Wie Videospiele unsere psychische Gesundheit stärken

Neben der Repräsentation von “Mental Health”-Themen können Videospiele auch dann einen direkten Einfluss auf unser Befinden haben, wenn sie es nicht explizit thematisieren. Was das Ganze außerdem mit unseren psychischen Grundbedürfnissen zu tun hat, erfahrt ihr in diesem Artikel.

In Life is Strange: True Colors wird etwa das Fühlen und Verarbeiten unangenehmer Gefühle behandelt. In Life is Strange: True Colors wird etwa das Fühlen und Verarbeiten unangenehmer Gefühle behandelt.

Hinweis: Dieser Artikel erschien ursprünglich im Rahmen unserer Mental Health-Themenwoche. Da er genauso zur Themenwoche 'Gesundheit' passt, die sich sowohl mit dem körperlichen als auch mentalen Wohlbefinden beschäftigt, haben wir das zum Anlass genommen, euch den Artikel nochmal vorzustellen.

Immer mehr Spiele machen psychische Gesundheit bzw. psychische Erkrankungen auf die eine oder andere Art zum Thema. Während früher insbesondere Indie-Games wie Hellblade: Senua’s Sacrifice und Celeste dafür bekannt waren “Mental Health” zu thematisieren, finden psychische Erkrankungen mittlerweile auch in größeren Produktionen wie aktuell Returnal einen Platz. Videospiele werden allerdings nicht nur als Projektionsfläche für Mental Health-Inhalte genutzt, sondern können auch zur Verbesserung der mentalen Gesundheit (beispielsweise Wohlbefinden und emotionale Stabilität) beitragen. 

Gleichzeitig warnen vor allem Populärmedien vor Computerspielsucht, welche in der neuesten Auflage des internationalen Klassifikationssystems für Erkrankungen (ICD-11) auch als „Gaming Disorder“ benannt wird. Dieser Artikel unternimmt also den Versuch, Licht ins Dunkle der Gaming- und Mental Health-Mythen zu bringen: Können Spiele wirklich dazu beitragen, uns mit psychischen Erkrankungen besser fühlen zu lassen? Wie können Spiele dazu beitragen, dass wir auch in schwierigen Zeiten durchhalten? Und ab wann wird es ungesund?

Zur Autorin

Jolina hat schon früh Online-Rollenspiele für sich entdeckt, um mit anderen in Kontakt zu kommen. Einige Zeit war ihr das Erlegen von Raid-Bossen sogar lieber als sich mit ihren Real-Life-Freunden auf Dorffesten zu betrinken. Obwohl Online-Freunde und Real-Life-Freunde sich nun die Waage halten, spielt sie immer noch gerne lieber mit anderen zusammen als alleine. Als Psychologin glättet sie aber nicht nur beim Zocken mit Freunden die Wogen zwischen Streithähnen, sondern sorgt auch in E-Sport Teams für eine gute Atmosphäre und konstruktive Kommunikation.

Die therapeutische Beziehung zu Spielen

Wenn Personen Therapeut*innen aufsuchen, erwarten sie häufig jemanden, der ihre Probleme löst, ganz so als wäre die Psyche einfach ein undichtes Rohr, bei dem der Seelenklempner mal ein bisschen dran rumschrauben und rütteln muss. Und tatsächlich kann eine gemeinsame Suche nach Problemlösungen ein wichtiger und sinnvoller Teil von Therapie sein. 

Einer in Fachkreisen sehr berühmten Studie zufolge, ist für den Behandlungsverlauf jedoch etwas anderes wichtig: Die Beziehung zwischen Therapeut und Klient. Einen besonderen Stellenwert nimmt daher zu Beginn jeder Therapie die Beziehungsgestaltung ein. Als Therapeutin möchte ich den Patient*innen das Gefühl geben, in der Interaktion sicher zu sein und sich mit dem eigenen Empfinden öffnen zu können und letztlich als Person so angenommen zu werden, wie man ist.

