Fazit: The Witcher 3: Wild Hunt im Test - Des Hexers Meisterstück

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Fazit der Redaktion

Henry Ernst: Mit dem dritten Teil haben sich die Entwickler selbst übertroffen und ich meine damit ausdrücklich nicht die überambitionierte technische Seite des Abenteuers. Die Welt des Hexers ist neben Himmelsrand einer der schönsten Abenteuerspielplätze überhaupt. Allerdings solltet ihr euch von Augenfreude und Naturromantik nicht täuschen lassen: Land und Leute sind von den Narben eines endlosen Krieges gezeichnet. Rassenhass, Verbrechen und Selbstsucht sind an der Tagesordnung, was der Welt eine Art grimmige Glaubwürdigkeit verleiht.

Überall wird gelitten, geflucht, gekotzt und gestorben. Dementsprechend kümmert sich Geralt auch häufig um die Belange des kleinen Mannes, anstatt von Fanfaren begleitet hohlen Bombast vom Himmel regnen zu lassen. Dass man dabei von den Geschichten zum Teil wirklich berührt wird, spricht für die Entwickler. Kritik gibt es von mir für das Kampfsystem, das meiner Meinung nach ein wenig direkter sein könnte und für die langen Ladezeiten. Bonuspunkte gibt's für den Sound: Die Natur in einem Videospiel hat noch nie besser geklungen.

Michael Graf: Spielegeschichten sind die Kriegsgeschichten unserer Generation. Das mag zynisch klingen, ich meine es aber positiv: Während unsere Großväter von prägenden Erlebnissen in finsteren Zeitaltern erzählten, berichten wir künftigen Generationen womöglich von prägenden Erlebnissen in - Spielen. Und The Witcher 3 bereichert meinen persönlichen Geschichtenfundus enorm. Es ist ein Spiel, von dem ich gerne und bei jeder Gelegenheit erzähle, weil es voller denkwürdiger Erlebnisse steckt. Natürlich will ich die jetzt nicht spoilern, das mache ich dann in 30 Jahren bei irgendwelchen Kindern. Momentan sage ich nur so viel: Es ist eines der besten Spiele, die ich in den letzten Jahren erlebt habe. Und zwar sowohl auf der PS4 als auch auf der (technisch minimal schwächeren) Xbox One.

Natürlich ist das Spiel nicht perfekt. Das Charaktersystem? Unbefriedigend. Die Balance? Wackelig. Die Gamepad-Bedienung? Suboptimal, wenn auch deutlich besser als befürchtet. Das sind natürlich Schwächen, die ich nicht verschweigen möchte. Aber ich möchte auch nicht verschweigen, dass sie mich ob des grandiosen Gesamtkunstwerks kaum stören. The Witcher 3 fesselt, motiviert, überhäuft mich bis an die Schmerzgrenze mit Aufgaben. Es verquickt scheinbar mühelos die Erzählgewalt seiner Vorgänger (alleine die Entscheidungen, Verzweigungen!) mit einer fantastischen, einladenden, offenen und riesigen Spielwelt.

Und zu allen Überfluss hat CD Projekt derart viel Liebe in Details gesteckt, wie ich es schon lange nicht mehr gesehen habe - zumindest nicht in einem Vollpreisspiel. The Witcher 3 beeindruckt eben nicht nur mit schierer Größe, sondern steckt auch im Kleinen voll bezaubernder Überraschungen. Vom futternden Pferd bis zur Kopfsprung-Animation, vom versteckten Schatz bis zu Dialogen, die rein der Atmosphäre dienen. Das ist meisterlich. Diesem Spiel weniger als 90 Punkte zu verleihen, wäre Heuchelei. Wer The Witcher 3 für diese Leistung nicht loben kann, hat einfach nicht verstanden, was gute Spiele ausmacht. Und das erkläre ich gerne auch noch in 40 Jahren irgendwelchen Lümmeln!

