Press F to F*** – Sex in Spielen... und warum er so unbefriedigend ist

Gastautorin Nina Kiel erläutert in ihrem zweiteiligen Report auf GamePro.de, was Sex in Videospielen wie The Last of Us 2, God of War und Co. ausmacht - und warum er so unbefriedigend ist (Teil 1).

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In Naughty Dogs The Last of Us 2 dürfen wir unzählige Menschen brutal töten. Sex wird hingegen nicht interaktiv und weit weniger explizit dargestellt als die im Spiel gezeigte Gewalt. In Naughty Dogs The Last of Us 2 dürfen wir unzählige Menschen brutal töten. Sex wird hingegen nicht interaktiv und weit weniger explizit dargestellt als die im Spiel gezeigte Gewalt.

Neige das Gamepad, halte dann die linke, anschließend auch die rechte obere Schultertaste gedrückt und führe schließlich eine Vierteldrehung mit dem linken Analogstick aus. Wer bisher dachte, dass das Öffnen eines BHs in der Realität schon unnötig kompliziert sei, wird am virtuellen Techtelmechtel vermutlich verzweifeln.

Die oben beschriebene Szene aus dem 2010 erschienenen Heavy Rain steht nur exemplarisch dafür, was bei der Darstellung von Sex in Spielen schiefläuft... und das ist eine ganze Menge.

Dabei reicht die Geschichte des virtuellen Geschlechtsverkehrs weit zurück: Bereits Anfang der 80er Jahre erschienen mit Interlude und Softporn Adventure die ersten, noch ausschließlich textbasierten Erotikspiele. Zwar waren beide eher bieder, aber sie übten einen starken Einfluss auf die weitere Entwicklung des interaktiven Sex aus - insbesondere Softporn Adventure, das als Blaupause für das 1987 erschienene Grafik-Adventure Leisure Suit Larry in the Land of the Lounge Lizards diente, den ersten Teil einer beliebten und erst kürzlich fortgesetzten Reihe von Spielen.

Leisure Suit Larry nahm sich selbst nicht ganz ernst – dieser Umstand machte das Spiel zugänglicher. Leisure Suit Larry nahm sich selbst nicht ganz ernst – dieser Umstand machte das Spiel zugänglicher.

Der Titel trug mit seinem starken Fokus auf Komik maßgeblich dazu bei, Sex als Bestandteil von Games massentauglicher zu machen. Wer sich damals zu sehr schämte, um Samantha Fox Strip Poker zu spielen, konnte stattdessen den tollpatschigen Junggesellen Larry Laffer auf seiner Suche nach Liebe und Sex begleiten und durch den schrägen Humor Distanz zu den etwas schlüpfigeren Elementen des Spiels gewinnen. Unterdessen wurde in Japan mit den ersten Eroge (Erotic Games) der Grundstein für einen großen Wirtschaftszweig innerhalb der Pornoindustrie gelegt.

Nina Kiel
@Beurkeek

Nina Kiel ist Spielejournalistin und befasst sich schwerpunktmäßig unter anderem mit der Darstellung von Geschlecht und Sexualität in Games. Letzterem Thema hat sie bereits eine Artikelreihe und zwei Podcastformate gewidmet, aktuell spricht sie darüber monatlich im Podcast "Random Encounters" bei Insert Moin und arbeitet nebenher an Ihrem zweiten Buch. Ihr Lieblingsssexspiel ist und bleibt "Coming Out On Top".

Enttäuschte Hoffnungen

Im Spiele-Mainstream und speziell auf Konsolen existierte Sex trotzdem lange Zeit vor allem als vages Versprechen: Rettete man die Jungfrau aus ihrer Not, winkte die Chance, mit ihr auf Tuchfühlung zu gehen... was aber, wenn überhaupt, nur durch einen zaghaften Kuss angedeutet wurde. Stellte man sich im Dialog mit der Angebeteten geschickt an, wurde man mit Intimität belohnt... die sich dann allerdings fast immer fernab des Kamera-Sichtfelds abspielte.

Das Versprechen, es wurde nie explizit eingelöst, die Sehnsucht nie gestillt. Gängig war Sex zugleich in der Form von Sexualisierung, von unmöglichen Körpern und knappen Kleidern, die ebenfalls Hoffnungen weckten und anschließend enttäuschten.