Was wir von Videospielen erwarten kann ganz unterschiedlich sein: Wollen wir uns kreativ ausleben (wie z.B. in Minecraft) oder uns lieber in eine Geschichte entführen lassen? Was wir von Videospielen erwarten kann ganz unterschiedlich sein: Wollen wir uns kreativ ausleben (wie z.B. in Minecraft) oder uns lieber in eine Geschichte entführen lassen?

Ihr fragt euch jetzt vielleicht, was dieser Schwank aus meiner therapeutischen Erfahrung mit Videospielen zu tun hat. Nun, ähnlich wie wir eine Beziehung zu Menschen aufbauen, uns langsam herantasten und kennenlernen, so gestalten sich auch die ersten Schritte in einem neuen Videospiel: Finde ich das Spiel interessant? Gibt es mir das, was ich mir wünsche - z.B. Spaß, Herausforderung, Raum, mich zu verwirklichen? Und fühle ich mich durch das Spiel abgeholt oder sollte ich ein anderes probieren? Doch was genau muss eigentlich passieren damit ich mich von Therapeuten oder Videospielen „abgeholt“ fühle?

Contentwarnung: Die Artikel der Mental-Health-Woche befassen sich mit verschiedenen Aspekten mentaler Gesundheit und beinhalten mitunter auch Beispiele negativer Emotionen und ungesunder Verhaltensweisen, die bei manchen Menschen negative Reaktionen auslösen können. Bitte seid vorsichtig bei Texten, die potenziell triggernde Themen für euch enthalten.

Wichtiger Hinweis: Falls ihr selbst Depressionen oder selbstzerstörerische Gedanken habt: Ihr seid nicht allein. Holt euch bitte Hilfe. Zum Beispiel bei der Deutschen Depressionshilfe unter 0800/33 44 533 oder bei kostenlosen Beratungsstellen.

Validierung – wenn es okay ist, nicht „okay“ zu sein

Validierung bezeichnet eine therapeutische Technik, die das aktuelle Denken, Fühlen und Handeln so, wie es ist, annimmt, und wertschätzt. Zu vermitteln „Ich sehe, dass es dir nicht gut geht“ und „du bist dadurch als Mensch nicht falsch oder defekt“. Videospiele, die psychisch erkrankte Protagonisten und Figuren darstellen, können Betroffenen genau dieses Gefühl vermitteln und aufzeigen, dass man beispielsweise mit Angsterkrankungen oder einer depressiven Verstimmung nicht allein ist. Einen Schritt weiter geht dabei das Spiel Life is Strange: True Colors, das nicht nur therapeutisch sinnvolle Strategien zur Emotionsregulation (z.B. Gefühlstagebuch) darstellt, sondern auch sehr vorbildhaft zeigt, wie Validierung im Alltag aussehen kann und euch damit sogar zu besseren Freunden machen kann.

Life is Strange, and so are feelings…

In Life is Strange: True Colors nimmt das Wahrnehmen und Validieren von Gefühlen einen besonderen Stellenwert ein. Die Protagonistin Alex Chen hat nämlich die Kraft, Gefühlszustände anderer Personen zu erkennen, sich aber auch vollkommen in diese hineinzuversetzen. Durch die Fähigkeit, die Welt durch die emotionale Brille der Betroffenen zu sehen und sie in ihrem Erleben vollkommen anzunehmen, kann sie diesen auf empathische Art und Weise helfen, schwierige emotionale Zustände zu überwinden.

Hierdurch werden tatsächlich auch die Grundzüge des therapeutischen Vorgehens illustriert, auch wenn ich als Therapeutin leider ohne Superkräfte auskommen muss. Sowohl in True Colors, als auch in der Therapie aber auch manchmal in der Freundschaft geht es allerdings genau darum: Wahrzunehmen, welche Gefühle und Gedanken eine Person beschäftigen, diese anzunehmen, und das anzubieten, was die Person braucht. Das sind nicht immer Lösungen, manchmal ist es auch „nur“ das Gefühl in seinem Leid gesehen und akzeptiert zu werden.

