Borderlands zählt seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten Loot-Shootern, zuletzt konnte die Reihe den hohen Spaßfaktor jedoch nicht mehr halten. Wo das Gunplay seit jeher fantastisch ist, kritisierten Fans an Borderlands 3 vor allem den eigenwilligen Humor, der selbst vom Narrative Director des Nachfolgers seither als "Toiletten-Humor" bezeichnet wurde.
Jetzt ist die Reihe mit Borderlands 4 zurück und bietet nicht nur erstmals eine offene Spielwelt, sondern nimmt sich auch vielen Kritikpunkten des Vorgängers an – und das größtenteils mit Erfolg!
Hinweis: Wir haben vor Release lediglich einen PC-Key erhalten und können noch nichts zur Performance auf Konsolen sagen. Entsprechend vergeben wir noch keine finale Wertung, sondern lediglich eine Tendenz. Sobald wir die Konsolen-Fassung gründlich unter die Lupe nehmen konnten, folgt unsere finale Wertung.
Borderlands 4 nimmt sich (meistens) wieder ernst
Das simple Grundgerüst der Story ist schnell erzählt: Als einer von vier neuen Kammerjäger*innen stranden wir diesmal auf dem Planeten Kairos. Der unsterbliche Antagonist des Spiels, der Zeitwächter, beherrscht diesen wie ein Gefängnis, indem er Leute mithilfe von Bolzen im Nacken kontrolliert.
Bevor wir ihn stürzen und natürlich die sagenumwobene Kammer von Kairos öffnen können, die uns Reichtümer verspricht, müssen wir aber erstmal seine drei Generäle besiegen.
Bereits in den ersten Minuten fühlt sich die Geschichte wie eine direkte Reaktion auf die Kritik an Borderlands 3 an. Statt komplett überdrehter Momente und dem eingangs erwähnten Toiletten-Humor, nimmt sich die Story diesmal ernst.
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Der neue Borderlands 4-Trailer von der State of Play
Was keineswegs heißt, dass es keine alten wie neuen schrullig-liebenswerten Charaktere oder den ein oder anderen Schmunzler in der Hauptmission gibt. Aber ernste Momente bekommen mehr Raum und werden nicht einfach mit einem platten Witz abgetan.
Ein wenig überrascht hat uns, dass wir an mindestens einer Stelle sogar das Schicksal einer Figur durch unser Handeln bestimmen konnten. Das hat zwar keinen Einfluss auf die übergreifende Story, aber Charaktere reagieren zumindest auf deren Über- oder Ableben, was ein cooles Detail ist.
Ihr solltet hier natürlich kein narratives Meisterwerk erwarten, aber die Story ist grundsolide und kann über ihre 20 bis 25 Stunden gut unterhalten. Zwischendrin gibt es immer mal wieder wirklich gut inszenierte Cutscenes – unser gewählter Vault Hunter darf diesmal sogar selbst auftreten und sprechen!
Dem gegenüber steht leider ein altes Borderlands-Laster: Die Cutscenes sind nämlich wichtigen Story-Momenten vorbehalten. Dazwischen wird die Geschichte primär vorangetrieben, indem wir einfach in der Spielwelt rumstehen und Charakteren bei ihren oft nicht allzu spannenden Monologen zuhören müssen, bevor unser nächstes Questziel angezeigt wird.
Das hätte sich leicht lösen lassen, indem uns einfach während des Gesprächs schon das nächste Reiseziel auf der Karte markiert wird.
Und um auch den Elefanten, oder besser gesagt Roboter, im Raum einmal anzusprechen: Ja, Claptrap ist wieder dabei, spielt aber nur eine kleine Rolle in der Hauptgeschichte. Uns hat er wie schon in früheren Teilen nicht gestört, aber ihr könnt seine Stimme diesmal bei Bedarf runterregeln oder ganz abschalten.
Sprachausgabe: Borderlands 4 ist komplett auf Deutsch vertont. Das Niveau der Sprachausgabe entspricht in etwa dem, was wir bereits aus den Vorgängern kennen – zweckmäßig, aber nicht überragend. Die englische Fassung ist hier insgesamt gelungener.
Ist Borderlands 4 denn noch witzig?
Die richtig abgedrehten Geschichten gibt es natürlich trotzdem im Spiel, wir finden sie aber primär in den Nebenmissionen. So sollen wir etwa Welthunger heilen, indem wir einen verstrahlten Baum pflanzen – an dem aber natürlich keine Früchte, sondern Waffen wachsen. Ist doch klar. Oder wir gehen zu einem Ripper-Guru (den "Psycho"-Äquivalenten in Borderlands 4), um Erleuchtung zu suchen.
Diese Storys gehören zu den absoluten Highlights, auch wenn dahinter Gameplay-technisch meistens reine Schießgefechte oder vereinzelte Sammelaufgaben stecken. Das wäre für sich kein großes Problem, allerdings sorgt die Open World nicht selten für lange Laufwege zu unseren Zielen.