Die God-of-War-Reihe zeigt explizite Gewalt – aber beim Sex schwenkt die Kamera verschämt weg. Die God-of-War-Reihe zeigt explizite Gewalt – aber beim Sex schwenkt die Kamera verschämt weg.

Als Sex schließlich doch ausdrücklicher und vor allem interaktiver Bestandteil von Spielen Einzug im AAA-Bereich hielt, präsentierte er sich als langweiliges Gimmick. Während sich etwa Kratos in der God of War-Serie dynamisch und spielerisch anspruchsvoll durch Heerscharen von Gegnern metzelte, wurde der punktuell vorkommende Sex zum Quick Time Event degradiert und, im Gegensatz zur Gewalt, nicht explizit gemacht. Kaum hatte man den Geschlechtsakt eingeleitet, schwenkte die Kamera zum Beispiel auf einen Alltagsgegenstand, der im Takt der Stöße wackelte, während man im wahrsten Sinne die richtigen Knöpfchen bei den immer willigen Partnerinnen drückte.

Mechanische Akte

Wohingegen das Medium über Jahrzehnte hinweg seine Darstellung von Gewalt perfektioniert hatte, wusste es mit Intimität ähnlich viel anzufangen wie ein sechsjähriges Kind mit den alten Playboy-Magazinen seines Großvaters. Vor allem die Interaktivität - sonst große Stärke und Alleinstellungsmerkmal des Mediums - wurde und wird ihm bis heute bei der Darstellung von Sex zum Verhängnis.

Spiele gründen auf Systemen und Regelwerken, Sex ausdrücklich nicht. Befriedigender Geschlechtsverkehr ist eben nicht mechanisch, sondern dreckig, spontan, dynamisch und mitunter auch chaotisch. Während sich diese Anforderungen in der Theorie noch umsetzen ließen, stellt sich ein zusätzliches Problem: Abstraktion.

Was bei Gewalt ausdrücklich gewünscht ist, da niemand wirklich erleben und fühlen soll, wie er den Schädel seines Gegners zertrümmert, stellt Entwickler*innen im Kontext von Sex und Intimität vor große Probleme, schließlich ist körperliche Nähe ein essentieller Bestandteil davon. Und: Die meisten Menschen können hier - anders, als bei brutaler Gewalt - auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen und diese mit der virtuellen Realität abgleichen. Während wir also kein Problem damit haben, Gewalt zu abstrahieren und einen Schwerthieb als logische Folge eines Knopfdrucks zu sehen, wirkt die gleiche Verknüpfung beim Sex meist ungelenk.

Knöpfchendrücken im Rhythmus: Diese im Programmcode verborgene Sequenz führte dazu, dass GTA: San Andreas kurzzeitig eine höhere Alterseinstufung erhielt. Knöpfchendrücken im Rhythmus: Diese im Programmcode verborgene Sequenz führte dazu, dass GTA: San Andreas kurzzeitig eine höhere Alterseinstufung erhielt.

Genau das ist allerdings gewünscht, wenn es etwa nach dem Willen des Entertainment Software Rating Boards (ESRB) geht. Die für Altersfreigaben im US-amerikanischen Raum zuständige Organisation ist berühmt-berüchtigt dafür, Darstellungen von Nacktheit und Sexualität deutlich härter zu bewerten als Gewalt.

Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Fall Grand Theft Auto: San Andreas, der damals Schlagzeilen machte und auch in der Politik für Aufregung sorgte. Nachdem ein Modder ungenutzten Programmcode im Spiel entdeckt und offengelegt hatte, wurde plötzlich ein Mini-Spiel zugänglich, in dem ziemlich hakeliger Sex zwischen Protagonist CJ und seiner Freundin nicht nur zu sehen, sondern sogar eingeschränkt steuerbar war.

Die Szene wirkte schon damals unfreiwillig komisch, zumal beide Figuren teilweise bekleidet auftraten, doch die Entdeckung führte prompt dazu, dass die ESRB das Spiel neu einstufte und es mit dem Stempel "Adults Only" aus dem freien Handel verschwinden ließ. Erst nach einem Patch, der das Minispiel rückstandslos entfernte, wurde das Spiel wieder zurückgestuft und in die Verkaufsregale gestellt. In der neuen Version konnte man nach wie vor Prostituierte umbringen, um das zuvor an sie gezahlte Geld zurückzubekommen, und auch die übrigen zahlreichen Gewalthandlungen im Spiel wurden nicht beanstandet.

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