Alex validiert Mac, indem sie die vorherrschenden Gedanken und Gefühle benennt und ihm zeigt, dass er damit nicht alleine ist. Alex validiert Mac, indem sie die vorherrschenden Gedanken und Gefühle benennt und ihm zeigt, dass er damit nicht alleine ist.

Life is Strange: True Colors thematisiert wie bereits seine Vorgänger umfangreich Gedanken und Gefühle und damit indirekt auch psychische Gesundheit. Spiele, die gezielt psychische Erkrankungen und damit Themen wie Depression, Sucht und Trauma aufgreifen sind, trotz steigender Popularität, allerdings immer noch eher eine Nische. Und bei aller Liebe zu schwierigen Themen und Psychologie, finde ich es auch schön, einfach in eine andere Welt abzutauchen und mich nicht mit schwierigen Themen rumzuschlagen. Und das ist auch okay so, denn der intuitive Anreiz von Videospielen ist nun einmal Spaß haben. Inwiefern können aber Spiele, selbst wenn sie nicht „Mental Health“ thematisieren, dazu beitragen, dass es uns besser geht?

Noch mehr Artikel aus unserer Mental Health-Themenwoche gibt es hier:

Fun, Fun, Fun! …oder gibt’s da noch mehr? Wie auch schon in meinem Artikel zum Thema Zufallseffekte lohnt sich hier ein Blick darauf, wie Videospiele unsere psychischen Grundbedürfnisse befriedigen können. Zu den vier psychischen Grundbedürfnissen nach Grawe zählen Lustgewinn/Unlustvermeidung, Kontrolle/Orientierung, Nähe/Bindung und Steigerung/Stabilisierung des Selbstwerts. Besonders eindeutig und intuitiv ist natürlich, dass Videospiele unser Bedürfnis nach „Lustgewinn“ bzw. Spaß befriedigen. Es macht halt einfach Bock, und wir machen gerne Dinge, die Bock machen. Soweit so klar, aber wie sieht das mit den anderen Bedürfnissen aus?

Die vier psychischen Grundbedürfnisse nach Grawe ist ein in der Therapie häufig verwendetes Modell, um zu verstehen, warum wir etwas tun. Die vier psychischen Grundbedürfnisse nach Grawe ist ein in der Therapie häufig verwendetes Modell, um zu verstehen, warum wir etwas tun.

Neben Spaß können uns Videospiele aber noch ganz andere Dinge geben, nämlich das Gefühl etwas erreichen zu können. Videospiele stellen uns immer wieder vor Herausforderungen, ob im Singleplayer oder im Multiplayer. Diese zu bewältigen und am Ende über den nervigen Dark Souls-Boss oder ein anderes Team zu triumphieren, gibt uns das Gefühl etwas geleistet zu haben und leisten zu können, was sich positiv auf unser Selbstwertbedürfnis und letztlich unser Selbstkonzept auswirkt. Eng verknüpft damit sind natürlich auch sogenannte Machtfantasien und Überlegenheitsgefühle, die sich in Videospielen überwiegend funktional bzw. gesund ausleben lassen. Dysfunktional wäre in diesem Fall ein Ausleben, bei dem man selbst oder andere Menschen zu Schaden (z.B. psychisch) kommen. Damit meine ich Anfeindungen und Ausgrenzungen jeglicher Art, insbesondere sexistische Äußerungen und Kommentare, wie sie weibliche Spieler*innen noch häufig in Voice-Chats zu spüren bekommen.

Koop-Games als virtuelle Quality-Time

Was vielen Spieler*innen schon längst klar war, aber auch noch einmal besonders durch die Corona-Pandemie verdeutlicht wurde: Über den Kontakt in Videospielen kann man Beziehungen aufbauen und erhalten. Insbesondere MMORPGs sind durch die internen sozialen Strukturen wie dafür geschaffen Verbindungen aufzubauen. Auch die zahlreichen, teilweise interkontinentalen, romantischen Beziehungen, die durch das gemeinsame Spielen entstanden sind, sind Zeuge dafür, dass Videospiele durch ihre Möglichkeiten zur sozialen Interaktion Nähe- und Bindungsbedürfnisse befriedigen können, zumindest zu einem gewissen Ausmaß.

