Mit einer neuen Lebenssimulation, die sich Die Sims als Vorbild nimmt, hat es kein Entwicklerstudio leicht. Paralives geht das Wagnis ein und startet ab dem 8. Dezember auf Steam in den Early Access. Viele Fragen sind zum Spiel noch ungeklärt, aber eine Sache macht das vergleichsweise kleine Projekt bereits besser als der koreanische Konkurrent Inzoi Anfang dieses Jahres.
Lieber kleinere Brötchen backen
Deutlich wird das zum Beispiel in einem Video zum anstehenden Release, in dem das Entwicklerteam zusammenfasst, was Fans mit dem Early Access-Start erwartet. Viel wichtiger ist aber die klare Kommunikation dessen, was im Dezember explizit nicht dabei sein wird.
Hier könnt ihr es direkt schauen, falls ihr es verpasst habt:
2:01
Paralives: Was euch zum Early Access-Start erwartet - und was nicht
Das sorgt für eine realistische Erwartungshaltung und die ist extrem wichtig. Direkt als erstes zeigt das Video etwa Bugs wie schwebende Figuren, die hier Paras heißen, oder eine Frau, die quer in ihrem Bett liegt. Damit ist eindeutig klar: Paralives ist noch nicht fertig.
In den sozialen Medien werden hin und wieder auch witzige Bugs vom Studio geteilt, etwa diese Para, die sich eine mehr oder weniger verdiente Pause gönnt – auf dem Gehweg.
Link zum Twitter-Inhalt
Auch wichtige Funktionen fehlen zum Start noch: Emotionale Reaktionen auf große Ereignisse wie Heiratsanträge gibt es erstmal nicht, genau wie die Möglichkeit, Partys zu organisieren oder befreundete Paras anzurufen. Auch in der kleinen Open World-Stadt gibt es für den Anfang kaum etwas zu tun und ihr könnt sie nicht bearbeiten.
All das und mehr soll im Laufe der zweijährigen Early Access-Phase folgen, aber wenn ihr am 8. Dezember einsteigt, solltet ihr euch auf klaffende Lücken im gewohnten Lifesim-Umfeld gefasst machen.
Das genannte Video, die offizielle Roadmap und eine übersichtliche Liste mit geplanten Features im Dezember auf der Website und sogar auf der Steam-Shopseite machen in meinen Augen sehr gut klar, mit welcher Erwartungshaltung Fans an den Release herantreten sollten.
Das wird auch von den Fans dankend angenommen. Die Top-Kommentare unter dem genannten YouTube-Video lauten etwa “Transparenz, ich liebe es” oder “Ihr habt es gehört, Leute, bitte gebt konstruktives Feedback”.
Das Risiko zu hoher Erwartungen
Was passieren kann, wenn dieser Aspekt schiefgeht, hat Inzoi uns erst vor ein paar Monaten demonstriert. Hier stapelten sich in der Community und in der Presse vor der Veröffentlichung große Hoffnungen auf einen vermeintlichen “Sims-Killer”, was nicht zuletzt auch auf das Marketing von Publisher Krafton zurückzuführen ist.
In den Trailern und Entwicklerinterviews wurde vorab viel versprochen: Fotorealistische Grafik, durch KI unterstütztes Verhalten der Zois, die wie echte Menschen agieren sollen und Inhalte, die es bei Die Sims nur gegen viel Geld als Addon zu kaufen gibt.
Im Gameplay-Trailer von vor einem Jahr, der allein mit diesem Upload über drei Millionen Views erzielt hat, steht sogar stolz dabei, dass alle Szenen echtes Ingame-Footage sind. Das mag stimmen, nur erweckt der schicke Trailer nicht den Eindruck, dass es sich um einen holprigen Start handeln könnte, im Gegenteil.
Auch der Early Access-Trailer kurz vor der Veröffentlichung lässt abseits des “Early Access” im Videotitel weitere Hinweise darauf vermissen, dass die Fans hier ein unfertiges Spiel erwartet und ihnen gerade kuratierte, auf hochglanz polierte Gameplay-Ausschnitte präsentiert werden.
Dementsprechend wundert es mich auch kaum, dass der Release im ersten Moment ein voller finanzieller Erfolg war. Laut Krafton kauften sich über eine Million Menschen den damals gehypten Titel bei Steam innerhalb der ersten Woche (via Krafton).
Doch kurz darauf folgte für viele die Ernüchterung: Ambitionen hin oder her, es war immer noch ein unfertiges Early Access-Spiel.
Hohe Erwartungen vieler Fans trafen auf matschige Texturen, Charaktere die zwar im Editor ultra detailliert waren, im Live-Modus aber zu PS2-Figuren verkommen, KI-Features die nicht mal im Ansatz das leisten, was versprochen wurde und klaffende Lücken beim Content.
Nun hat diese flächendeckende Enttäuschung viele Facetten. Eine davon ist, dass Krafton vor dem Release nicht müde wurde, das geplante, finale Produkt zu bewerben. Es wurde zu sehr außer Acht gelassen, die hoffnungsvollen Fans ausreichend auf den langen Weg zum fertigen Spiel aufmerksam zu machen, der bis heute vor dem koreanischen Studio liegt.
Inzoi kann am Ende noch eine tolle Lifesim werden, aber der Weg dahin scheint nun länger als nötig. Denn das Vertrauen vieler interessierter Fans dürfte erstmal beschädigt sein. Das deuten auch die kurz nach Release stark gesunkenen Livezahlen und die "ausgeglichenen" User-Reviews mit 68 Prozent auf Steam bis heute an – trotz größerer Updates wie dem kostenlosen Inselparadies-DLC.
Paralives macht es besser
Zumindest dieser Aspekt dürfte für Paralives weniger ein Problem werden. Das liegt auch an der überschaubaren Größe des Indie-Projekts, denn hier sind fotorealistische Grafik und neue technologische KI-Wunderwerke gar kein Thema. Im Gegenteil, allem Anschein nach wird Paralives erstmal ein sehr überschaubares Erlebnis.
Im bisher veröffentlichten Material wird etwa klar, dass wir für erstellte Figuren nur aus einer Handvoll Charaktereigenschaften wählen können. In Die Sims 4 gibt es mittlerweile insgesamt über 50 vergleichbare Traits und Inzois KI-Ansatz verspricht theoretisch zukünftig ebenfalls ein deutlich komplexeres Ziel.
Im Laufe des zweijährigen Early Access werden vermutlich noch weitere Features dazukommen, die auch das Charaktersystem komplexer machen und ausbauen, aber für einen stabilen Start erscheint mir der kleine Ansatz, der sich bei Paralives auch in anderen Bereichen zeigt, ziemlich gesund zu sein.
Dazu passt dann auch wunderbar, dass das Entwicklerteam zu hohe Erwartungen bremst und deutlich macht, dass uns hier im Dezember kein Lifesim-Epos erwartet, das mehrere hundert Stunden beschäftigen wird oder das Genre auf den Kopf stellt.
Auch wenn das alles keine Garantie für Erfolg bedeutet, finde ich die zurückhaltende Art der Kommunikation des Paralives-Teams für den Moment ziemlich sympathisch und bin gerne bereit, mich auf die zweijährige Early Access-Reise mitnehmen zu lassen.
Was denkt ihr: Muss eine neue Lifesim selbstbewusst auf den Tisch hauen, um sich neben einem Koloss wie Die Sims halten zu können oder seid ihr auch eher Fans von kleinen Brötchen?
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.