Eine etwas verlassene Open World
Die offene Welt ist als eine der größten Neuerungen leider auch eine der wenigen großen Schwächen, obwohl die Idee hinter einem Open World-Borderlands eigentlich ziemlich gut ist. Ladebildschirme gehören abseits von Schnellreisen und einzelnen, abgeschotteten Arealen nämlich endlich der Vergangenheit an. Stattdessen reisen wir komplett nahtlos durch die Welt.
Am PC sorgte das hin und wieder für kleine fps-Ruckler, ob das auf Konsolen ähnlich aussieht, müssen wir noch abwarten. Dabei ist die Welt definitiv kein Grafikwunder, das muss sie aber auch gar nicht sein. Wir bekommen erneut den gewohnt schicken Cel Shading-Stil, abwechslungsreiche Gebiete von grünen Wiesen bis zu vertrauten Wüsten, und zudem ein dynamisches Tag-Nacht-System.
Wie steht es um die Performance auf PC? Auf einem PC mit RTX 4070-Grafikkarte und AMD Ryzen 7 7800X3D-Prozessor haben wir im Schnitt 60 bis 70 Frames pro Sekunde bekommen. In hektischen Momenten, besonders im Koop, gab es vereinzelt auch Drops in den 40er-Bereich, beim Fahren durch die Open World sogar regelmäßig, wenn die Gebiete im Hintergrund geladen werden.
Mit einem Asus Rog Strix G815-Gaminglaptop (RTX 5080 bei WQHD) sank die Framerate in diesen Momenten kurzzeitig sogar auf 17 fps ab. Hier soll der Day 1-Patch aber nachhelfen, ebenso bei den vereinzelten Abstürzen, die wir erlebt haben. Die Cutscenes selbst sind auf 30 fps begrenzt.
Leider ist die Welt schlicht zu leer, um uns wirklich zum Entdecken einzuladen. Hier und da gibt es Banditenlager und Bossgegner können in zufällig spawnenden Kuppeln auftauchen. Und natürlich gibt es Collectibles wie Vaultsymbole und Wackelkopf-Figuren zu sammeln. Zwar bekommen wir für das Finden eine spezielle Währung, mit der wir etwa unsere Rucksackgröße oder die maximale Munition erweitern können, die können wir aber genauso gut passiv beim Spielen sammeln.
Nichts davon ist Pflicht oder lohnt sich abseits der bereits erwähnten Nebenmissionen groß. Ob und wie sehr euch die Spielwelt interessiert, hängt natürlich auch zu einem gewissen Grad von eurem Spielstil ab.
Wir wollten häufig einfach nur möglichst schnell das nächste Missionsziel erreichen. Oftmals reisen wir nämlich kilometerweit von Punkt A nach B, Schnellreisepunkte sind erstaunlich rar gesät. Die meisten davon schalten wir erst frei, wenn wir feindliche Basen gesäubert haben.
Immerhin bekommen wir während der Story ziemlich schnell ein eigenes Motorrad spendiert, das wir dann nicht nur optisch anpassen, sondern auch jederzeit per Tastendruck zu uns rufen können.
Gewohnt fantastisches Gunplay mit i-Tüpfelchen
Ohnehin liegt der größte Fokus der Reihe aber letztlich darauf, zu looten und zu shooten. Und hier zeigt sich Borderlands 4 absolut von seiner besten Seite.
Das Gunplay fühlt sich gewohnt schnell und präzise an, selbst “normale” Waffen haben nicht selten durch die Kombination verschiedener Hersteller-Teile nützliche bis absurde Effekte.
So besitzen viele Elementar-Knarren etwa einen zweiten Modus, mit dem sie auf ein weiteres Element wie Feuer, Elektrizität oder Strahlung wechseln. Oder ein Scharfschützengewehr feuert im alternativen Modus einfach eine komplette Shotgun ab, die dann auf Feinde ballert.
Noch witziger wird es bei den legendären Waffen, die dann etwa zielsuchende Bienen verschießen oder jede unserer Entscheidungen kommentieren. Allerdings hat es eine Weile gedauert, bis so seltene Waffen für uns gedroppt sind. Auf den ersten 20 Leveln (mit Level 35 haben wir die Story beendet) haben wir gerade mal eine einzige Legendary gefunden, danach hat sich die Häufigkeit jedoch deutlich erhöht.
Die neuen Vault Hunter
Auch die vier neuen Vault Hunter selbst haben einiges zu bieten. Zum einen sind sie jetzt agiler, können per Tastendruck (wenn auch mit Cooldown) ausweichen, kurzzeitig in der Luft hovern und sich per Greifhaken an höher gelegene Stellen ziehen oder explosive Fässer schnappen und auf Feinde werfen.
Zum Anderen erlauben auch die Fähigkeiten einzigartige Spielstile. Schmiederitter Amon kann sich etwa mit einem massiven Schild vor Schaden schützen oder stattdessen zwei Äxte umherwerfen, die Feuer- und Cryoschaden verursachen. Sirene Vex beschwört etwa Doppelgänger oder Raubkatze Rabatzi, die Feinde angreift, ablenkt UND sich streicheln lässt!