Ob auf der Couch oder im Online-Koop, Videospiele schaffen jetzt schon seit mehreren Jahrzehnten besondere Bindungserfahrungen. Ob auf der Couch oder im Online-Koop, Videospiele schaffen jetzt schon seit mehreren Jahrzehnten besondere Bindungserfahrungen.

Einen genaueren Blick erfordert das Kontroll- & Orientierungsbedürfnis. Für einige Leute kann es ein gutes Gefühl sein, als tägliche Routine Quests abzuarbeiten, für andere ist es eher stressig. Der Erfolg von Spielen wie Stardew Valley zeigt allerdings, dass viele Spieler*innen auch Interesse daran haben einen selbstbestimmten, übersichtlichen Rahmen mit kleinen „To-Dos“ zu haben. Aufgaben zu erledigen und Strukturen zu implementieren bedient unser Bedürfnis, Kontrolle über unser (virtuelles) Leben auszuüben und ist meines Erachtens auch eines der Hauptgründe Spiele dieser Art zu spielen.

Die Befriedigung von Bedürfnissen ist damit eine der wichtigsten Funktionen, die Videospiele im Erhalt und Aufbau von psychischer Gesundheit leisten können. Auch der Behind the Screens-Podcast, der sich ganz dem Thema Psychologie von und in Videospielen gewidmet hat, kommt zu dem Fazit: "Wenn ich mich kompetent fühle, autonom und sozial eingebunden bin, kann mir das auch eine gewisse Widerstandsfähigkeit verschaffen gegenüber Anforderungen und Ereignissen, die mein persönliches Wohlbefinden, meine Gesundheit herausfordern."

Dennoch gibt es ja auch berechtigte Bedenken wenn es um den Einfluss von Videospielen auf die psychische Gesundheit geht.

Ab wann wird’s ungesund?

Nun liegt mit einem etwas simplifizierten Blick der Schluss nahe, dass Videospiele die Lösung für alle unsere (Mental-Health)-Probleme sein könnten, wenn sie ja doch alle Bedürfnisse zu einem gewissen Ausmaß befriedigen können. Ganz so einfach ist das jedoch nicht. Es macht schon auch einen Unterschied wie und mit was wir unsere Bedürfnisse befriedigen. Wenn wir versuchen, alle unsere Bedürfnisse durch eine Quelle zu versorgen, dann machen wir uns nicht nur davon abhängig, sondern geraten auch in ernsthafte Schwierigkeiten wenn eben diese Quelle versiegt (z.B. durch Ausfälle, abgeschaltete Server oder Losing-Streaks).

Auch im GameStar-Podcast haben wir uns darüber Gedanken gemacht, wann Spiele der psychischen Gesundheit gut tun und wann das nicht:

Link zum Podcast-Inhalt

Wenn der Spaß zur Sucht wird

Die Gaming Disorder, die umgangssprachlich auch Computerspielsucht genannt wird, zeichnet sich ähnlich wie andere Suchterkrankungen nicht primär durch den Umfang des Spielekonsums an sich aus, sondern durch einen Kontrollverlust über das Konsumverhalten. Betroffene haben Schwierigkeiten ihr Spielepensum zu reduzieren und brauchen immer mehr Spielzeit, um sich nicht mehr schlecht zu fühlen. Hierdurch werden häufig Dinge wie Schule, Arbeit oder Freunde entgegen besseren Wissens über die langfristigen Konsequenzen vernachlässigt.

Wenn diese drei Kriterien über einen Zeitraum von länger als 12 Monaten bestehen und zu einer Einschränkung in verschiedenen Lebensbereichen (z.B. Schule, Arbeit, Familie, Freunde) führen, kann zukünftig die Diagnose “Gaming Disorder” vergeben werden. Wenn diese drei Kriterien über einen Zeitraum von länger als 12 Monaten bestehen und zu einer Einschränkung in verschiedenen Lebensbereichen (z.B. Schule, Arbeit, Familie, Freunde) führen, kann zukünftig die Diagnose “Gaming Disorder” vergeben werden.

