Bitte mehr queer: Die Mass Effect-Romanzen sind nicht mehr zeitgemäß

Eleen findet, dass die Romanzen in der Mass Effect-Trilogie mit neueren Rollenspielen nicht mehr mithalten können. Besonders die LGBTQIA+ Community hat mehr verdient.

Meine Shepard würde zu einer Romanze mit Tali nie nein sagen. Meine Shepard würde zu einer Romanze mit Tali nie nein sagen.

Eigentlich sind Romanzen in der Mass Effect-Trilogie eine recht simple Sache. Ich rede mit dem jeweiligen Team- oder Crewmitglied, an dem ich interessiert bin, wann immer ich die Gelegenheit dazu habe. Nach einer gewissen Zeit (in Mass Effect 2 erst nachdem ich die jeweilige Loyalitätsmission abgeschlossen habe), kann ich dann flirten und schließlich eine Romanze besiegeln - wenn Commander Shepard denn das richtige Geschlecht hat. Ach ja, da war ja was.

Als ich das erste Mal Mass Effect 2 auf meiner PS3 spielte, wünschte ich mir nichts sehnlicher als eine Romanze mit Tali. Die Quarianerin hatte es mir mit ihrer Entschlossenheit, Intelligenz und Treue gegenüber der Flotte, aber auch ihrer offenen Verletzlichkeit einfach angetan. Zu dumm nur, dass ich eine weibliche Shepard gewählt hatte. Und wenn selbst Jennifer Hale, die Stimme von FemShep sich eine Romanze mit Tali wünscht, bin ich damit wohl nicht allein.

Doch eben an dieser Repräsentation fehlt es in der Original-Trilogie noch. Sicher, die drei Teile haben auch schon um die 10 Jahre auf dem Buckel, aber die Legendary Edition hat mir nochmal gezeigt, dass die Romanzen der Trilogie nicht mehr zeitgemäß sind.

Entwicklung innerhalb der Reihe

2007 war es im ersten Mass Effect noch eine große Sache, dass es mit einer weiblichen Shepard und Liara eine lesbische Romanze gab. So groß sogar, dass der konservative US-amerikanische Sender Fox sich darüber echauffierte und Bioware die Pansexualität von Jack und die Homosexualität von Jacob in Teil 2 strich. Da ist es fast noch deprimierender, dass mit Kelly Chambers eine Romanzenoption für eine weibliche Shepard dennoch im Spiel blieb - anscheinend war die Gefahr kleiner, dass sich jemand an lesbischer statt an schwuler Repräsentation stören würde.

Seither hat sich zum Glück viel getan, wie selbst die späteren Mass Effect-Teile zeigen. In Teil 3 gibt es nicht nur für jeden Shepard eine homosexuelle Option (die erste schwule Option für einen männlichen Shepard in der Reihe), sondern auch vier bisexuelle Partner: Kaidan, Liara, Kelly (nur wenn von ME2 weitergeführt) und Diana Allers.

Zur Autorin
Vor knapp 10 Jahren hat Eleen das erste Mal Mass Effect 2 auf ihrer PS3 gestartet und sich direkt ein bisschen in ihr quarianisches Teammitglied verleibt. Umso größer war die enttäuscht, als eine Beziehung mit einer weiblichen Shepard nicht drin war. Sie hat die Romanze in einem späteren Durchlauf mit einem männlichen Shepard zwar nachgeholt, aber ein bisschen Wehmut über das was-wäre-wenn ist doch immer geblieben.

Andromeda geht dabei sogar noch weiter. Zu Release des Spiels gab es für den männlichen Ryder zwei homosexuelle Optionen für Romanzen (eine dritte wurde in Form des Angaraners Jaal per Patch nachgereicht, da ein schwuler Ryder sonst die Trophäe für 3 Romanzen nicht erhalten konnte) und die weibliche Ryder hatte sogar die Wahl zwischen 4 weiblichen Liebschaften.

