleichterung zu verschaffen. Auf Steam berichten Spieler immer wieder von bestimmten Soundeffekte, die sich nicht nur nicht verschleiern lassen, sondern offenbar auch noch kurzzeitig ihren Tinnitus verstärken. Mit den Beiträgen wollen sie die Entwicklerteams auf das Problem hinweisen und im Idealfall irgendeine Form der Anpassung erwirken.

Im Juli 2016 wandte sich beispielsweise der Steam-User "All according to keikaku" mit einem Posting auf der öffentlichen Feedback-Seite des Multiplayer-Survival-Spiels Dead by Daylight an die Entwickler: Er erklärte, dass er als Tinnitus-Patient stark eingeschränkt sei und sogar physische Schmerzen habe, wenn er den Charakter "Hillbilly" spiele und die Kettensäge einsetzt.

Hier müsse er jedes Mal die Lautstärke des Spiels so weit herunterdrehen, um Schmerzen im Ohr zu vermeiden, dass er infolge dessen auch keine anderen Geräusche im Spiel mehr hören kann - ein großer Nachteil in einem Spiel, in dem die Wahrnehmung der Umgebung unheimlich wichtig ist.

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Er schlägt als mögliche Lösung für dieses Problem vor, dass der Ton entweder angepasst oder zumindest ein Warnhinweis für Tinnitus-Patienten bei diesem Charakter eingeblendet wird. Ein Moderator der Steam-Page versprach daraufhin, die Anregungen an die Entwickler weiterzugeben, aber auch ein Jahr später zum Release der PS4-Version wurden keine Änderungen vorgenommen. Auf meine Nachfrage reagierten die Entwickler von Behaviour Interactive ebenfalls nicht.

Das ist beileibe kein Einzelfall: Beiträge wie der von "All according to keikaku" finden sich immer wieder auf den Steam-Seiten verschiedenster Spiele und scheinen wiederholt ins Nichts zu führen.

Postings wie diese tauchen immer wieder auf den Steam-Pages verschiedenster Spiele auf. Postings wie diese tauchen immer wieder auf den Steam-Pages verschiedenster Spiele auf.

Gleichzeitig schalten sich oftmals andere, nicht betroffene User ein und schlagen wenig hilfreich vor, dass die Tinnitus-Patienten doch einfach aufhören sollen, dieses oder jenes Spiel zu spielen. Bisher müssen Tinnitus-Patienten nach erfolgloser Medikation und Direktbehandlung eigene Wege finden, um die Ohrgeräusche so gut es geht auszublenden und in ihrem Alltag so ungestört wie nur möglich sein zu können. Das gilt für jedes Einschlafen, jede Ruhepause - und auch für Videospiele.

Bei einem Verdacht auf Tinnitus ist der Gang zum Haus- oder Ohrenarzt als erste Reaktion wichtig, um mögliche Ursachen wie Infektionen oder Entzündungen im Gehörgang festzustellen und die richtige Medikation zu ermöglichen. Hier bekommt ihr auch Tipps, wie ihr am besten mit eurer persönlichen Tinnitus-Frequenz verhalten solltet, um weitere Schäden zu verhindern.

Nach seinem Arztbesuch hat Salith einige Tricks herausgefunden, die für ihn sehr gut funktionieren und die er bereitwillig mit mir geteilt hat:

"Ich empfehle jedem Betroffenen, immer mit Kopfhörern zu spielen und die Musik ein wenig herunterzuregeln, sofern das möglich ist. Dafür die Umgebungsgeräusche ein wenig lauter machen und die Untertitel einschalten, das hilft zumindest bei der Frequenz meines Tinnitus sehr gut."

Dieser Tipp war auch in meinem Fall hilfreich, bis mein Tinnitus nach etwa einer Woche und starker Medikation wieder verschwand. Das ständige, nagende Geräusch aber, das mich für eine kurze Zeit nicht mehr zur Ruhe kommen ließ, habe ich noch immer nicht vergessen. Ebenso wenig wie die große Gemeinschaft von Tinnitus-Patienten, die Videospiele lieben und eigene Tipps und Tricks austauschen, um weiterhin ihr Hobby genießen zu können. Denn mit Beistand von den Entwicklern können sie in vielen Fällen bis heute leider nicht rechnen.

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