Der Zusammenhang mit Bedürfnissen wird deutlich, wenn man sich aktuelle Studien zu den Begleiterkrankungen der GD anschaut. Oftmals steht diese in Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depression oder Sozialer Angst. Das legt den Schluss nahe, dass das exzessive Spielen von Videospielen zumindest in einigen Fällen eine Ersatzbefriedigung für Bedürfnisse ist, für die die Betroffenen in ihrem Leben keine andere funktionale Möglichkeit kennengelernt oder zur Verfügung haben. In diesen Fällen ist dann eine therapeutische Behandlung empfehlenswert und oftmals notwendig.

Für die allermeisten Videospiel-Connoisseure ist das jedoch nicht der Fall, und das Abtauchen in virtuelle Welten kann dann eine einfach zugängliche und interaktive Möglichkeit sein, den eigenen Bedürfnissen nachzukommen.

Eine wichtige Bitte: Da es sich bei unseren Artikeln aus der Mental Health-Woche um sensible Themen handelt, die uns beim Schreiben teilweise viel abverlangt haben, bitten wir euch an dieser Stelle ganz besonders um eine freundliche und verständnisvolle Kommentarkultur. Vielen Dank und viel Spaß beim Lesen!

zu den Kommentaren (21)

Kommentare(20)
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yo_picasso

vom 07.08.2024, 09:58 Uhr

Ich denke (eine hohe dosis an) videospiele spielen hat im mittel schädliche auswirkungen auf die gesundheit. Es führt leider dazu, dass wir menschen im mittel in noch unnatürlicherer weise zu viel zeit drinnen und nicht in der natur verbringen (mit etwaigen schädlichen wirkungen aufgrund u.a. wenigem tageslicht). Das kann man glaub ich nicht leugnen... so what. Ich zock jetzt erstmal weiter elden ring ;)


Skydance

vom 06.08.2024, 14:13 Uhr

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Toni_111

vom 06.08.2024, 14:56 Uhr

@Skydance

Is das irgendwie durch Studien oder sowas belegt?

Ich hab letztes Jahr mit Mitte 30 nochma en sehtest machen müssen wegen Motorradlappen, und hab den locker bestanden.

Und zock halt auch schon seit ich denken kann videospiele.

Es is natürlich dass mim Alter die sehkraft langsam abnimmt, bei dem einen schneller als bei nem anderen.

Aber würd meine Hand net dafür ins Feuer legen, dass zocken das wirklich beschleunigt.

Joel911

vom 06.08.2024, 20:59 Uhr

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BlindSeer

vom 10.10.2023, 11:00 Uhr

Leider muss ich sagen, dass gerade im Bereich "etwas geleistet haben" derzeit ein Trend einzug hält, der dem entgegen steht: Scaling. Es bleibt halt nicht viel Leistung übrig, wenn ständig alles sich an den Spieler anpasst, damit er blos nicht gefordert wird, oder einen Rückschlag erleidet. Welche Leistung ist es noch den Drachen zu erschlagen, wenn ich immer direkt hingehen kann, egal ob Lvl 1 oder 100? Ich fand es immer sehr befriedigend, wenn ich mit Taktik einen "zu großen" Mob doch legen konnte, oder zu schauen "wie weit komme ich?" und mich in hohes Gebiet vorgewagt habe. Oder wenn man dann endlich den Gegner besiegen konnte, der einen vor 10 Leveln noch den Hintern versohlt hat.

Beim Kriterium 2 der Gaming Disorder habe ich so meine Probleme. Wenn mein liebstes Hobby Gaming ist, dann priorisiere ich das natürlich höher als andere Aktivitäten. Das muss nicht schädlich sein. Kriterium 1 und 3 sind hingegen klar.