Jeder Vault Hunter kann so aus einem von drei Action-Skills wählen. Jeder davon bekommt einen eigenen Fertigkeitsbaum, bei dem ihr im Verlauf noch zwei Augmentierungen wählt, die eure Fähigkeiten verändern. So kann Raubkatze Rabatzi explodieren, um Vex zu heilen oder ein schwarzes Loch erzeugen, das wiederum Feinde anzieht. Das lässt jede Menge Spielraum für Builds.
Die wollen besonders für die Bosskämpfe auch gut überlegt sein, da diese selbst im mittleren der drei Start-Schwierigkeitsgrade knackig werden können. Hier ballern wir nur selten stumpf drauf, sondern müssen beispielsweise einen unverwundbaren Boss erst angreifbar machen, indem wir ihm eine Bombe mit dem Greifhaken klauen und sie auf ihn werfen.
All das ist eher eine Evolution als eine Revolution des Gameplays, aber die rasanten Feuergefechte gehörten ohnehin schon immer zu den großen Stärken von Borderlands und der vierte Teil reiht sich hier ganz vorne mit ein.
Optionen für Barrierefreiheit: Borderlands 4 bietet diverse Accessibility-Optionen, darunter die Möglichkeit, Untertitel- und Schriftgröße anzupassen, Tasten neu zu belegen, Farbfehlsichtigkeitseinstellungen zu wählen oder Audioeinstellungen zu wählen, die etwa bei Tinnitus helfen. Nur ausführliche Optionen für gehörlose Menschen fehlen. Daneben gibt es zum Start auch bereits drei Schwierigkeitsgrade, aus denen ihr wählen könnt.
Ein neues Endgame
Bosse sind bekanntlich auch unsere beste Quelle für legendäre Ausrüstung und hier hat Borderlands 4 sich einen fantastischen Kniff für das Endgame überlegt. Statt wie bisher die Story jedes Mal neu durchballern zu müssen, können wir jetzt einfach zu den Bossen hinreisen und sie gegen eine kleine Gebühr an Ort und Stelle noch einmal erlegen. Das macht das Farmen so angenehm wie noch nie.
Ähnlich ist es beim “Ultimativen Kammerjäger-Modus”, der sowohl die Herausforderung als auch die Droprate steigert. Hier spielen wir ebenfalls nicht die komplette Geschichte von vorne, sondern absolvieren nach Abschluss der Story schlicht eine spezielle Mission zum Freischalten – und können danach neue Vault Hunter direkt auf Level 30 erstellen.
Koop: All das macht natürlich im Koop noch mehr Laune, Borderlands 4 lässt sich nämlich nicht nur solo, sondern auch mit bis zu drei weiteren Mitspieler*innen zocken. Das bringt auch ein paar spielerische Vorteile, so können uns Mitspieler*innen auf die Beine helfen, wenn wir am Boden liegen oder wir teleportieren uns von überall auf der Map einfach per Tastendruck zu ihnen – praktisch!
Lediglich das Koop-Balancing kann unserer Meinung nach noch etwas Feinjustierung gebrauchen. Wir wurden zu zweit schon in den ersten Spielstunden von so vielen Badass-Gegnern überrannt, wie wir normalerweise erst im Endgame erwarten würden. Das hat paradoxerweise dazu geführt, dass das Spiel gerade anfangs, bevor wir fertige Builds und gute Waffen hatten, solo teils leichter war.
Daneben supportet das Spiel auch Crossplay, sodass ihr über alle Plattformen hinweg mit anderen spielen könnt. Cross-Progression gibt es dagegen nicht, ihr könnt euren Spielstand also nicht auf eine andere Plattform übertragen.
Fazit
Borderlands 4 besinnt sich auf alte Stärken und bietet wieder fantastische Action mit deutlich mehr Story-Tiefe als im Vorgänger. Nur die Open World schwächelt etwas. Wertungstendenz: 84 - 85
- oft filmisch inszenierte Story
- jede Menge spaßige Waffen
- viele Charakter-Anpassungsoptionen
- abwechslungsreiche Bosskämpfe
- verbessertes Endgame
- Open World zu leer
- vereinzelte fps-Drops (PC)
- unnötiger Leerlauf durch Warten während der Story
Borderlands 4 schraubt an vielen Kritikpunkten des Vorgängers, vor allem der Story. Verfeinert zudem seine Stärken wie das Looten und Shooten weiter, nimmt aber auch ein paar kleine Altlasten mit. Frei nach dem Motto "mach’s nicht heil, wenn es nicht kaputt ist", bekommen wir hier keine Revolution des Genres, dafür aber einen spaßigen Loot-Shooter, der viele Kritiker*innen des Vorgängers und auch den ein oder anderen Neuling abholen dürfte.
Solange euch die typische Borderlands-Schrägheit von sprechenden Granaten bis hin zu Waffen-Bäumen nicht stört, denn die gehört weiterhin dazu. Lediglich die Open World hätte es nicht gebraucht, denn die ist einfach insgesamt zu uninteressant, als dass wir gerne durch sie durchreisen wollen.
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