Benjamin Danneberg: 2015 ist ein Jahr, das für Spieler in die Geschichtsschreibung eingehen wird. Denn die Menge hervorragender oder gar großartiger Spiele, die bereits im ersten Halbjahr auf unsere Platten kam, ist - verglichen mit den Vorjahren - atemberaubend. Und wo ordnet sich Geralts drittes Abenteuer hier ein? Es ordnet sich nicht ein. Es geht hin und holt sich Zepter und Krone um sich dann auf einen goldenen Thron zu pflanzen um mit der Arroganz desjenigen, der es sich leisten kann, von dort gönnerhaft herab zu grinsen und zu fragen: »Wer will mir das Wasser reichen?«

The Witcher 3 besticht durch unglaubliche Liebe zum Detail, unglaublichen Umfang, unglaublich gutes Writing, unglaublich gut ausgearbeitete Charaktere und Monster, unglaublich packende Kämpfe, unglaublich gute Präsentation, unglaublich viele Möglichkeiten, den Hexer und die Geschichte(n) zu entwickeln, unglaublich großartiges Aussehen und Geralt ist einfach nur unglaublich cool. Und es gibt - verglichen mit dem monströsen Umfang - unglaublich wenig Bugs. Zu viel »unglaublich«, sagt ihr? Dann glaubt mir: Ihr werdet einfach begeistert sein.

Heiko Klinge: Als ich vor 16 Jahren die grandiosen und entscheidungsschweren Geschichten des Rollenspiel-Meisterwerks Planescape: Torment las, dachte ich mir, wie lange es wohl dauern wird, bis sich solche Geschichten nicht mehr nur in meinem Kopf abspielen, sondern wirklich erlebbar werden. Es hat genau 16 Jahre gedauert. Denn The Witcher 3 ist viel mehr als nur ein fantastisches Rollenspiel, es ist ein neuer Meilenstein und Maßstab für die Kunst des interaktiven Erzählens.

Endlich gibt es keine qualitativen Unterschiede mehr zwischen der Haupthandlung und den Nebenquests, jedes Gespräch mit jeder noch so unbedeutenden Figur wurde mit der gleichen Liebe zum Detail inszeniert. Endlich wird mir Entscheidungsfreiheit nicht mehr nur vorgegaukelt oder auf wenige Schlüsselstellen reduziert, sondern die Macht liegt von der ersten Nebenaufgabe bis zum grandiosen Finale in den Händen des Spielers. Jeder wird The Witcher 3 anders erleben, andere Entscheidungen treffen, andere Schauplätze entdecken, andere Abenteuer erleben oder auch komplett verpassen.

Kurz: Jeder schreibt seine eigene Geschichte. Genau das unterscheidet Spiele schließlich von Büchern und Filmen. Bislang leider viel zu häufig nur in der Theorie, in The Witcher 3 ebenso faszinierende wie unterhaltsame Praxis. Eine Praxis, an der sich künftig alle anderen story-lastigen Spiele messen lassen müssen. So definiert man einen Meilenstein.

Maurice Weber: Das Open-World-Wettrüsten der letzten Jahre lässt mich eigentlich ziemlich kalt. Dreimal so groß wie Skyrim! Fünfmal so groß wie Arkham City! Ist mir alles schnurz, solang die Welt nicht auch gut gefüllt ist - mit spannenden Aufgaben und wirklich interessanten Entdeckungen statt nur dröger Checklisten-Sammelei. Und eine Rollenspielwelt ist für mich immer noch in erster Linie ein Schauplatz für Geschichten. Gerade die lassen mich erst darin eintauchen und treiben mich voran. Wenn sie das nicht schaffen, kann das auch eine doppelt so große Spielwelt nicht wettmachen, sie wirkt nur umso seelenloser.

The Witcher 3 weiß das und macht hier tatsächlich alles richtig: Es vergisst bei aller freien Erkundung nicht, auch eine fesselnde Haupthandlung zu erzählen und konfrontiert mich gnadenlos mit unmöglichen Entscheidungen. Mehr noch, es spart auch bei den Nebenaufgaben nicht mit denkwürdigen Momenten und Figuren. Davon nichts zu verpassen ist für mich die beste Motivation, immer wieder in die wunderschöne Welt hinauszureiten und zu sehen, was mich noch so erwartet - enttäuscht werde ich selten.

7 von 8

nächste Seite


zu den Kommentaren (131)

Kommentare(119)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.