Ansonsten muss ich sagen, dass es mir schon oft geholfen hat mich zu stabilisieren, als es mir anno dazumal nicht gut ging. Die dunkle Atmosphäre von Silent Hill 2 und anderen tiefer gehenden Spielen, oder die große Vorstellung von fantastischen Welten in Rollenspielen (also die Welt noch Pixel waren :D) mit Helden die für Gutes Einstanden, oder eben die charakterlichen Entwicklungen und "Leiden" in Finals Fantasy VII oder IX wo Charaktere mit tiefgehenden Fragen konfrontiert wurden gab mir da einiges und half mir zu reflektieren, oder dunkle Seiten auszuleben und los zu werden, bzw. zu verhindern dass sie Stärke gewinnen.

yo_picasso

vom 07.08.2024, 09:52 Uhr

@BlindSeer tatsächlich wird mir beim thema zugänglichkeit und zielerreichung für den fortschritt auch zuviel getan. Gerade die Hürden sind es, die man bewältigen muss, um zu wachsen. Daher spiel ich auch nur noch elden ring :) ich habe das paper mario remake geholt. Tolles "spiel", aber viel zu einfach und daher uninteressant.


Fleiss111

vom 29.03.2022, 04:19 Uhr

Mir hat Video spiele spielen geholfen geduldiger zu werden, da ich dort ständig Loote oder ständig Levels wiederholen muss hat sich das auf meine Geduld im realen Leben ausgewirkt.


crazillo

vom 28.03.2022, 18:46 Uhr

Tolle Themenwoche! Ich kann mich erinnern, dass mir das Kreieren und Teilen mit anderen in Dreams gerade im Jahr 2020 sehr viel Freude bereitet hat. Das war etwas, was mir eine tolle neue Seite in mir aufgezeigt hat und außerdem konnte man sonst ja nicht so furchtbar viel machen, da hat das echt der Seele gut getan. Man muss hier auch Media Molecule und die Community sehr loben, die dazu viel beigetragen haben.

Ansonsten finde ich gut, wenn Videospiele den Fokus auf mentale Gesundheit legen. Dazu sollten die Studios diesen Geist aber auch selbst leben, man liest zu viel von Crunch und Druck.

Ansonsten sind Videospiele einfach ein wunderbares Hobby, sollten aber natürlich nie andere Dinge im Leben kompensieren.

Fering Dring

vom 29.03.2022, 09:04 Uhr

@crazillo
Auch wenn ich kein Baumeister bin, genieße ich es bis heute, anderer Leute "Träume" zu spielen. Große und kleine Wunder, oder auch dümmliche Zeitverschwendung All das bringt mich in einen Zustand, der mich wieder das Staunen lehrt, über menschliches Schaffen und Kunst nachzudenken. Ja, Kunst. Als ich im VR-Modus diese berühmte Gallerie "The Idyllum" besuchte und nach zwei Stunden fertig war, fing ich an zu malen. Tagelang.

crazillo

vom 29.03.2022, 11:30 Uhr

@Fering Dring Das stimmt, ich hatte die Tage eine Stunde Zeit und hab einfach einen Bubble Gum Float gemacht. Jetzt überlege ich, wie ich den in mein Spiel einbauen werde. The Idyllum hat übrigens gerade den Preis als besten Traum des Jahres gewonnen. Ich aktualisiere auf ResetERA einen Thread über die besten neuen Träume und poste regelmäßig über die Kuratoren, wenn du mal neue Sachen zum Spielen suchst: https://www.resetera.com/threads/dreams-creati ons-ot-ps4-ps5-discover-your-next-favorite-exp erience-weekly-updates.335409/

Fering Dring

vom 29.03.2022, 12:29 Uhr

@crazillo
Spitzenmäßig! Das schaue ich mir auf jeden Fall mal an.


STownKing Moderator/-in

vom 28.03.2022, 13:22 Uhr

Moin und vielen Dank für die tolle Themenwoche :)

Also ich kann da auch etwas beitragen, ich hatte am 1.9.2021 einen Arbeitsunfall. Ende November sah es schon sehr gut aus und ich wollte und sollte bald wieder zur Arbeit.