Mein oder meine ganz persönliche Shepard

Warum aber ist es so wichtig, dass Mass Effect mehr nicht-heterosexuelle Romanzen erhält? Warum Repräsentation wichtig ist, hat unsere Autorin Jolina bereits von psychologischer Seite beleuchtet. Menschen, die etwa nicht Teil der LGBTQIA+-Community sind, kann so leichter zugänglich gemacht werden, dass an verschiedenen Sexualitäten etwa nichts andersartiges ist.

Für mich persönlich noch wichtiger ist aber auch, dass ich mich gesehen fühlen möchte, auch wenn ich zocke. Eine Nielsen Games 360 Studie von 2020 zeigt etwa, dass 10% der Spieler*innen über 18 sich als LGBT+ identifizieren. Dem entgegengestellt gibt es in vielen Spielen (auch der Mass Effect-Trilogie) deutlich weniger queere Romanzenoptionen im Vergleich zur Auswahl für heterosexuelle Spieler*innen.

Bromance mit Garrus muss trotzdem sein, aber das Herz meiner Shepard gehört jemand anderem. Bromance mit Garrus muss trotzdem sein, aber das Herz meiner Shepard gehört jemand anderem.

Gleichzeitig ist Mass Effect ein Rollenspiel, dessen Verlauf durch meine Entscheidungen geprägt wird. Nicht nur kann ich die Story beeinflussen, ich kann auch meinen oder meine Shepard genauso spielen, wie ich es möchte. Dazu gehören für mich nicht nur Dialogoptionen und Aussehen, sondern auch die Sexualität von Shepard. Will ich also, dass meine Shepard etwa homo- oder bisexuell ist, möchte ich das im Spiel auch ebenso ausleben können, wie jede heterosexuelle Romanze.

Ausgerechnet ein Spiel mit so viel Vielfalt wie die Mass Effect-Reihe (Aliens! Es gibt Aliens!) braucht keine heterosexuellen Liebschaften zu bevorzugen.

Und wo ist die Lösung?

Neben Mass Effect Andromeda bieten auch schon andere Bioware-Spiele bessere Repräsentation als die Originaltrilogie. Die vier Romanzen im Hauptspiel von Dragon Age 2 etwa stehen allesamt weiblichen und männlichen Hawkes offen.

Dabei erntete das Spiel natürlich auch Kritik für seinen Ansatz von spielersexuellen Charakteren - also Charaktere, die unabhängig vom Geschlecht auf den Protagonisten stehen - und entfachte eine Diskussion über Repräsentation versus spielerischer Freiheit, die an dieser Stelle in ihrer Gänze zu weit geht. Denn natürlich ist es schön, wenn Spieler*innen nach ihren Vorlieben frei wählen können, ob sie homo- oder heterosexuelle Romanzen in Spielen eingehen. Zugleich zeigen Charaktere wie Dorian aus Dragon Age: Inquisition, dass auch die Sexualität der Charaktere selbst ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität sein kann. Seine Geschichte beleuchtet die Schwierigkeiten, denen queere Personen in ihrem Alltagsleben oft gegenüberstehen, reduziert Dorian aber auch nicht nur auf seine Homosexualität.

Eine umfassende Lösung für alle gibt es hier wohl nicht. Sicher wünsche ich mir für homosexuelle Shepards genauso viele und vielfältige Optionen wie für das heterosexuelle Gegenstück, aber die Originaltrilogie kann mir diesen Wunsch natürlich nicht mehr erfüllen.

Darum geht meine Hoffnung an zukünftige Mass Effect-Spiele: ich wünsche mir, dass jeder Spieler und jede Spielerin Mass Effect so spielen kann, wie sie möchten. Ganz egal ob ihr persönlicher Protagonist hetero-, homo-, bi-, pan-, oder vielleicht auch asexuell ist. Ach, und zu einer neuen Romanze mit Tali würde ich auch nicht nein sagen… man darf doch hoffen.

Dieser Artikel ist Teil unserer Held*innen-Themenwoche, die noch bis zum 13. August 2021 läuft und euch täglich spannende neue Artikel rund um das Thema Videospiel-Charaktere präsentiert. Alle Artikel unserer Held*innen-Themenwoche findet ihr hier in der Übersicht.