Seite 2: Watch Dogs - Der Hacker, der (zu?) viel wollte

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Mit dem Poller gegen die Polente

Einen ganz ähnlichen Effekt befürchten wir auch beim übrigen Open-World-Hacking. Ohne den Kontext einer Mission macht's zwar einen gewissen diebischen Sandkasten-Spaß, alle Ampeln auf Grün zu schalten und den unvermeidlichen Unfall aus sicherer Distanz zu beobachten, aber nachdem es dazu bloß einen spielerisch gehaltlosen Knopfdruck braucht, wird das Quatschmachen nach dem dritten oder vierten Mal fade. Richtig gut funktioniert der Open-World-Aspekt von Watch Dogs dann, wenn mehrere Systeme ineinander übergreifen.

Da staunt die Polizei nicht schlecht: Wir manipulieren die Stadt gegen unsere Verfolger. Da staunt die Polizei nicht schlecht: Wir manipulieren die Stadt gegen unsere Verfolger.

Wenn wir also beispielsweise den Fahrer eines schicken Sportwagens aus seinem schicken Sportwagen zerren, ein Zeuge prompt die Polizei alarmiert, wir anschließend im Affentempo durch die Straßen jagen und Ampeln umschalten, Poller hochfahren lassen oder Dampfrohre zur Explosion bringen, um die Verfolger abzuschütteln, und dabei peinlich genau darauf achten, keinen Fußgänger zu überfahren, denn im Gegensatz zu einem harmlosen Diebstahl (ist ja für eine gute Sache!) kostet sowas Reputationspunkte.

Überhaupt, das Fahren: Die meisten angespielten Autos und Motorräder steuern sich griffig, nur gelegentlich fanden wir uns in einem schwammigen Untersatz wieder, aber das könnte natürlich auch an der - zeitlich bedingt - überschaubaren Stichprobengröße liegen. Die Verkehrs-KI erschien uns unterdessen sehr ordentlich, bloß an Ampeln werden die computergesteuerten Fahrer regelmäßig zu Rampensäuen, vermutlich um beeindruckendere Unfälle zu provozieren. Die Polizei wiederum agiert angenehm zäh und aggressiv, rummst uns gerne mal in die Seite, blockiert die Straße oder fordert Verstärkung an.

Feature-Overkill

Zu Spielbeginn stehen uns übrigens nur einige rudimentäre Hacking-Möglichkeiten zur Verfügung. Um aufwändigere Systeme wie bewegliche Brücken hacken zu können, müssen wir zunächst die benötigten Fähigkeiten freischalten. Dazu wiederum braucht es Skillpunkte, die wir beim Erreichen einer neuen Erfahrungsstufe erhalten. Insgesamt gibt's 52 Hauptfähigkeiten in vier Skillbäumen: Hacken, Kampf, Fahren und Handwerk - wobei Hacken und Kampf den Löwenanteil einnehmen und mächtige Fähigkeiten mehr Skillpunkte kosten als einfache. Zusätzliche Fähigkeiten schalten wir außerdem über die Nebenbeschäftigungen frei; nahezu alles, was wir in der Spielwelt tun und erledigen können, involviert in irgendeiner Weise auch neue Skills.

Womit wir endlich bei den Dämonen und Riesenspinnen wären. Die sind integraler Bestandteil der sogenannten »Digital Trips«. Dabei handelt es sich um Virtual-Reality-Spiele, die wir über eine entsprechende App in Aidens Smartphone starten. Bei »Madness« beispielsweise sitzen wir in einem Höllenauto, auf den Straßen wimmelt es plötzlich von Dämonen, die wir unter Zeidruck gepflegt über den Haufen brausen, um einen Kombozähler nach oben zu schrauben. In einem anderen Trip steuern wir die mechanische Riesenspinne, springen von Hausdach zu Hausdach und ballern feindliche Soldaten um.

Ein bisschen Abwechslung für zwischendurch? Die »Digital Trips« machen uns zur zerstörerischen Riesenspinne. Ein bisschen Abwechslung für zwischendurch? Die »Digital Trips« machen uns zur zerstörerischen Riesenspinne.

Außerdem gibt's einen Trip, bei dem wir möglichst schnell eine ganze Reihe von blinkenden Münzen im 8-Bit-Super-Mario-Stil einsammeln sollen, ohne dabei rote Totenköpfe im 8-Bit-Pacman-Stil zu berühren. Manche dieser Trips besitzen eigene Fähigkeitsbäume, um bei »Madness« einen hohen Score zu erreichen, müssen wir spezielle Madness-Fähigkeiten mit speziellen Madness-Fähigkeitspunkten freischalten. Haben wir eigentlich schon erwähnt, dass Watch Dogs unter Featuritis leidet?

Ach, wir könnten an dieser Stelle noch von zahllosen anderen Nebenbeschäftigungen sprechen, von den Kurieraufträgen etwa oder vom Schach-, Poker und Hütchenspielen. Oder von den digitalen Knotenpunkten, die ähnlich wie die Aussichtstürme in Assassin's Creed 4 funktionieren. Oder von Gang-Verstecken zum Ausräuchern, die Piratenlager von Far Cry 3 lassen grüßen. Aber dann wären wir übermorgen noch beschäftigt.

Die schiere Menge an Nebenbeschäftigungen mag an einigen Stellen schon zu viel des Guten sein. Die schiere Menge an Nebenbeschäftigungen mag an einigen Stellen schon zu viel des Guten sein.

Als uns Ubisoft anhand eines Speicherstandes in den Mittelteil des Spiels schauen lässt, werden wir von den Möglichkeiten förmlich erschlagen. An jeder Ecke der Minimap blinkt uns irgendeine Tätigkeit entgegen, kaum ist der Multiplayer-Modus aktiviert, will ständig jemand mit uns um die Wette hacken. Für sich genommen machen diese Einzelteile durchaus Spaß - aber die Penetranz, mit der uns das Spiel laufend über Einblendungen dazu animieren will, doch endlich mal dieses zu probieren und jenes zu tun, kann einem schrecklich auf die Nerven gehen.

Immerhin lässt uns Watch Dogs während der Missionen konsequent in Ruhe. Man könnte jetzt natürlich einwenden, dass niemand dazu gezwungen wird, dieses ganze Klimbim überhaupt zu machen. Stimmt. Man könnte allerdings auch argumentieren, dass zu viele Features im Zweifelsfall den Spielfluss stören, jenen organischen »Flow«, den richtig gute Titel entfalten. Watch Dogs bewegt sich gefährlich nahe an der fließenden Grenze zwischen »ui, hier gibt's ja echt viel zu tun« und »langsam nervt's«. Ob das Spiel diese Grenze überschreitet - das dürfte beim Test in der kommenden Ausgabe eine der zentralen Fragen sein.

Watch Dogs - 14 Minuten Hacker-Action aus dem Open-World-Spiel Video starten 14:55 Watch Dogs - 14 Minuten Hacker-Action aus dem Open-World-Spiel

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