Dann war es leider so das meine rechte Hand chronisch zu schmerzen begann, sie wurde mal dick mal rot oder blau, seltsamer Haarwuchs an der Hand, Berührungen waren extrem schmerzhaft, starke Bewegungaeinschränkung und bei Schmerzspitzen fühlt es sich an als hätte jemand ein brennendes Messer durch die Hand geschoben.

Neue Disgnose CRPS, eine ganz Individuelle Krankheit die mal heilt mal nicht. Sie kann ganz weg gehen, zum Teil bleiben oder ganz bleiben. So oder so ist es eine extreme mentale Belastung. Kann ich in meinen Job zurück, kann ich alles mit meinen Kids machen wie ich es möchte oder einfach nur der Gedanke an die nie aufhörenden Schmerzen.

Während der Reha in der Klinik waren dann auch sehr hilfreiche Psychologische Gespräche mit dabei, da kamen wir auf mein Hobby Videospiele zu sprechen und das ich dies nur noch mit dem Elite Controller ausüben kann da ich die rechten Schultertasten auf die Paddles links legen kann.

Die Psychologin empfahl mir also meine Xbox bringen zu lassen da CRPS auch Stress und andere Gefühle als Trigger haben kann. Und bei sowas ist Ablenkung ( auch durch Videospiele ) sehr hilfreich. Sie sagte zwar das sie so etwas nicht oft empfiehlt aber in dem Fall wäre es gut.

Lange Rede kurzer Sinn Ablenkung in jeglicher Form kann bei Psychischen Problemen helfen. Meine Kids, meine Frau aber eben auch die Konsole :)

Daumen hoch für so ein Thema :)


Bene86

vom 28.03.2022, 12:42 Uhr

Stehe nun (vermutlich) vor dem Endboss von ER und ob es mir psychisch gut getan hat, keine Ahnung. :-) Ich bin aber wirklich schlimm süchtig danach und habe nun die Sorge, dass ich kein Openworld-Spiel danach mehr gut finden kann... :-(


Melone

vom 28.03.2022, 12:41 Uhr

Bei mir merke ich, wenn ich dann mal ne eher depressive Phase habe, dann habe ich gar kein Interesse an Zocken. Eher wenns mir gut geht, hab ich auch Spaß dran. Also mir helfen sie nicht.


ScarryNator Moderator/-in

vom 28.03.2022, 12:20 Uhr

Ich denke Corona und die Aktuelle haben bei vielen auch leichte Spuren hinterlassen was die Psyche angeht, bei mir kommt aktuell noch hinzu daß ich seit 5 Monaten krank geschrieben bin und man langsam das Gefühl hat das einem keiner helfen kann, manchmal hab ich selbst dann schon das Gefühl depressiv zu werden. Videospiele können da schon eine tolle Unterstützung sein das man sich besser fühlt und seine Sorgen für einen Moment vergisst, natürlich auch die tollen Menschen um mich herum und meine lieben Kollegen/Freunde von der GamePro an euch auch ein großes Danke <3


BlindSeer

vom 28.03.2022, 12:14 Uhr

Erstmal Danke für den Artikel und Danke für die Minimierung von Formen die es mir schwer machen ihn zu lesen. Finde diese Reihe höchst interessant und fände es schade, wenn mir da etwas aus diesem Grund entgeht.

Wenn ich auf meine Gaminghistorie zurück sehe, dann sehe ich verschiedene Phasen, Interessen, Kateogrisierungen und auch Einflüsse auf mein mentales Wohlsein. Als Kind war es einfach die Fantasie und das rege Interesse an allem technischem. Ich hatte einfach Spaß daran den Frosch über die Straße zu helfen, in Amidar Kästchen zu ummalen und so weiter. Das Ganze garniert mit einer gehörigen Portion Fantasie und Bildern die sich aus den damals noch detailierten Anleitungen ergaben, da die Story eben nicht von Klötzchen transportiert werden konnte. Wie detailliert die Darstellungen von Text Adventures in meinem Kopf war, oder die Reise des Prinzen in Riddle of the Sphinx in meinem Kopf durch die weite Wüste statt fand. In meniem Kopf lief ein Buch ab.
Dieser Eskapismus setzte sich fort. Lustiger Weise wollte ich selber Abenteuer erleben, aber war in meinem Kopf nie der Protagonist, es war immer ein Film oder Buch in meinem Kopf. So kam ich dann auch schnell zu Rollenspielen, wo ich mir eben immer vorstellte wie die Party am Lagerfeuer sitzt und sich über den Tag austauschte.
Dann kamen in der nächsten Phase Games dazu die Tiefgang hatten, sich mit Abgründen beschäftigten, mit Emotionen und Dunkelheit, Schicksalen und verletzten Seelen. Gerade da war auch der RPG und Adventure Bereich gut aufgestellt. Das passte. In welche Wellbeing Verbindung das passte? Weiß nicht genau, aber diese Dunkelheit hat mich fasziniert und half mir allerdings auch zu reflektieren.
Ich würde sagen, dann hatte ich eine Phase die heute als bedenklich eingestuft werden würde. Der Eskapismus wurde stärker, ich vergaß die Zeit beim spielen. "Nur noch dieses level" und beim Blick auf die Uhr war es drei Stunden später. Gerade alte MMORPGs hatten noch viel stärkere soziale Aspekte als die meisten Games in dem Sektor heute, wo man oft solo spielt bis man in die Ini muss. Bekannte hatte es noch stärker getroffen, die vom RP Chat nach Ultima Online gegangen sind. Ich konnte mich so irgendwann wieder fangen und die Gewichtungen "korrigieren".
Heute habe ich durch diese Gewichtungen dann leider viel weniger Zeit zum zocken, insbesondere da ich eigentlich auch noch anderen zeitintensiven Hobbys fröhnen möchte, aber so ist es im Leben wenn man erwachsen wird. ;) Besser spät als nie. :D
Ich kann nur jedem raten genau zu schauen ob einem die Games einen Ausgleich oder eine Reflektion und Verständnis für sich selbst bringen, oder aber ob sie unter Umständen die eigenen inneren Negativa verstärken. Denn auch das konnte ich oft genug sehen, dass Leute sich immer weiter ins negative rückten durch eine ungünstige Themenauswahl, die sie nur mehr und mehr belastete.

Ja, primär ist Gamig eine spaßige Beschäftigung, aber es kann auch sehr viel mehr sein. Im positiven, wie im negativen.

Fering Dring

vom 29.03.2022, 09:38 Uhr

@BlindSeer
Verstehe ich. Zu dem Zeitpunkt, als ich damals Max Payne 3 am Laufen hatte, rutschte ich parallel dazu in eine depressive Phase. Während des Spielens trank ich manchmal, so wie es der Protagonist tat. Ironischerweise schaffte der permanent negative Grundton der Geschichte und die tragische Persönlichkeit des Max, mich und meine Situation selbst zu hinterfragen.

So habe ich meine Freude wiederentdeckt.

BlindSeer

vom 29.03.2022, 11:11 Uhr

@Fering Dring Ich war immer eher dabei durch Reflektion zu versuchen mich selbst zu verstehen, bei Spielen mit dunkler Seite, oder melancholischen Charakteren, wie Silent Hill 2, Persona 3 und wie sie nicht alle hießen. :)

Fering Dring

vom 29.03.2022, 12:02 Uhr

@BlindSeer
Cool. Ja, es hilft sich diesen Dingen zu stellen. Die Grenze zwischen psychischer Erkrankungen, oder charakterlicher Eigenschaft, ist manchmal fließend.

BlindSeer

vom 29.03.2022, 12:33 Uhr

@Fering Dring Und leider sind charakterliche Eigenschaften durchaus förderlich in Erkrankungen abzurtuschen, bzw. sie zu bestärken.